BT-Drucksache 17/2015

a) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP -17/1758- Europa 2020 - Die Wachstums- und Beschäftigungsstrategie der Europäischen Union braucht realistische und verbindliche Ziele hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union b) zu dem Antrag der Fraktion der SPD -17/882- Europa 2020 - Strategie für ein nachhaltiges Europa Gleichklang von sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Entwicklung c) zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Fritz Kuhn, Marieluise Beck (Bremen), Volkter Beck (Köln), Viola von Tramom-Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/898- EU 2020 - Für ein ökologisches und soziales Europa

Vom 10. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2015
17. Wahlperiode 10. 06. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(21. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksache 17/1758 –

Europa 2020 – Die Wachstums- und Beschäftigungsstrategie der Europäischen
Union braucht realistische und verbindliche Ziele

hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des
Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von
Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union

b) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/882 –

Europa 2020 – Strategie für ein nachhaltiges Europa
Gleichklang von sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Entwicklung

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Fritz Kuhn, Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/898 –

EU 2020 – Für ein ökologisches und soziales Europa
A. Problem

Die EU-Kommission hat am 3. März 2010 eine Mitteilung zur Wachstums- und
Beschäftigungsstrategie Europa 2020 (KOM(2010) 2020) vorgelegt. Mit dieser
Strategie soll die EU gestärkt aus der Krise hervorgehen und sich in eine intelli-
gente, nachhaltige und integrative Wirtschaft verwandeln, die durch hohes

Drucksache 17/2015 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschäftigungs- und Produktivitätsniveau sowie ausgeprägten sozialen Zusam-
menhalt gekennzeichnet ist.

Europa 2020 ist das Nachfolgekonzept für die im Jahr 2000 verabschiedete Lis-
sabon-Strategie, mit der die EU sich bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten, dyna-
mischsten und wissensbasierten Wirtschaftsraum entwickeln sollte. Zwar wurde
ein Reformprozess eingeleitet, die gesetzten Ziele wurden hingegen auch auf-
grund fehlender Prioritätensetzung und mangels Verbindlichkeit verfehlt. Die
EU-Kommission schlägt deshalb mit der Strategie Europa 2020 drei Prioritäten
(intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum),

fünf Kernziele

– 75 Prozent der Bevölkerung im Alter 20 bis 64 Jahre in Arbeit

– 3 Prozent des BIP der EU für F&E

– 20-20-20-Klimaschutz-/Energieziel sowie 30 Prozent Emissionsreduktions-
ziel, soweit Voraussetzungen erfüllt

– Absenkung der Schulabbrecher auf 10 Prozent sowie 40 Prozent Hochschul-
absolventen

– Reduktion der armutsgefährdeten Personen um 20 Millionen

und sieben Leitlinien

– Innovationsunion

– Jugend in Bewegung

– Digitale Agenda für Europa

– Ressourcenschonendes Europa

– Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung

– Agenda für neue Kompetenzen

– Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut

vor.

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen die Kernziele, die keinen An-
spruch auf Vollständigkeit erheben, in Anpassung an die jeweilige Situation in
den Mitgliedstaaten im Rahmen nationaler Ziele umgesetzt werden. Die Errei-
chung der Ziele soll auf der Grundlage von Berichten der Mitgliedstaaten über-
prüft und durch länderspezifische Empfehlungen der EU-Kommission unter-
stützt werden. Die Leitlinien sollen für die Mitgliedstaaten bindend sein.

Der Zeitplan der EU-Kommission sieht vor, die Strategie bis 2011 zu beschlie-
ßen und ab 2013 umzusetzen. Der Europäische Rat hat sich am 25./26. März
2010 auf die quantifizierten Kernziele in den Gebieten Beschäftigung, For-
schung und Klimaschutz verständigt. Eine endgültige Festlegung sowie eine
Verständigung in den Bereichen Bildung und den Fragen der sozialen Einglie-
derung sowie bezüglich der nationalen Ziele und Leitlinien ist für den Europäi-
schen Rat am 17./18. Juni 2010 geplant.

