BT-Drucksache 17/1921

Internationale Polizeiübung "European Union Police Forces Training" 2010 in Lehnin

Vom 3. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1921
17. Wahlperiode 03. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Annette Groth, Andrej Hunko,
Harald Koch, Niema Movassat, Petra Pau, Jens Petermann, Halina Wawzyniak und
der Fraktion DIE LINKE.

Internationale Polizeiübung „European Union Police Forces Training“
2010 in Lehnin

Die Militarisierung von Spezialeinsatzkräften der Polizei ist seit einigen Jahren
sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene zu beobachten. Ein Ausdruck hier-
für ist die internationale Polizeiübung „European Union Police Forces Training
(EUPFT)“ als Teil der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie
ist gekennzeichnet durch die Vermischung normaler Polizei- mit paramilitäri-
schen Gendarmeriekräften. Im Juni 2008 wurde die Übung von der franzö-
sischen Gendarmerie Nationale ausgerichtet. Die Bundespolizei war trotz des
Trennungsgebotes zwischen Polizei und Militär schon damals mit dabei und
stellte ein Polizeikontingent als Teil einer Formed Police Unit (FPU). Obwohl
diese einen nichtmilitärischen Charakter haben sollen, gehörten dem Kontingent
„jeweils ein Platoon der Guardia Civil (Spanien) und der Militärpolizei Polens“
an (Zeitschrift der Bundespolizei, 3/2008). Eine wesentliche Aufgabe der FPU
besteht darin, „öffentliche Unruhen“ einzudämmen; dementsprechend bildeten
„bürgerkriegsähnliche Zustände“ die Ausgangslage der Trainings.

Auch das Szenario der Übung im Jahr 2009 in Vicenza/Italien war stark
(para-)militärisch ausgerichtet. Die Übung fand teilweise auf dem Gelände der
Europäischen Gendarmerietruppe (EGF) statt, deren Einheiten genauso in die
Übung eingebunden waren wie Polizeikräfte aus 19 EU-Staaten, darunter auch
Deutschland. Nach Angaben der italienischen Carabinieri, die sich ebenfalls be-
teiligten, ging es auch bei dieser Übung darum, die Fähigkeiten zur Aufstandsbe-
kämpfung zu trainieren („concrete interventions with CRC capabilities effort“,
siehe www.carabinieri.it).

Nach Angaben auf dem Nachrichtenportal indymedia beschränkte sich die
Übung aber nicht auf die Liegenschaften der Carabinieri bzw. der EGF. Die Ein-
drücke der Bevölkerung werden (in einer Übersetzung des Onlinemagazins tele-
polis) folgendermaßen zusammengefasst: „Männer mit Sturmhauben, die mit
offenen Wagentüren gepanzerter Gefährte schwer bewaffnet unter Leitung der
Carabinieri durch die Stadt und Region patrouillierten und jegliche Nachfragen
zum Grund ihrer Anwesenheit zurückwiesen“.
Die Übung 2010 findet in zwei Etappen, vom 7. bis 18. Juni sowie vom 12. bis
23. Juli 2010, in Lehnin/Brandenburg statt. Von der Bundespolizei würden
„enorme personelle und logistische Ressourcen erfordert“ (Bundespolizei
kompakt, 2/2010).

Die Vorbereitung auf gemeinsame Einsätze mit paramilitärischen Kräften wie
Gendarmerien und der Europäischen Gendarmerietruppe befördert den Trend

Drucksache 17/1921 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zur Militarisierung der Bundespolizei. Nach Auffassung der Fragesteller ist diese
Entwicklung jedoch aus verfassungsrechtlichen – Trennung von Militär und
Polizei – sowie aus politischen Gründen abzulehnen. Dass die Bundespolizei
nicht selbst Teil von Gendarmerieeinheiten bzw. der EGF ist, darf nicht durch
eine faktische Militarisierung unterlaufen werden, wie sie in Übungen wie der
EUPFT vorbereitet wird.

Zudem muss angesichts der sich verschärfenden kapitalistischen Krise und zu-
nehmenden sozialen Unruhen in den kapitalistischen Zentren davon ausgegan-
gen werden, dass die antrainierten Fähigkeiten zur Niederschlagung „bürger-
kriegsähnlicher Unruhen“ nicht nur in Auslandsmissionen, sondern auch in den
EU-Staaten selbst zur Anwendung kommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Angehörige der Bundespolizei sind in Vorbereitung und Durchfüh-
rung des EUPFT 2010 eingebunden?

a) Wie viele Bundespolizistinnen und -polizisten werden an der Übung selbst
teilnehmen, und mit welchen Aufgaben?

b) Aus welchen Einheiten stammen diese Bundespolizisten?

c) Welche Waffen werden sie dabei führen?

2. Welche logistischen Ressourcen muss die Bundespolizei zur Durchführung
bzw. Vorbereitung der Übung aufbringen?

3. Welche Kosten entstehen in Zusammenhang mit der Übung (bitte Gesamt-
kosten sowie die wichtigsten Rechnungsposten angeben), und wer kommt für
diese auf?

4. Inwiefern sind Angehörige von Länderpolizeien sowie des BKA in Vorberei-
tung oder Durchführung inclusive Koordinations,- Kooperations- oder Pla-
nungsgremien des EUPFT 2010 eingebunden (bitte jeweils Anzahl der Perso-
nen sowie Aufgabenbereich angeben)?

