BT-Drucksache 17/2129

Europa in Bewegung - Mit Kompetenz und Verantwortung für einen europäischen Mehrwert im Sport

Vom 16. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2129
17. Wahlperiode 16. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Klaus Riegert, Eberhard Gienger, Stephan Mayer (Altötting),
Peter Altmaier, Alexander Dobrindt, Mechthild Heil, Dirk Fischer (Hamburg),
Reinhard Grindel, Axel Knoerig, Dr. Frank Steffel, Manfred Kolbe, Stefan Müller
(Erlangen), Dieter Stier, Christian Freiherr von Stetten, Karin Strenz, Peter Wichtel,
Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Dr. Lutz Knopek, Gisela Piltz,
Oliver Luksic, Dr. Birgit Reinemund, Dr. Daniel Volk und der Fraktion der FDP

Europa in Bewegung – Mit Kompetenz und Verantwortung für einen europäischen
Mehrwert im Sport

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 und mit
Artikel 165 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
erhielt die Europäische Union eine ausdrückliche, unterstützende Zuständigkeit
und Kompetenz für den Bereich Sport. Hierbei wird der Sport nunmehr neben
leistungssportlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Implikationen, vor allem
auch in seiner sozialen Funktion für ein Europa der Bürger gesehen. Auf der
Basis des Subsidiaritätsprinzips bleiben die Mitgliedstaaten die Hauptakteure
gegenüber der EU, obgleich mit dem Sport auf der Zielebene der Blick insbeson-
dere auf eine europäische Gesellschaftswelt gerichtet wird. Mit der neuen Kom-
petenz, aber auch gemeinsamen Verantwortung, gilt es in Anlehnung an das EU-
Weißbuch des Sports und den „Aktionsplan Pierre de Coubertin“ verbindende
Werte und Ziele, wie Fairness, gegenseitige Achtung und Respekt, im und durch
den Sport zu verwirklichen. Eben diese Normen tragen die Europäische Union
und spiegeln pluralistische und demokratische Werte wider.

In enger Kooperation und im strukturierten Dialog mit dem organisierten Sport
steht bei der Ausgestaltung der neuen Zuständigkeit ein europäischer Mehrwert
gegenüber nationalen Aktivitäten im Mittelpunkt des Interesses. Dies muss nicht
nur bei finanziellen Förderprogrammen, sondern für alle Maßnahmen der Sport-
agenda als Grundsatz gelten. Dabei ist der Sport mit dessen sozialer Wirklichkeit
und Besonderheit in Abgrenzung zur Wirtschaft in angemessener Weise zu be-

rücksichtigen. Durch intensive Kommunikation zwischen Vertretern aus Sport,
Politik und Organisationen sowie mit Hilfe eines öffentlichen Konsulta-
tionsprozesses, EU Sportforen und bilateralen Treffen hat bisher ein konstruk-
tiver Austausch zu spezifischen Themen des Sports stattgefunden. Hierbei hat
Deutschland einen richtungsweisenden Beitrag im europäischen und internatio-
nalen Austausch geleistet. Dies wird sich unter Geltung der neuen EU-Kompe-
tenz nicht ändern.

Drucksache 17/2129 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Unabhängig vielfältiger Aspekte weist die Europäische Kommission auf eine
Priorisierung der angestrebten Ziele nach Größe des Mehrwertes und Hand-
lungsbedarfs hin. Zudem wird auf ihre lediglich unterstützende Kompetenz für
eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und auf die begrenzten finanziellen
Mittel hingewiesen. Es soll nicht um die Auflistung eines möglichst breiten Ziel-
und Forderungskataloges gehen, sondern um den Fokus auf gut begründbare und
gewichtete Ziele mit einem Mehrwert auf europäischer Ebene.

Unter Beachtung der geschilderten Grundsätze und insbesondere des Subsidiari-
tätsprinzips sollen die Chancen für den Sport und für Europa in gemeinsamer
Verantwortung wechselseitig genutzt werden, ohne dabei einer bürokratischen
Überregulierung mit Überwachungs-, Prüfungs- und Koordinationsmechanis-
men zur Umsetzung der EU-Leitlinien zu verfallen. Letztlich steht der Wertzu-
wachs für den europäischen Sport mit dessen Agenda im Vordergrund und nicht
unnötiges Behördenhandeln.

Die hoch zu achtende Autonomie des Sports wird der Politik selbstverständlich
wie bisher einen begrenzenden Rahmen vorgeben. Denn mit der Anerkennung
der Autonomie des Sports und einer reflektierten, zielgerichteten Unterstützung
durch die EU kommt man einem aufgeklärten Verständnis des Sports in Europa
nach – jedoch nicht mit einer allein wohlgemeinten Alimentation und letztlichen
Bevormundung. Die Potenziale des Sports in Europa erhalten ihre Gestaltungs-
kraft und Signalwirkung erst durch eng definierte Ziele.