Alle Anträge sprechen sich für eine Verknüpfung von wirtschaftlichem Wachs-
tum, ökologischer Verantwortung und sozialem Zusammenhalt in der Nach-
folgestrategie zur Lissabon-Strategie aus, setzen jedoch unterschiedliche
Schwerpunkte. Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (Drucksache
17/1758) betont die Ziele eines stärkeren Wirtschaftswachstums und einer zu-
kunftsorientierten Bildungs- und Forschungspolitik sowie das Erfordernis von
Bürokratieabbau und ausreichender Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaa-

ten. Er formuliert Nachbesserungsbedarf hinsichtlich der angestrebten Beschäf-
tigungsquote, beim Kernziel der quantitativen Verbesserung des Bildungs-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2015

niveaus und spricht sich gegen eine Armutsrisikoquote gemäß dem Vorschlag
der EU-Kommission aus, weil die Armutsrisikoquote als alleiniger Indikator un-
geeignet sei. Der Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 17/822) betont die
Ziele des nachhaltigen Wohlstandes und des sozialen Fortschritts zur Verbesse-
rung der Lebensqualität für alle, einer stärkeren wirtschafts- und beschäfti-
gungspolitischen Koordinierung der mitgliedstaatlichen Politiken sowie einer
Sozialunion gleichrangig zur Wirtschafts- und Währungsunion. Der Antrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/898) stellt das Ziel ei-
nes „Green New Deal“ in den Vordergrund, in dem das Ziel eines sozialen Eu-
ropas verbunden wird mit einer konsequenten Politik zur ökologischen Moder-
nisierung der europäischen Industrie und Orientierung am Klima- und
Biodiversitätsschutz.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Annahme des Antrags auf Drucksache 17/1758 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/882 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD
bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Zu Buchstabe c

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/898 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD
und DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/2015 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/1758 anzunehmen;

b) den Antrag auf Drucksache 17/882 abzulehnen;

c) den Antrag auf Drucksache 17/898 abzulehnen.

Berlin, den 9. Juni 2010

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Gunther Krichbaum
Vorsitzender

Dr. Johann Wadephul
Berichterstatter

Dr. Eva Högl
Berichterstatterin

Gabriele Molitor
Berichterstatterin

Alexander Ulrich
Berichterstatter

Manuel Sarrazin
Berichterstatter

wicklung überwiesen. und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner 8. Sitzung am 24. März 2010 den Antrag mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stim-
men der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der

DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. abgelehnt.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 10. Sitzung am 21. April 2010
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2015

Bericht der Abgeordneten Dr. Johann Wadephul, Dr. Eva Högl, Gabriele Molitor,
Alexander Ulrich und Manuel Sarrazin

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

1. Zu Drucksache 17/1758

Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf
Drucksache 17/1758 wurde in der 43. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 20. Mai 2010 zur federführenden
Beratung an den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union und zur Mitberatung an den Haushalts-
ausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie,
den Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und den Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung überwiesen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 23. Sitzung am 9. Juni
2010 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner 14. Sitzung am 9. Juni 2010 den Antrag mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN angenommen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 21. Sit-
zung am 9. Juni 2010 den Antrag mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
angenommen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat in seiner 14. Sitzung am 9. Juni 2010 den An-
trag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat in seiner 14. Sitzung am 9. Juni 2010
den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LIN-
KE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

2. Zu Drucksache 17/882

Der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/882
wurde in der 27. Sitzung des Deutschen Bundestages am
4. März 2010 zur federführenden Beratung an den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union und zur
Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und Techno-
logie, den Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und
den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 12. Sit-
zung am 24. März 2010 den Antrag mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat in seiner 10. Sitzung am 21. April
2010 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei
Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat in seiner 9. Sitzung am 24. März 2010 den
Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimment-
haltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN abgelehnt.

3. Zu Drucksache 17/898

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 17/898 wurde in der 27. Sitzung des Deutschen
Bundestages am 4. März 2010 zur federführenden Beratung
an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union und zur Mitberatung dem Auswärtigen Ausschuss,
dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, dem Aus-
schuss für Arbeit und Soziales, dem Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, dem Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und dem
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung überwiesen.

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 12. Sitzung am
21. April 2010 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner 8. Sitzung am 24. März 2010 den Antrag mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 12. Sit-
zung am 24. März 2010 den Antrag mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat in seiner 9. Sitzung am 24. März 2010 den An-
trag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
abgelehnt.

den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/

Drucksache 17/2015 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD
und DIE LINKE. abgelehnt.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat in seiner 9. Sitzung am 24. März 2010 den
Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und
DIE LINKE. abgelehnt.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
1. Zu Drucksache 17/1758

Mit ihrem gemeinsamen Antrag betonen die Fraktionen der
CDU/CSU und FDP, dass die Zielsetzung der Strategie Eu-
ropa 2020 dem im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP verankerten Dreiklang von wirtschaftlichem
Wachstum, ökologischer Verantwortung und sozialem Zu-
sammenhalt entspreche und begrüßten den Fokus auf nach-
haltiges Wachstum und Beschäftigung. Der Antrag verweist
auf die Weichenstellungen der Bundesregierung für ein stär-
keres Wirtschaftswachstum und eine zukunftsorientierte Bil-
dungs- und Forschungspolitik. „Europa 2020“ sollte sich
von diesem Reformkurs nicht abwenden, sondern diese
Maßstäbe zum Vorbild nehmen, insbesondere hinsichtlich
der Erhöhung der Bildungsausgaben auf 10 Prozent, eines
neuen Energiekonzeptes und der Reformen auf dem Arbeits-
markt.