5. Wie viele Angehörige ausländischer Polizei- und Gendarmeriekräfte werden
am EUPFT teilnehmen (bitte jeweils nach Entsendestaat sowie Polizei-/Gen-
darmeriegattung getrennt darstellen), und welche Waffen werden sie dabei
führen?

6. Wie wird angesichts der Vielzahl der Entsendestaaten die Sprachproblematik
gelöst?

Gibt es eine von allen gesprochene Sprache (welche) oder Übersetzer/
Dolmetscher (wenn ja, wie viele)?

7. In welcher Form sind ausländische Militärs (über Gendarmeriekräfte hinaus)
sowie die Bundeswehr in die Übung

a) direkt einbezogen,

b) über Koordinations-, Kooperations- oder Planungsgremien eingebunden
(bitte ggf. die Gremien und ihre Zusammensetzung detailliert nennen),

und inwiefern ist die Unterrichtung militärischer Stellen nach Abschluss der
Übung beabsichtigt?

8. Welche Szenarien werden beim diesjährigen EUPFT dargestellt bzw. ge-
probt?

9. Welche Szenarien liegen generell den Absichten zugrunde, die Zusammen-
arbeit der Bundespolizei mit Polizei- und Gendarmeriekräften anderer EU-

Staaten zu optimieren?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1921

10. Warum trainiert die Bundespolizei gemeinsam mit Polizei- und paramilitäri-
schen Kräften anderer EU-Staaten die Niederschlagung „bürgerkriegsähn-
licher Zustände“ bzw. „crowd and riot control“ angesichts der Tatsache, dass
die Aufgabenbereiche der Bundespolizei von jenen des Militärs strikt zu
trennen sind?

11. Welche Formen der Zusammenarbeit bzw. Koordination gibt es außerhalb
des EUPFT zwischen der Bundespolizei und ausländischen Gendarmerie-
kräften sowie der EGF?

12. Auf welcher rechtlichen Grundlage sind gemeinsame Einsätze im In- und
Ausland von Bundespolizeiangehörigen mit Angehörigen ausländischer Pa-
ramilitärs (Gendarmerie, Militärpolizei) angesichts des Trennungsgebotes
von Polizei und Militär rechtlich zulässig (bitte für Einsätze im In- und Aus-
land getrennt darstellen), und inwiefern haben sie bereits stattgefunden (bitte
Einsatzort, -zeit-, -anlass, Rechtsgrundlage und beteiligte deutsche sowie
ausländische Kräfte nennen)?

13. Worin besteht aus Sicht der Bundesregierung die Notwendigkeit, dass
Bundespolizisten mit paramilitärischen Kräften anderer EU-Staaten ge-
meinsame Übungen durchführen – angesichts des aus deutschem Ver-
fassungsrecht resultierenden Trennungsgebotes zwischen Polizei- und Mili-
tärkräften?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung den derzeitigen Fähigkeitsstand der Bun-
despolizei zum Einsatz in Bürgerkriegen, und inwiefern sowie auf welcher
rechtlichen Grundlage beabsichtigt sie, diesen Fähigkeitsstand zu erhöhen?

15. Bei welchen Gelegenheiten sind die bei den Übungen der Vergangenheit
trainierten Fähigkeiten zur Aufstands- bzw. Demonstrationsbekämpfung
seitens der Bundespolizei konkret in der Praxis angewandt worden (bitte An-
lass, Zeitraum und Ort nennen)?

16. Inwiefern gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, eine Gendarmerie-
einheit (ggf. auf Auslandseinsätze beschränkt) zu schaffen?

17. Inwiefern sind die Szenarien, die dem EUPFT zugrunde liegen, strikt auf
Einsätze im Ausland beschränkt?

18. Inwiefern können die trainierten Fähigkeiten zur Aufstandsbekämpfung
auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung kommen?

a) Inwiefern besteht aus Sicht der Bundesregierung angesichts der kapitalis-
tischen Krise und nicht auszuschließender sozialer Unruhen eine ver-
stärkte Notwendigkeit, solche Fähigkeiten zu trainieren?

b) Inwiefern und auf welcher Rechtsgrundlage können Angehörige auslän-
discher Polizei-, Gendarmerie- bzw. Militärkräfte zur Niederschlagung
von Demonstrationen bzw. sozialen Unruhen innerhalb der Bundesrepu-
blik Deutschland eingesetzt werden?

c) Inwiefern und auf welcher Rechtsgrundlage sind CRC-Einsätze oder ver-
gleichbar „robuste“ Einsätze der Bundespolizei innerhalb anderer EU-
Staaten denkbar, und inwiefern sind sie in der Vergangenheit durchge-
führt worden?

19. Wo genau wird das EUPFT 2010 stattfinden (bitte Liegenschaft angeben),
und inwiefern wird sich der Übungsbetrieb auch über diese Liegenschaft
hinaus erstrecken?

20. Liegen schriftliche Abschluss- bzw. Auswertungsdokumente der EUPFT-
Übungen in den Jahren 2008 und 2009 vor (bitte ggf. als Anhang beifügen)?
Berlin, den 3. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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