Für Deutschland ergeben sich unter den geschilderten Leitlinien folgende ziel-
gerichtete, realpolitisch umsetzbare und einen europäischen Mehrwert ver-
sprechende Themenfelder: Die Förderung und Unterstützung des Anti-Doping-
Kampfes, die Verbesserung der dualen Karrieremöglichkeiten und der Mobilität
von im Sport Beschäftigten, die Bedeutung von körperlicher Aktivität und des
Sports für Gesundheit und Prävention sowie das bürgerschaftliche Engagement.

Die Förderung und der Schutz der Gesundheit aller Sporttreibenden in Europa,
und damit die körperliche und seelische Unversehrtheit im Spitzen- und Breiten-
sport, stehen im Vordergrund des Kampfes gegen Doping und anderen Formen
der Manipulation.

Als innovativ strukturelle Verbesserung des europäischen Anti-Doping-
Kampfes wird die Gründung eines EU-Netzwerkes der nationalen Anti-Doping-
Organisationen (NADOs) gesehen, um Synergieeffekte für alle Mitgliedstaaten
nutzbar zu machen. Dabei können die Verbindungen des Netzwerkes zur inten-
siveren Kooperation, Kommunikation sowie zur Verbesserung des Kontroll-
systems und der Präventionsarbeit genutzt werden, ohne dies in einer neuen,
übergeordneten Organisation institutionalisieren zu müssen. Neben allgemeinen
positiven Effekten in Administration, Wissenschaft und Technik könnten kon-
kret Doppeltests von Sportlern vermindert, gemeinsame Testverfahren harmoni-
siert, Testabläufe besser koordiniert, Kompetenzen gebündelt sowie Erfahrun-
gen effektiver ausgetauscht werden.

Bei der Implementierung neuer, gemeinsamer Anti-Doping-Maßnahmen sind je-
doch die Persönlichkeitsrechte der Spitzensportler, z. B. im Hinblick auf die Ein-
richtung von Melderegistern, angemessen zu berücksichtigen und zu schützen.

Mit der Einrichtung einer „Monitoring-Task-Force“ könnte in Kooperation mit
der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zudem die Überwachung der Entwick-
lung neuer Dopingsubstanzen und Formen der Manipulation richtungsweisend
verbessert werden. In enger Verbindung zur Anti-Doping-Konvention des Euro-
parates kann mit einer breiten Zustimmung in der EU gerechnet werden.

Der organisierte Sport in Deutschland verpflichtet sich dem humanen Leistungs-
sport und der Öffnung von Lebensperspektiven, die im Anschluss an die sportli-

che Karriere über den Sport hinaus reichen können. Die Förderung und Verein-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2129

barkeit der schulischen und beruflichen Bildung mit der Laufbahn eines Spitzen-
sportlers spielt eine entscheidende Rolle.

Im nationalen Rahmen zeigen sich die Bemühungen um Duale Karrieren bei-
spielsweise schon anhand von Elite-Schulen des Sports oder Partnerhochschulen
des Spitzensports. Um Rahmenbedingungen und Richtlinien Dualer Karrieren
und die Mobilität der im Sport Beschäftigten auf EU-Ebene positiv zu verstär-
ken, wird der Einsatz um die Anerkennung von Trainerlizenzen und äquivalenten
Ausbildungsinhalten im europäischen Raum unterstützt. Weiterhin sollen EU-
Projekte zur beruflichen Eingliederung zusammen mit Athleten, Ausbildungs-
einrichtungen, Sportverbänden und Unternehmen vorangetrieben werden, wie
dies z. B. bei der Initiative „Athletes2Business“ in Kooperation mit dem EOC-
Büro oder dem „Athlete-Career-Programme“ des IOC geschieht.

Sport und körperliche Aktivität können einen bedeutenden Beitrag zur individu-
ellen und öffentlichen Gesundheitsförderung und Krankheitsverhütung, u. a. in
den Bereichen Übergewicht, Diabetes und Herzkreislauferkrankungen leisten.
Dies wird auch im EU-Weißbuch des Sports ausdrücklich betont. Auf der Ziel-
ebene sind Sport und körperliche Aktivität als Selbstzweck und instrumentell zur
Verbesserung der Gesundheit in enger Verbindung zu einer gesunden Ernährung
von Erwachsenen und insbesondere Kindern hervorzuheben. Hierdurch kann
eine höhere Lebensqualität, eine gesteigerte Leistungsfähigkeit in Bildung, Be-
ruf und Privatleben erreicht sowie insbesondere das Auftreten von Zivilisations-
krankheiten vermindert werden. Ziel ist es, durch eine verbesserte Aufklärung
und Sensibilisierung der Menschen das Ernährungs- und Bewegungsverhalten in
Deutschland und in der EU nachhaltig zu verbessern.