Es sei zu begrüßen, dass der Zielkatalog der neuen Strategie
deutlich reduziert worden sei und damit Bürokratieabbau
fördere. Unterstützenswert sei die stärkere Verbindlichkeit
der Ziele sowie der partnerschaftliche Ansatz. Der Erfolg
von Europa 2020 hänge von der Handhabbarkeit der Ziele,
dem Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten und davon
ab, inwieweit aus Fehlern der Lissabon-Strategie die richti-
gen Lehren gezogen würden.

Der Antrag formuliert erheblichen Nachbesserungsbedarf
hinsichtlich folgender Kernziele:

– Bezüglich des Ziels zur Anhebung der Beschäftigungs-
quote spricht er sich für eine Erhöhung der unteren
Altersgrenze aus, um längere Ausbildungen zu berück-
sichtigen.

– Das Ziel der quantitativen Verbesserung des Bildungs-
niveaus sollte differenzierte Bildungssysteme und -ab-
schlüsse der Mitgliedstaaten stärker einbeziehen.

– Das Ziel der sozialen Eingliederung und Armutsbekämp-
fung sollte mangels Steuerbarkeit nicht mit einer Armuts-
risikoquote unterlegt werden, da bei deren Berechnung
nichtmonetäre Sozialleistungen unberücksichtigt blie-
ben.

Der Deutsche Bundestag möge deshalb die Bundesregierung
auffordern,

– die Bedeutung der Ziele für Deutschland zu klären,

– für die Mitgliedstaaten realistische und erreichbare Ziele
festzulegen und die Indikatoren erforderlichenfalls nach-
zubessern,

– sich für eine strikte Einhaltung der Kompetenzordnung
des Vertrags von Lissabon einzusetzen, insbesondere die

– regionale und lokale Gebietskörperschaften bei der Um-
setzung der Ziele angemessen zu beteiligen, insbesonde-
re quantitativen Festlegungen beim Kernziel Bildung nur
in Abstimmung mit den Bundesländern zuzustimmen,

– sich für die Berücksichtigung der Vielfalt der Bildungs-
gänge und ihrer Abschlüsse innerhalb der EU einzuset-
zen,

– das Armutsbekämpfungsziel nur unter der Voraussetzung
realistischer Indikatoren zu unterstützen,

– zu verhindern, dass die Strategie von den Mitgliedstaaten
als Vorwand für unzureichende Konsolidierungsanstren-
gungen der Mitgliedstaaten missbraucht wird,

– auf eine Koordinierung der Strategie mit anderen lang-
fristigen Politiken der EU hinzuwirken,

– einem Aushöhlen des europäischen Binnenmarkts entge-
genzuwirken.

Der Antrag spricht sich im Übrigen für Sorgfalt bei der For-
mulierung der Ziele und erforderlichenfalls für eine spätere
Beschlussfassung im Europäischen Rat aus.

2. Zu Drucksache 17/882

Die Fraktion der SPD betont mit ihrem Antrag

– das Ziel einer nachhaltigen Wohlstandsstrategie und des
sozialen Fortschritts zur Verbesserung der Lebensqualität
für alle,

– das Erfordernis einer gemeinsamen Antwort auf exis-
tenzbedrohende Krisen durch eine wirtschafts- und be-
schäftigungspolitische Koordinierung der mitgliedstaat-
lichen Politiken,

– das Ziel einer Sozialunion gleichrangig zur Wirtschafts-
und Währungsunion (soziale Fortschrittsklausel sowie
Ausbau europäischer Rechtsetzung im Bereich Sozial-
schutz und Arbeitnehmerrechte.

Nach Ansicht der Fraktion der SPD sei für den Erfolg der
Strategie Europa 2020 Kohärenz zwischen den einzelnen
Zielen sowie Maßnahmen und eine mittel- sowie langfristige
Perspektive wesentlich.

Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung auffor-
dern, sich für folgende Ziele einzusetzen:

● Stärkung von Beschäftigung und sozialer Sicherheit
durch

– Vollbeschäftigung bei Verbesserung von Vergütung
und Qualität der Arbeitsplätze, Teilhabe benachteilig-
ter Menschen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf
und einer ausgewogenen betrieblichen Mitbestim-
mung,

– Stärkung der sozialen Dimension der EU durch Ver-
einbarung von Mindestlöhnen und sozialen Mindest-
standards sowie klaren Vorgaben zur Reduzierung
von Armut,

– enge Verzahnung in den Bereichen Bildung, Ausbil-
dung und lebenslanges Lernen, unterlegt mit Mitteln
bis 2015 in Höhe von 7 Prozent des BIP und dem Ziel
eines OECD-Abschlussniveaus (ISCED3) für alle,
Wahrung der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeits-
grundsätze,

– Erhaltung von Einrichtungen öffentlicher Daseinsvor-
sorge,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2015

– Gleichstellung von Mann und Frau durch Fristen zur
Reduzierung der Entgeltunterschiede;

● Verwirklichung einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik
durch

– Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei der öf-
fentlichen Auftragsvergabe in Europa,

– Generieren zusätzlicher Investitionen in Höhe von
1 Prozent des BIP,

– Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine neue
Gründungskultur und eine Einigung auf „tax credits“,

– Stärkung der Koordination nationaler Finanzbehör-
den und Einführung einer europäischen Finanztrans-
aktionssteuer und Einrichtung eines aus privaten Mit-
teln gespeisten europäischen Stabilitäts- und
Sicherungsfonds,

– Schaffung eines solidarischen Energiebinnenmarktes
mit angemessener Lastenteilung und Ausbau des trans-
europäischen Energienetzes,

– Umbau in eine ökologische, den Anforderungen zur
Bewältigung des Klimawandels gerecht werdenden
Wirtschaft und intensivere Anstrengungen bei For-
schung und Entwicklung über das 3-Prozent-Ziel hin-
aus,

– mehr Transparenz hinsichtlich der Energieeffizienz,
ökologische Produkte und Recycling,

– neue Strategien zur Optimierung und Verlagerung der
Verkehre,

– Verzicht auf gegenseitigen Unterbietungswettbewerb
im Lohn- und Steuerbereich sowie hohe Qualitäts-
und Schutzstandards für Verbraucher;

● Eine faire weltweite Partnerschaft stärken durch

– globale Armutsbekämpfung,

– eine globale Entwicklungspartnerschaft,

– Abschaffung aller handelsverzerrenden Marktstüt-
zungen insbesondere im Agrarbereich;

● Governance verbessern.

3. Zu Drucksache 17/898

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 17/898 betont, dass das Fundament der EU das
Prinzip der Solidarität zwischen Menschen und Staaten sei.
Entscheidend sei, dass die neue Strategie in einem transpa-
renten und demokratischen Prozess entwickelt werde. Euro-
pa brauche einen „Green New Deal“, in dem ökologische
Zielstellungen mit einer Politik der Teilhabe und der sozialen
Sicherheit verbunden werden, der allen Menschen ein selbst-
bestimmtes Leben ermöglicht und ihnen neue Chancen der
Entfaltung gibt.

Der Deutsche Bundestag möge die Bundesregierung auffor-
dern auf dem Europäischen Rat für folgende Ziele einzutre-
ten:

– Armutsbekämpfung und Förderung der sozialen Einglie-
derung durch EU und Mitgliedstaaten, Mindestsicherung

– Ausgestaltung einer inklusiven Arbeitswelt und verbind-
licher allgemeingültiger Mindestarbeitsbedingungen so-
wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit,

– Ausbau der sozialen Sicherungssysteme,

– ökologische Modernisierung der europäischen Industrie
als Schwerpunkt, insbesondere Entkoppelung des Wirt-
schaftswachstums vom Wachstum des Energie- und Res-
sourcenverbrauchs, Orientierung am Klima- und Bio-
diversitätsschutz, Senkung der Treibhausgasemissionen
um mindestens 40 Prozent und bis 2050 um mindestens
90 Prozent,

– Realisierung von Impulsen der europäischen Forschung
für die Transformationsprozesse im Rahmen eines
„Green New Deal“ und einer nachhaltigen Entwicklung,

– Europa als ressourceneffizientesten Wirtschaftsraum aus
100 Prozent erneuerbaren Energien und eine konsequente
Umgestaltung der europäischen Agrar- und Fischerei-
politik,

– Einführung eines Makroökonomischen Sachverständi-
genrats und Stärkung der Instrumente und Regeln für
eine bessere Koordination der Wirtschafts- und Fiskal-
politik der Mitgliedstaaten,

