BT-Drucksache 17/1688

Altersgerechter, barrierefreier Wohnraum

Vom 11. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1688
17. Wahlperiode 11. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg, Daniela Wagner,
Ekin Deligöz, Kai Gehring, Bettina Herlitzius, Markus Kurth und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Altersgerechter, barrierefreier Wohnraum

Unsere Gesellschaft wird immer älter. Im Jahr 2008 waren 20 Prozent der Be-
völkerung in Deutschland 65 Jahre oder älter. Der Anteil älterer Menschen wird
in den nächsten zwanzig Jahren spürbar weiter steigen. In der 12. koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes wird für das
Jahr 2060 prognostiziert, dass jede/jeder Dritte 65 Jahre und älter und sogar jede/
jeder Siebente über 80 Jahre sein wird.

Alte Menschen möchten so lange wie möglich selbständig in ihren Wohnungen
und ihrem Stadtquartier leben. Damit dies möglich ist, müssen ihre Wohnungen
und ihr Wohnumfeld auch altersgerecht und weitgehend barrierefrei sein. Die
Beseitigung von Barrieren kommt nicht nur der älteren Generation, sondern
auch Familien mit Kindern und jüngeren, bewegungseingeschränkten Menschen
zugute. Dadurch wird zudem eine generationenübergreifende Durchmischung
von Wohnquartieren gefördert.

Die wachsende Zahl von älteren Menschen wird in naher Zukunft zu einem stei-
genden Bedarf an altersgerechten, weitgehend barrierefreien Wohnungen führen.
Das bestehende Wohn- und Versorgungsangebot wird diesen veränderten Anfor-
derungen in vielen Bereichen bereits heute nicht gerecht und muss entsprechend
angepasst werden. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)
moniert aktuell den dramatischen Mangel an altersgerechten Wohnungen in
Deutschland. Nach deren Schätzungen sind nur etwa 250 000 Wohnungen der-
zeit altersgerecht ausgebaut. Bis 2020 würden jedoch rund 800 000 benötigt
(Quelle: Bibliomed Springer Medizin, 12. April 2010). Eine repräsentative Be-
fragung des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) im Auftrag des Bundes-
amts für Bauwesen und Raumordnung ergab, dass gerade einmal 5 Prozent aller
Altershaushalte in Wohnungen als barrierefrei bzw. barrierearm gelten (KDA,
Pro Alter, 03/2010). Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP heißt
es zudem: „Wir wollen Wohnraum und Infrastruktur alten-, generationengerecht
und, wo sachgerecht, integrativ gestalten und […] in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft ausbauen und weiterentwickeln.“
Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Teilt die Bundesregierung die o. g. Kritik der IG BAU?

Falls ja, was für Schlussfolgerungen zieht sie daraus, und mit welchen
Maßnahmen gedenkt sie dem Mangel an altersgerechtem Wohnraum ent-
gegenzuwirken?

Drucksache 17/1688 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Falls nein, warum nicht, und wie schätzt sie die derzeitige Situation und
den Bedarf bis 2020 ein?

b) Über wie viel altersgerechten und barrierefreien Wohnraum in Wohnein-
heiten verfügt Deutschland derzeit nach Erkenntnis der Bundesregie-
rung?

c) Wie viele altersgerechte und barrierefreie Wohnungen sind davon im Be-
sitz des Bundes?

d) Wie verhält sich die Anzahl der Wohneinheiten zur Zahl der derzeit über
65-Jährigen in Deutschland?

2. a) Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung hinsichtlich
ihrer Ankündigung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP,
das KfW-Bankengruppe-Förderprogramm zur Versorgung mit alters-
gerechtem Wohnraum weiterzuentwickeln, bereits ergriffen, und welchen
zeitlichen Rahmen sieht die Bundesregierung für die geplanten Maßnah-
men vor?

b) Gibt es seitens der Bundesregierung Überlegungen, zusätzliche Anreize
über die KfW-Bankengruppe-Förderprogramme hinaus für die Woh-
nungswirtschaft, selbstnutzende Eigentümer sowie Vermieter von Ein-
und Zweifamilienhäusern zur Herstellung und Bereitstellung altersge-
rechter/innovativer Wohnungsangebote zu schaffen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

c) Welche weiteren Maßnahmen verfolgt die Bundesregierung, um den
Wohnungsbestand an die sich ergebenden Herausforderungen durch den
demografischen Wandel anzupassen?

