BT-Drucksache 17/1896

Die Situation von Frauen im Kulturbetrieb - Gleichstellung an Orchestern

Vom 1. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1896
17. Wahlperiode 01. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Monika Lazar
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Situation von Frauen im Kulturbetrieb – Gleichstellung an Orchestern

Ebenso wie viele andere Berufsfelder ist auch der Kulturbetrieb geprägt von
hierarchischen, zumeist männlich dominierten Strukturen. Obwohl weibliche
Studierende an den staatlichen Hochschulen für Musik laut Deutschem Musikrat
mit 57 Prozent in der Überzahl sind, stellen sie im späteren Berufsleben nur noch
23,4 Prozent der an Orchestern, Musikschulen und Hochschulen für Musik
Beschäftigten oder individuell geförderten Künstlerinnen und Künstler. Musi-
kerinnen bekommen darüber hinaus weniger lukrative Angebote, werden selte-
ner gebucht und erhalten weniger Engagements als ihre männlichen Kollegen.

Auch die Vergabe von Führungspositionen an Frauen im Bereich Musik – bei-
spielsweise als Dirigentin, Managerin eines Orchesters, Intendantin an einem
Opernhaus usw. – ist noch immer eine Seltenheit. Nur 10 Prozent der betrieb-
lichen Leitungspositionen an Orchestern waren nach Angaben des Deutschen
Kulturrates im Jahr 2000 durch Frauen besetzt. In diesem Zusammenhang ist
eine aktuelle Studienreihe „Women Matter“ der internationalen Unternehmens-
beratung McKinsey interessant, welche belegt, dass ein ausgewogener Frauen-
anteil die Chancen auf ökonomischen Erfolg von Unternehmen erhöht.

Im Bereich der musikalischen Leitung stellen Dirigentinnen lediglich einen An-
teil von 1 bis 2 Prozent.

Symptomatisch ist das Fehlen von aktuellem, differenziertem statistischen Ma-
terial zur Situation von Frauen im Kulturbetrieb. Auch zu der Situation an Rund-
funk- und Symphonieorchestern sind nur Eckdaten bekannt. Eine Erhebung der
Musikhochschule Freiburg aus dem Jahr 2005 ergab einen bundesdurchschnitt-
lichen Frauenanteil von 27 Prozent. Dabei war ersichtlich: Je höher Ansehen,
Einkommen und Reisetätigkeit eines Orchesters, desto weniger Musikerinnen
waren engagiert. In den hoch vergüteten Rundfunk- und Symphonieorchestern
stellten Frauen einen deutlich geringeren Teil des Ensembles.

Die berufliche Benachteiligung von Frauen ist ungerecht, dem Kulturbetrieb
geht auf diese Weise kreatives Potenzial verloren. Musikerinnen ohne Festan-
stellung oder zeitlich befristete Engagements sind zudem häufig auf Sozialleis-
tungen angewiesen.
Da es sich bei der deutschen Orchesterlandschaft um einen staatlich geförderten
Bereich handelt, steht der Bund in der Verantwortung, die Gleichstellung von
Frauen und Männern in diesem Berufsfeld durch geeignete Maßnahmen sicher-
zustellen. Ohne ein entschlossenes Handeln von Seiten der Politik wird die
Schaffung geschlechtergerechter Verhältnisse in Kunst und Kultur nicht voran-
kommen.

Drucksache 17/1896 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche staatlichen Philharmonie- und Symphonieorchester, Rundfunkor-
chester sowie Orchester staatlicher Musiktheater werden durch den Bund
finanziell gefördert?

Welche Haushaltsmittel werden hierfür jeweils verwandt, und wie hat sich
diese Förderung in den letzten zehn Jahren entwickelt?

2. Wie hoch ist jeweils der Frauenanteil an diesen Orchestern?

Wie hoch der Anteil von Frauen in Führungspositionen?

3. Wie hat sich der Frauenanteil sowie der Anteil von weiblich besetzten Füh-
rungspositionen an den durch den Bund geförderten Orchestern in den letz-
ten zehn Jahren entwickelt?

4. Wie hoch ist der Frauenanteil bei den Neueinstellungen an den durch den
Bund geförderten Orchestern im Vergleich zum Anteil der weiblichen Be-
werbungen auf diese Posten?

5. Wie verhält sich das durchschnittliche Einkommen der weiblichen Orches-
termitglieder im Vergleich zu dem durchschnittlichen Einkommen der
männlichen Instrumentalisten an den durch den Bund geförderten Orches-
tern?

6. Gibt es Orchester, auf die § 3 Absatz 1 bis 3 des Bundesgleichstellungs-
gesetzes (BGleiG) Anwendung findet?

Wenn ja, inwieweit wird dies in der Praxis umgesetzt?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, inwiefern die Länder im Rahmen ihrer
Gleichstellungsgesetze entsprechende Auflagen verfügen?

Wenn ja, welche?

8. Welche Maßnahmen verfolgt die Bundesregierung, um den Anteil von
Frauen an den durch den Bund geförderten Orchestern sowie den dortigen
Anteil von weiblich besetzten Führungspositionen zu erhöhen?

9. Welche konkreten Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und
Familie sind der Bundesregierung an den durch den Bund geförderten
Orchestern bekannt?

10. Welche Maßnahmen möchte die Bundesregierung ergreifen, um die Be-
nachteiligung von Frauen in diesem Bereich abzubauen?

11. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu Überlegungen ein, bei der
Besetzung von Rundfunk- und Symphonieorchestern eine Quotierung
zugunsten von Frauen einzuführen, und wird sie Schritte zur Verankerung
einer solchen Regelung unternehmen bzw. unterstützen?

Wenn ja, welche?

Berlin, den 1. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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