– Ersetzung der nationalen Beiträge zum EU-Haushalt
durch europäische Steuern, wie einen einheitlichen euro-
päischen Mindestsatz für die Unternehmenssteuer, eine
CO2-basierte Energiebesteuerung und eine Finanzum-
satzsteuer,

– besserer Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten und
bessere Entschädigungsregeln,

– Teilhabe an der Wissensgesellschaft für alle Menschen,
d. h. Verringerung der sozialen Auswahl beim Zugang zu
höherer Bildung, Bereitstellung von bis zu 30 Mrd. Euro
jährlich für die Finanzierung von Minderungs- und An-
passungsmaßnahmen in Entwicklungsländern,

– Stärkung der globalen Dimension, indem die EU Vorrei-
ter wird zur Durchsetzung eines gerechten internationa-
len Klimaschutzabkommens und eines fairen mulilatera-
len Handelssystems.

Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, dass die EU
für einen solidarischen Ausgleich zwischen den Regionen,
Schutz vor einem Wettbewerb um die niedrigsten Sozialstan-
dards und ein Leben frei von Diskriminierung, Armut und
sozialer Ausgrenzung stehe. Dabei seien Gas und Kohle
keine Energiequellen der Zukunft mehr. Die Reduktion der
biologischen Vielfalt sei neben dem Klimawandel die größte
globale Umweltgefährdung und führe zu beträchtlichen
Wirtschafts- und Wohlfahrtsverlusten. Der wirtschaftliche
Erfolg Europas hänge von Innovationen und Technologie-
führerschaft sowie „starken Arbeitnehmern“ ab. Zugang zu
Bildung sei zugleich eine elementare Frage der Gerechtig-
keit. Schließlich seien die verschiedenen Politiken konse-
quent in den Dienst der Armutsbekämpfung, der gerechten
Verteilung des globalen Reichtums und der nachhaltigen
Entwicklung zu stellen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beklagt in ihrem
Antrag, dass ohne Analyse der unzureichenden Wirksamkeit
in Höhe des jeweiligen soziokulturellen Existenzmini-
mums für alle EU-Bürger in den Mitgliedstaaten,

der Lissabon-Strategie unter hohem Zeitdruck eine Nachfol-
gestrategie ausgearbeitet werde.

Drucksache 17/2015 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, dass die EU
für einen solidarischen Ausgleich zwischen den Regionen,
Schutz vor einem Wettbewerb um die niedrigsten Sozialstan-
dards und ein Leben frei von Diskriminierung, Armut und
sozialer Ausgrenzung stehe. Dabei seien Gas und Kohle kei-
ne Energiequellen der Zukunft mehr. Die Reduktion der bio-
logischen Vielfalt sei neben dem Klimawandel die größte
globale Umweltgefährdung und führe zu beträchtlichen
Wirtschafts- und Wohlfahrtsverlusten. Der wirtschaftliche
Erfolg Europas hänge von Innovationen und Technologie-
führerschaft sowie „starken Arbeitnehmern“ ab. Zugang zu
Bildung sei zugleich eine elementare Frage der Gerechtig-
keit. Schließlich seien die verschiedenen Politiken konse-
quent in den Dienst der Armutsbekämpfung, der gerechten
Verteilung des globalen Reichtums und der nachhaltigen
Entwicklung zu stellen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beklagt in ihrem
Antrag, dass ohne Analyse der unzureichenden Wirksamkeit
der Lissabon-Strategie unter hohem Zeitdruck eine Nach-
folgestrategie ausgearbeitet werde.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Gemäß § 93 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages wurden

– die Mitteilung der Kommission Europa 2020 – Eine Stra-
tegie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum (Ratsdok. 7110/10) mit Überweisungsdruck-
sache 17/1100 A.15 vom 5. März 2010 dem Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur
federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie, dem Ausschuss für Arbeit und
Soziales, dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung, dem Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung, dem Ausschuss für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem Aus-
schuss für Tourismus und dem Ausschuss für Kultur und
Medien zur Mitberatung überwiesen,

– die Empfehlung für eine Empfehlung des Rates über die
Grundzüge der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten
und der Union – Teil I der integrierten Leitlinien zu Eu-
ropa 2020 (Ratsdok. 9231/10) mit Überweisungsdruck-
sache 17/1821 A.25 vom 4. Mai 2010 dem Ausschuss für
die Angelegenheiten der Europäischen Union zur feder-
führenden Beratung sowie dem Finanzausschuss und
dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie zur Mit-
beratung überwiesen und

– den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitli-
nien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mit-
gliedstaaten Teil II der integrierten Leitlinien zu Europa
2020 (Ratsdok. 9233/10) mit Überweisungsdrucksache
17/1821 A.26 vom 4. Mai 2010 dem Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union zur federfüh-
renden Beratung sowie dem Finanzausschuss, dem Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie und dem Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur Mitberatung überwie-
sen.

der 11. Sitzung am 24. März 2010, in der 14. Sitzung am
19. Mai 2010 und in der 15. Sitzung am 9. Juni 2010.