d) Wird bei der Ausgestaltung der Maßnahmen auf die unterschiedlichen
Erfordernisse in ländlichen und städtischen Gebieten Rücksicht genom-
men?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

3. a) Wie viele Personen haben seit Einführung der Regelung über finanzielle
Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohn-
umfelds bei Pflegebedürftigkeit nach § 40 Absatz 4 des Elften Buches
Sozialgesetzbuch (SGB XI) einen diesbezüglichen Antrag gestellt?

b) Wie viele der Anträge wurden bewilligt, wie viele abgelehnt?

c) Wie hoch sind die jährlichen Ausgaben der Sozialen Pflegeversicherung
für Zuschüsse nach § 40 Absatz 4 SGB XI, und wie haben sich die
Kosten seit Einführung der Regelung bis heute entwickelt?

4. Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung die Informa-
tionen und Beratung für Verbraucherinnen/Verbraucher und Wohneigen-
tumsbesitzerinnen/Wohneigentumsbesitzer zur Umsetzung, Finanzierung
und Förderung altersgerechter, barrierefreier Wohnraumanpassungsmaßnah-
men verbessern, wie sie vom Deutschen Verband für Wohnungswesen,
Städtebau und Raumordnung e. V. im Bericht Wohnen im Alter für das
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2009 empfohlen
wurde?

5. Mit welchen konkreten Maßnahmen fördert die Bundesregierung gemein-
schaftsorientierte sowie generationsübergreifende Wohnformen, die ein

selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter ermöglichen sollen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1688

6. Welche Strategien verfolgt die Bundesregierung, um Menschen auch im
Alter und/oder bei Pflegebedürftigkeit den Verbleib im angestammten
Quartier zu ermöglichen?

7. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für geeignet, um auf die
wachsende Anzahl von alleinlebenden Seniorinnen und Senioren ohne jeg-
liches soziales familiäres Umfeld und Kontakte zu reagieren?

8. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für geeignet, um auf die
speziellen Bedürfnisse von Frauen, die, laut Studie, im Jahr 2060 eine
durchschnittlich 4,2 Jahre höhere Lebenserwartung als Männer haben, zu
reagieren?

9. Welchen bundes- und landesgesetzlichen Änderungsbedarf der Regelungen
zur Herstellung von Barrierefreiheit bei Gebäuden sieht die Bundesregie-
rung auf Grund der Regelung des Artikels 9 der UN-Behindertenrechtskon-
vention, wonach Menschen mit Beeinträchtigungen ein selbstbestimmtes
Leben und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen sei?

10. Inwiefern sieht die Bundesregierung in dem Entwurf der europäischen
Gleichbehandlungsrichtlinie, der von der schwedischen Ratspräsident-
schaft Ende 2009 grundlegend überarbeitet wurde, eine Chance den alters-
gerechten, barrierefreien Umbau von Wohnungen voranzubringen?

11. Plant die Bundesregierung die verbindliche Einführung eines baulichen
Mindeststandards in Bezug auf Barrierefreiheit für Wohnungen des so ge-
nannten Betreuten Wohnens für Ältere?

Wenn ja, an welchen Grundsätzen werden sich die Mindeststandards orien-
tieren?

Wenn nein, warum nicht?

12. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung die interdis-
ziplinäre Vernetzung zwischen Städte-, Wohnraum-, Infrastruktur- als auch
Sozialraumplanerninnen/Sozialraumplanern und Gerontologinnen/Geronto-
logen zum Wohle der alters- und behindertengerechten Gestaltung von
Neu- und Umbauten fördern?

13. a) Inwieweit findet die Notwendigkeit zur alten-, generationen- und sach-
gerechten Ausgestaltung von Wohnraum und Infrastruktur in der curricu-
laren Ausbildung von Architektinnen/Architekten, Ingenieurinnen/In-
genieuren sowie Städte- und Sozialraumplanerinnen/Sozialraumplanern
Berücksichtigung?

b) Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um, wie im
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP angekündigt, auf die
Ausbildung dieser Berufsgruppen hinsichtlich der stärkeren Orientie-
rung zum alten-, und generationengerechten Wohnen Einfluss zu neh-
men?

Berlin, den 11. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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