BT-Drucksache 17/1794

Fortführung des Programms Soziale Stadt

Vom 19. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1794
17. Wahlperiode 19. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, Edelgard Bulmahn, Martin
Burkert, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Michael Groß,
Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten
Lühmann, Caren Marks, Thomas Oppermann, Florian Pronold, Bernd Scheelen,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Fortführung des Programms Soziale Stadt

Angesichts zunehmender sozialer Spaltungen in den Städten ist das Bund-
Länder-Programm „Soziale Stadt“ ein unverzichtbares Instrument der Stadt-
entwicklungspolitik. Mit seinem ressortübergreifenden und beteiligungsorien-
tierten Ansatz gelingt es, die Abwärtsspirale in benachteiligten Quartieren zu
bremsen, die durch die Konzentration baulicher und infrastruktureller Mängel
sowie oftmals nicht ausreichend koordinierter, quartiersbezogener sozialer
Angebote, hoher Arbeitslosigkeit, geringem Bildungsstand und häufig einem
hohen Anteil von Migrantinnen und Migranten gekennzeichnet sind. Die
Begleitforschung zeigt, dass vor allem die Kombination aus baulich-infrastruk-
turellen und sozial-integrativen Maßnahmen sowie die aktive Beteiligung der
Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes entscheidend
zum Erfolg des Programms beitragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie wird die Bundesregierung den integrierten Ansatz aus baulich-investi-
ven und sozial-integrativen Maßnahmen des Programms im Rahmen der
Städtebauförderung fortsetzen und weiterentwickeln?

2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur Entwicklung der so-
zialräumlichen Spaltung (Segregation) in den Städten und Gemeinden all-
gemein und insbesondere in Städten, die vom wirtschaftlichen Wandel be-
sonders betroffen sind, vor?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Erfahrungen mit den 2006 ein-
geführten Modellvorhaben im Bereich der Jugend- und Bildungspolitik, der
lokalen Ökonomie sowie der Integration von Zuwanderern?

Wird die Bundesregierung die Förderung von Modellvorhaben in Zukunft
fortsetzen, und wenn ja, in welchem Umfang?

Drucksache 17/1794 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Bereiche Integration
und Bildung (z. B. Schule als Stadtteilzentren/Netzwerkschulen/lokale
Bildungslandschaften) stärker bei der Fortentwicklung des Programms
berücksichtigt werden müssen – wie es die Evaluation des Programms
„Soziale Stadt“ nahelegt?

Welche Weiterentwicklungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung, und
welche konkreten Pläne wird sie in diesen Bereichen umsetzen?

Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Mittel auch tatsäch-
lich bei den Bedürftigen ankommen und für sinnvolle Bildungsangebote
genutzt werden?

5. Welche Initiativen ergreift die Bundesregierung, um die ressortüber-
greifende Kooperation insbesondere mit den Bundesministerien des Innern,
für Arbeit und Soziales, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für
Bildung und Forschung, für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz sowie für Gesundheit zu vertiefen und in Programmen, z. B. der Ge-
sundheitsförderung, Integration, Ausbildungsförderung und Arbeitsmarkt-
politik, Kriminalprävention, eine stärke Sozialraumorientierung, die an die
Fördergebiete der „Sozialen Stadt“ anknüpft, zu verankern?

6. Welche Konsequenzen für das Programm „Soziale Stadt“ zieht die Bundes-
regierung aus den Ergebnissen der Enquete-Kommission „Kultur in
Deutschland“ des Deutschen Bundestages, die die Wichtigkeit der kulturel-
len Bildung für Integration sowie emotionales, soziales und intellektuelles
Lernen deutlich herausgehoben hat?

In welcher Weise setzt sich die Bundesregierung dafür ein, diesen wichti-
gen Aspekt für Stadtteile mit sozialem Entwicklungsbedarf zu aktivieren,
beispielsweise durch ressortübergreifende Programme, Kooperationen zwi-
schen Bund, Ländern und Kommunen oder die teilweise Konzentration
von Programmen (beispielweise das Programm „AGENTEN“ der Kultur-
stiftung des Bundes) auf Programmgebiete der „Sozialen Stadt“?

7. Mit welchen Maßnahmen hat die Bundesregierung die Belange des Sports
in die Programme der Städtebauförderung, insbesondere „Soziale Stadt“,
„Stadtumbau West“ und „Stadtumbau Ost“, einfließen lassen, und welche
weiteren Planungen bestehen in diesem Bereich?

8. Für wann plant die Bundesregierung die Ausschreibung der zweiten
Förderrunde des Programms „Soziale Stadt – Bildung, Wirtschaft, Arbeit
im Quartier (BIWAQ)“, und welche Änderungen bei Verfahren und inhalt-
lichen Schwerpunktsetzungen sind aufgrund der Erfahrungen aus der ers-
ten Förderrunde zu erwarten?

9. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über den Stand der nach § 171e
Absatz 4 des Baugesetzbuchs (BauGB) als Voraussetzung für die förmliche
Festlegung von Gebieten der „Sozialen Stadt“ erforderlichen integrierten
Entwicklungskonzepte vor (Vorliegen, Lücken, Fortschreibungsbedarf),
und was gedenkt sie zu tun, um die Bedeutung dieses für die Förderung
wichtigen Steuerungsinstruments zu sichern?