In der 9. Sitzung, an der auch zahlreiche mitwirkungsberech-
tigte Mitglieder des Europäischen Parlaments teilgenommen
haben, unterrichtete die Bundesregierung den Ausschuss
über die Mitteilung der EU-Kommission Strategie Europa
2020 vom 3. März 2010 und den Standpunkt der Bundes-
regierung hierzu. Der Parlamentarische Staatssekretär im
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Peter
Hintze, erläuterte den Inhalt des EU-Kommissionsvorschla-
ges und den avisierten Zeitplan. Die Bundesregierung begrü-
ße die klare Fokussierung auf nachhaltiges Wachstum und
Beschäftigung und eine Umsetzung der Ziele auf nationaler
Ebene durch Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten. Quan-
titative Ziele sollten auf das Erfüllbare reduziert werden. Die
Bundesregierung äußerte sich zurückhaltend zur Frage der
Governance und einer europäischen Wirtschaftsregierung
und betonte die klare Trennung von Stabilitäts- und Wachs-
tumspakt und der Strategie Europa 2020. In der anschließen-
den Debatte schloss sich die Fraktion der CDU/CSU dem
Standpunkt der Bundesregierung an und ergänzte, dass bei
der Ausgestaltung der Strategie Gründlichkeit vor Schnellig-
keit gehen müsse. Die Fraktion der SPD sprach sich für am-
bitionierte Ziele insbesondere auch im Bereich Soziales und
Nachhaltigkeit aus und betonte die Einführung von Mindest-
löhnen und den Erhalt der Daseinsvorsorge als Schwerpunk-
te der neuen Strategie. Sie unterstütze eine stärkere Verbind-
lichkeit durch Kontrolle und Sanktionen. Die Fraktion der
FDP äußerte sich positiv zur Reduktion auf Wachstums- und
Beschäftigungsziele und zurückhaltend zur Einführung von
Kontrollmechanismen. Die Fraktion DIE LINKE. beklagte,
dass der Konsultationsprozess zur Strategie 2020 zu kurz ge-
wesen sei. Flexibilität von Arbeit werde gegenüber der so-
zialen Sicherheit überbetont, und das Armutsreduktionsziel
sei nicht ambitioniert genug. Beim Nachhaltigkeitsziel ver-
misse die Fraktion klare Ziele, wie den Ausstieg aus der
Atomenergie. Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN hätte sich einen längeren Konsultationsprozess
sowie eine umfassendere Fehleranalyse der Lissabon-Strate-
gie gewünscht. Sie sah die Möglichkeiten zur Verbindung
von Krisenbewältigungs- und Klimaschutzstrategie nicht
ausreichend umgesetzt. Das Mitglied des Europäischen Par-
laments, Michael Theurer (ALDE), begrüßte für das Europä-
ische Parlament, dass der EU-Kommissionsvorschlag zahl-
reiche Standpunkte des Europäischen Parlaments für eine
Nachfolgestrategie aufgegriffen habe. Er forderte eine stär-
kere Aufklärung und Einbindung der Öffentlichkeit, was bei
der Lissabon-Strategie versäumt worden sei und wesentlich
zu deren Scheitern beigetragen habe.

In der 11. Sitzung am 24. März 2010 beriet der Ausschuss
mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
Rainer Brüdele. Die Bundesregierung unterstütze die ersten
drei Kernziele der neuen Strategie. Hinsichtlich des bil-
dungspolitischen Zieles sei die Position der Bundesregie-
rung von einer Verständigung mit den Bundesländern abhän-
gig. Die vorgeschlagene Armutsrisikoquote sei mangels
Steuerbarkeit abzulehnen. Die Bundesregierung vermisse im
EU-Kommissionvorschlag Ziele wie die Beschleunigung
von Innovation, die Schaffung besserer Rahmenbedingun-
gen für Unternehmen und den Bürokratieabbau. In der an-
Die Strategie Europa 2020 wurde mehrfach im Ausschuss
beraten, insbesondere in der 9. Sitzung am 5. März 2010, in

schließenden Debatte äußerte sich die Fraktion der CDU/
CSU kritisch zur Armutsreduktionsquote als Indikator sowie

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/2015

zu bildungspolitischen Zielen, die den Kompetenzbereich
der Bundesländer tangieren. Die Fraktion der SPD kritisier-
te, dass die Bundesregierung bisher keine Gegenvorschläge
zur Armutsbekämpfung gemacht habe. Auch die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vermisse Klarheit hinsichtlich
der Ziele der Bundesregierung. Der Strategie fehlten konkre-
te Vorgaben im Bereich Nachhaltigkeit, Biodiversität und
Governance.