Auf europäischer Ebene kann im wechselseitigen Austausch eine Sensibilisie-
rung und erhöhte Selbstreferenz der jeweils eigenen Ernährungs- und Bewe-
gungskultur geschaffen und somit durch die Förderung gemeinsamer, transnatio-
naler Projekte ein Mehrwert erschlossen werden. In enger Absprache mit den
Sportministern der jeweiligen Bundesländer sowie den zuständigen Behörden
und Organisationen sollen bereits bestehende Netzwerke und EU-Förderpro-
gramme zum Sport, zur Gesundheit und körperlichen Aktivität ausgebaut sowie
kleinere und gezieltere Netzwerke zu bestimmten Teilaspekten neu initiiert wer-
den. So können in Anlehnung an bestehende Projekte, wie z. B. dem Nationalen
Aktionsplan „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und
mehr Bewegung“, vielfältige Aktivitäten im europäischen Kontext umgesetzt
werden. Durch gemeinsame und koordinierte EU-Projekte können positive An-
sätze für gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung gebündelt, Maßnah-
men und Strategien unter Berücksichtigung der regionalen und nationalen Gege-
benheiten entworfen sowie zielgerichtete Strukturen für einen gesundheitsför-
derlichen Lebensstil realisiert werden. Eine Förderung und Intensivierung von
Aktionen in Verbindung zu den EU-Leitlinien für körperliche Aktivität und
Empfehlungen der WHO (Weltgesundheitsorganisation) sind ohne bürokra-
tische Überregulierungen, wie zusätzlichen Überwachungs-, Prüfungs- und
Koordinationsmechanismen, umzusetzen.

Die Grundlage für die Organisation, Verwaltung und Umsetzung des Sports in
Europa ist weitestgehend das bürgerschaftliche Engagement, was ebenso über
den Sportbezug hinweg von erheblichem sozialen, wirtschaftlichen und demo-
kratischen Wert für die Mitgliedstaaten und die EU insgesamt ist. Dabei kann das
Ehrenamt auch als eine Art nichtformale Bildungskomponente verstanden wer-
den, die vor den Entwicklungen des demographischen Wandels neue Lebens-
perspektiven junger und älterer Menschen eröffnet. Über das bürgerschaftliche
Engagement wird in den EU-Mitgliedstaaten und über die EU-Grenzen hinaus
die Kommunikation und der gesellschaftliche Diskurs verstärkt sowie im Sport

übergreifende Werte wie Fairness, Offenheit und Gleichstellung der Geschlech-
ter transportiert. Diese richten sich ebenso entschieden gegen jegliche Formen

Drucksache 17/2129 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Diskriminierung, wie gegen Gewalt oder auch gegen Ausgrenzung von
Randgruppen oder Minderheiten, wie z. B. Menschen mit Behinderungen oder
Bürgern mit Migrationshintergrund.

Ziel ist es, das bürgerschaftliche Engagement im und durch den Sport sowie die
grenzüberschreitende Mobilität von Ehrenamtlichen in der EU zu erleichtern und
zu fördern. Hierbei sollen die Ergebnisse der Studie zur Freiwilligenarbeit in der
EU mit deren Maßnahmen zur Gewinnung von Ehrenamtlichen im Sport umge-
setzt werden. Die Unterstützung der Programme „Jugend in Aktion“ sowie der
Europäischen Freiwilligendienste sind weiterhin fortzuführen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich in der EU für eine maßvolle Fortentwicklung der EU-Sportpolitik einzuset-
zen und dabei

1. den Kampf gegen Doping im Sport durch die Einrichtung eines Netzwerkes
der europäischen Anti-Doping-Organisationen (NADOs) sowie einer
„Monitoring-Task-Force“ zu unterstützen,

2. die Anerkennung von Trainerlizenzen und äquivalenten Ausbildungsinhal-
ten sowie die Mobilität der im Sport Beschäftigten als Rahmenbedingungen
Dualer Karrieren auf EU-Ebene positiv zu verbessern und zur beruflichen
Eingliederung von Athleten beizutragen,

3. die Programme in Verbindung zu den EU-Leitlinien für körperliche Aktivi-
tät ohne bürokratische Überregulierungen fortzuführen und vielfältige Akti-
vitäten in Anlehnung an den Nationalen Aktionsplan „IN FORM“ unter Be-
rücksichtigung der regionalen, nationalen Gegebenheiten sowie des europäi-
schen Kontextes zu erschließen und durchzuführen,

4. das bürgerschaftliche Engagement im Sport sowie die grenzüberschreitende
Mobilität von Ehrenamtlichen in der EU durch die Umsetzung der Ergeb-
nisse der Studie zur Freiwilligenarbeit in der EU mit dessen Maßnahmen zur
Gewinnung von Ehrenamtlichen im Sport zu erleichtern und zu fördern,

5. im Hinblick auf die genannten Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass zur
Erzielung eines europäischen Mehrwertes für den Sport der durch die Auto-
nomie des Sports und das Subsidiaritätsprinzip vorgegebene Handlungs-
rahmen nicht überschritten wird.

Berlin, den 16. Juni 2010

Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und Fraktion
Birgit Homburger und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.