10. Wie soll das Programm „Soziale Stadt“ hinsichtlich seiner Ziele, der Fest-
legung von Fördergebieten und seiner Instrumente weiterentwickelt wer-
den, damit es stärker präventiv, bereits in einer frühen Phase von Abwärts-
entwicklungen wirken kann, um stark benachteiligte Stadtteile erst gar
nicht entstehen zu lassen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1794

11. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den
Ländern und kommunalen Spitzenverbänden für die zahlreichen im Pro-
gramm „Soziale Stadt“ als „ruhende Maßnahmen“ bezeichneten Gebiete,
um eine Verstetigung der Fördererfolge nach Auslaufen der Förderung zu
erreichen?

12. Wie viele „Soziale Stadt“-Gebiete wurden von 1999 bis einschließlich
2009 in wie vielen Städten und Gemeinden gefördert, wie viele davon sind
abgeschlossen bzw. laufend?

Wie viele „Soziale Stadt“-Gebiete befinden sich im ländlichen, wie viele
im städtischen Raum?

13. Wie hat sich der Verpflichtungsrahmen für die Bundesfinanzhilfen für das
Programm „Soziale Stadt“, die Modellvorhaben und das ESF-Bundespro-
gramm „BIWAQ“ von 1999 bis 2010 in den einzelnen Jahren entwickelt,
und in welcher Höhe wurden diese Mittel in den einzelnen Jahren ausge-
schöpft?

14. In welcher Höhe standen Bundesfinanzhilfen für die einzelnen Länder in
den Jahren 1999 bis 2009 bereit?

Wurden die Mittel in den einzelnen Förderjahren vollständig in den einzel-
nen Bundesländern abgerufen?

Wenn nein, welche Länder haben nicht vollständig und in welcher Höhe
abgerufen?

15. In welchem Umfang haben die Länder von der in der Verwaltungsverein-
barung Städtebauförderung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht,
in einen Teil der für ein bestimmtes Programm vorgesehenen Mittel für ein
anderes Programm einzusetzen (aufgeschlüsselt nach einzelnen Ländern
und Jahren), und inwiefern wurden dadurch die Schwerpunktsetzungen des
Bundes in den Programmen „Soziale Stadt“ sowie „Stadtumbau Ost“ und
„Stadtumbau West“ zugunsten der „Städtebaulichen Sanierungs- und Ent-
wicklungsmaßnahmen“ verschoben?

16. In welcher Höhe und für welche Programme haben die einzelnen Länder
von der befristeten Umverteilungsmöglichkeit in Höhe von 25 Prozent für
die Programme „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnah-
men“, „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ und „Städtebaulicher Denkmal-
schutz“ Gebrauch gemacht, die die Verwaltungsvereinbarung für 2009 aus
Gründen der schnellen Konjunkturwirksamkeit vorsah, und warum hält die
Bundesregierung es nicht für nötig, diese Regelung auch 2010 fortzusetzen?

17. In welchem Umfang und für welche anderen Programme wurden ggf. nicht
abgerufene Bundesfinanzhilfen aus dem Programm „Soziale Stadt“ genutzt?

18. In welchen Bundesländern war das Programm „Soziale Stadt“ nach Kennt-
nis der Bundesregierung in welchen Jahren wie hoch überzeichnet?

Wie viele Anträge mit welchem Mittelvolumen wurden deshalb abgelehnt?

19. In welcher Höhe wird die Bundesregierung in den nächsten 5 Jahren nach
ihrer mittelfristigen Finanzplanung Bundesfinanzhilfen für das Programm
„Soziale Stadt“ bereitstellen?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die von den Ländern geforderte größere
Flexibilität bei der Mittelverwendung für die einzelnen Städtebauförde-
rungsprogramme?

Drucksache 17/1794 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
21. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass ihre Schwerpunktsetzung
bei den einzelnen Programmen der Städtebauförderung sich ausreichend in
der Förderpolitik der Länder wiederfindet, insbesondere vor dem Hinter-
grund, dass mit der Verwaltungsvereinbarung 2010 die Flexibilität der Län-
der bei der Mittelverwendung erhöht wird, sodass 20 statt bisher 14 Pro-
zent der Bundesfinanzhilfen für ein bestimmtes Programm auch für ein an-
deres Programm eingesetzt werden können?

22. Strebt die Bundesregierung an, die Verteilerschlüssel für die einzelnen
Städtebauförderungsprogramme beizubehalten bzw. welche Änderungen
in Richtung eines noch stärker problemorientierten und weniger an der
Bevölkerungszahl orientierten Verteilerschlüssels sind geplant, um demo-
grafische und wirtschaftsstrukturelle Entwicklungen angemessener zu be-
rücksichtigen?

23. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, einen einheitlichen Ver-
teilerschlüssel für alle Programme der Städtebauförderung vorzusehen?

24. Inwieweit machen die einzelnen Länder nach Kenntnis der Bundesregie-
rung Gebrauch von der Möglichkeit, dass in Gemeinden mit besonderer
Haushaltslage Mittel, die vom geförderten Eigentümer aufgebracht wer-
den, als kommunaler Eigenanteil gewertet werden?

25. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie viele Gebiete
der „Sozialen Stadt“ in Gemeinden mit sog. Haushaltsnotlage gelegen
sind?

26. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Gemeinden mit besonderen sozial-
räumlichen Problemen angesichts ihrer zum Teil katastrophalen Haushalts-
lage kaum noch in der Lage sind, den im Programm „Soziale Stadt“ ge-
forderten Eigenanteil von einem Drittel zu erbringen, und was gedenkt die
Bundesregierung zu tun, um gerade diese Gemeinden weiterhin in die Lage
zu versetzen, die Programmmittel in Anspruch zu nehmen?

Welche Regelungen werden dazu in der Verwaltungsvereinbarung 2010 an-
gestrebt?

Berlin, den 19. Mai 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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