Zum Kernziel „Verringerung der Zahl der unter den natio-
nalen Armutsgrenzen lebenden Europäer um 20 Millionen“
erläuterte die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung. Es
gebe bisher keine wissenschaftlich nachgewiesenen Metho-
den, um Armut zu messen. Insbesondere fänden wirksame
Instrumentarien zur Reduktion von Armut, wie Teilhabe an
Arbeit, Bildung und soziale Integration, in der vorgeschlage-
nen Armutsreduktionsquote keinen Niederschlag.

Am 19. Mai 2010 unterrichtete die Bundesregierung in der
14. Sitzung des Ausschusses über die Ergebnisse des Euro-
päischen Rates am 24./25. März 2010. Die Bundesregierung
erläuterte ihren Vorschlag, anstelle des vorgeschlagenen all-
gemeinen Armutsreduktionszieles konkrete Indikatoren, wie
etwa die Langzeitarbeitslosigkeit, festzulegen und sich deren
Reduktion in einem mittelfristigen Zeitraum von zwei Jah-
ren zum Ziel zu setzen. In der Debatte warnte die Fraktion
der CDU/CSU vor unrealistischen Zielen wie Vollbeschäfti-
gung und flächendeckenden Mindestlöhnen. Die Fraktion
der SPD bezeichnete den Antrag der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP als ideenlos, da er nur formuliere, was nicht
gewollt sei. Die Fraktion der FDP verwies auf die konkreten
Wachstumsziele des Koalitionsvertrages und betonte die Be-
deutung der Finanzmarktregulierung im Kontext der Strate-
gie 2020. Die Fraktion DIE LINKE. sprach sich gegen So-
zialabbau unter dem Deckmantel einer EU-Strategie aus. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beklagte, dass der
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP noch hinter
den zurückhaltenden Ansätzen der EU-Kommission zurück-
bleibe und sah hierin eine Abkehr von den Klimaschutzzie-
len zur Ankurbelung der Wirtschaft. Die Bundesregierung
betonte, sie sehe sich dem Armutsbekämpfungsziel ver-
pflichtet. Allerdings sollten nur Ziele festgelegt werden, die
auch umsetzbar seien. Eine Verbesserung des Arbeitsmark-
tes sei die beste Armutsbekämpfungsstrategie.

Eine abschließende Beratung und Unterrichtung fand in der
15. Sitzung des Ausschusses am 9. Juni 2010 statt.

Einführend unterrichtete der Parlamentarische Staatssekretär
beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Peter
Hintze, über die Inhalte der von der Kommission am 30. April
2010 vorgeschlagenen integrierten Leitlinien sowie die
Standpunkte der Bundesregierung hierzu. Hinsichtlich der
Leitlinie Armutsbekämpfung hatten sich die Mitgliedstaaten
im Rahmen des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesund-
heit und Verbraucherschutz (EPSCO) auf ein Modell eines
Indikatorenkorbs einigen können. Danach können die Mit-
gliedstaaten aus den Indikatoren

1. Armutsrisikoquote,

2. materielle Entbehrung oder

3. Anteil der Personen, die in Erwerbslosenhaushalten leben

20 Millionen Menschen bis zum Jahr 2020 aus Armut und
sozialer Ausgrenzung herauszuführen“ verständigen kön-
nen. Damit habe sich die Bundesregierung, die sich gegen
die Armutsrisikoquote als Zielmarge und für den Indikator
„Langzeitarbeitslose“ ausgesprochen habe, durchgesetzt.

Die Bundesregierung erläuterte in einer weiteren Unterrich-
tung die nationale Umsetzung der integrierten Leitlinien und
die drei Indikatoren des Armutsbekämpfungsziels. Sie stellte
klar, dass Erwerbslosenhaushalte in Sinne des dritten Indika-
tors solche Haushalte seien, in denen mindestens 12 Monate
kein Einkommen erzielt wurde, die mithin unter Langzeit-
arbeitslosigkeit litten. Dieser Indikator sei von der Bundes-
regierung entwickelt worden. Im EPSCO sei eine Evaluie-
rung des Armutsreduktionsziels für 2015 vereinbart worden.
Offen sei, ob als Basisjahr 2008 oder 2009 zu Grunde gelegt
werden solle, wobei sich die Bundesregierung für das Basis-
jahr 2008 ausspreche.

Die Fraktion DIE LINKE. brachte einen Entschließungs-
antrag (Ausschussdrucksache 17(21)173) unter dem Titel
„Europa 2020 – Ein nachhaltiges Europa nur mit tiefgreifen-
den Reformen“ in die Sitzung ein. Hierin fordert die Fraktion
DIE LINKE. den Deutschen Bundestag auf, festzustellen,

– dass die Strategie Europa 2020 weder an die Erfahrungen
mit dem völligen Scheitern der Lissabon-Strategie noch
an die Auswirkungen und Ursachen der Wirtschaftskrise
seit 2008 anknüpft,

– dass das EU-Vertragsrecht bei den bilateralen Finanzhil-
fen für Griechenland und den Maßnahmen zur Wahrung
der Finanzstabilität in der EU überdehnt worden sei und
Vorschläge für eine Weiterentwicklung des AEUV fehl-
ten bzw. nicht in die richtige Richtung führten,

– dass eine auf Jahrzehnte ausgerichtete Globalplanung für
die EU zu einem Zeitpunkt unrealistisch sei, an dem Än-
derungen der vertraglichen Grundlagen zur Sicherung
der Finanzstabilität und für die Gewährleistung der
außenwirtschaftlichen Gleichgewichte zwischen den
Mitgliedstaaten der Eurozone nicht erfolgt seien.

Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung auffor-
dern,

– für eine Aussetzung der Beratungen über die Strategie
„Europa 2020“ Sorge zu tragen,

– eine Sondertagung des Europäischen Rates zu beantragen
zur Beratung über Maßnahmen zur Herstellung der
Finanzstabilität, erforderlichen Vertragsänderungen so-
wie zur Einberufung einer Regierungskonferenz.

Die Fraktion der CDU/CSU bezeichnete den Antrag der
Fraktion DIE LINKE. als europapolitisch destruktiv und
sprach sich angesichts der wirtschafts- und finanzpolitischen
Herausforderungen für schnelle Handlungsfähigkeit auf
Basis von Rechtsgrundlagen des bestehenden EU-Vertrages
aus. Bezüglich der Armutsrisikoquote fühle sich die Fraktion
durch die Diskussion auf EU-Ebene in ihrer Kritik bestätigt.
Sie äußerte Zweifel an der Vergleichbarkeit der festgelegten
drei Indikatoren. Sie begrüßte eine Evaluierung in 2015 und
sprach sich für das Jahr 2008 als Basisjahr aus.

Die Fraktion der SPD stellte bedauernd fest, dass die vor-
gelegten Leitlinien nicht über das hinausgingen, was bereits
auswählen und danach ihre nationalen Ziele festlegen. Zu-
gleich habe sich der EPSCO auf das Ziel „mindestens

festgelegt sei. Sie gingen insbesondere in den Bereichen
„Armut trotz Arbeit“ und Gleichstellung nicht weit genug.

Berlin, den 9. Juni 2010

Dr. Johann Wadephul
Berichterstatter

olitor
atterin

Alexander Ulrich
Berichterstatter
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung
der Fraktionen SPD und DIE LINKE. abzulehnen.

Dr. Eva Högl
Berichterstatterin

Gabriele M
Berichterst

Manuel Sarrazin
Berichterstatter
Drucksache 17/2015 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sie beruft sich auf eine ebenfalls kritische Stellungnahme
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses. Sie
stellt fest, dass die Einigung auf die drei Indikatoren durch
den EPSCO entgegen einer entsprechenden Ankündigung
der Bundesregierung ohne Verständigung mit Bundestag und
Bundesrat erfolgt sei.

Die Fraktion der FDP hielt den dritten Indikator für sehr
aussagekräftig und begrüßte eine Evaluation in 2015.

Die Fraktion DIE LINKE. begründete ihren Antrag damit,
dass die Politik des Sozialabbaus der Lissabon-Strategie mit
der Strategie Europa 2020 fortgesetzt werde, anstatt sich aus-
reichend Zeit zu nehmen für eine gründliche Fehler- und Be-
darfsanalyse.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vermisste kon-
kretere Angaben zur Umsetzung der Leitlinien auf nationaler
Ebene.

Im Anschluss an die Aussprache empfiehlt der Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union, den
Antrag auf Drucksache 17/1758 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
anzunehmen sowie den Antrag auf Drucksache 17/882 mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und den Antrag auf Drucksache 17/898 mit den Stimmen der

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