BT-Drucksache 17/1659

Folgen der absehbaren Eisenerzpreiserhöhung für die deutsche Industrie

Vom 7. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1659
17. Wahlperiode 07. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Ralph Lenkert,
Richard Pitterle, Michael Schlecht, Sahra Wagenknecht und der Fraktion
DIE LINKE.

Folgen der absehbaren Eisenerzpreiserhöhung für die deutsche Industrie

Wie bei Nahrungsmitteln so ist auch bei metallischen und anderen Rohstoffen in
den letzten Jahren ein massiver Preisanstieg zu beobachten. Trotz des Preisver-
falls während der Weltwirtschaftskrise ist auf den Rohstoffmärkten mit keiner
Entspannung zu rechnen. Im Vergleich zum Vorjahr ist der HWWI-Preisindex
(HWWI – Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut) für Industrierohstoffe bereits
wieder um 50 Prozent gestiegen.

Langfristige Ursache für das hohe Preisniveau sind zwar vor allem neue Markt-
teilnehmer auf der Abnehmerseite aus Schwellen- und Entwicklungsländern;
beim Vertragspreis für Eisenerz zeichnet sich für dieses Jahr aber eine besonders
massive Erhöhung ab. Grund dafür ist die Marktmacht der drei beherrschenden
Eisenerzproduzenten Rio Tinto, Vale und BHP Billiton. Diese Eisenerzprodu-
zenten konnten gegenüber Kunden bereits Preissteigerungen von 100 Prozent
und nach 40 Jahren einen Systemwechsel in der Preisfestsetzung durchsetzen.
Bisher wurde der Preis einmal im Jahr zwischen den großen Produzenten und der
Stahlindustrie ausgehandelt; ab 2010 sollen die Vertragspreise nur für jeweils ein
Quartal gelten.

Vor allem die Umstellung auf kurzfristige Verträge und die Orientierung der
Preise an Spot-Märkten wird den Derivatenhandel (Eisenerz-Swaps) anheizen.
Eisenerze werden dadurch verstärkt zum Spekulationsobjekt von Finanzinvesto-
ren. Diese Entwicklung führt zu höheren Kosten für stahlbasierte Wertschöp-
fungsketten und zu einer geringeren Planungssicherheit für die Abnehmer.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Ursachen macht die Bundesregierung für den Preisanstieg bei den
industriellen Rohstoffen verantwortlich, die bei der Stahlerzeugung zum Ein-
satz kommen?

2. Welche Folgen des Preisanstieges befürchtet die Bundesregierung für die
Stahlproduktion in Deutschland, und wie hoch schätzt sie die Mehrkosten für
die Stahlproduktion und die von Stahlprodukten abhängigen Branchen ein?
3. Mit welchen Maßnahmen und Initiativen hat die Bundesregierung bisher auf
den sich abzeichnenden Preissprung bei Eisenerzen reagiert, und welche plant
sie zukünftig auch auf europäischer und internationaler Ebene zu ergreifen?

4. Welche konkreten Ergebnisse wurden bei den vom Bundesminister für Wirt-
schaft und Technologie, Rainer Brüderle, angekündigten Gesprächen mit Ver-
tretern der Stahlindustrie erzielt, und waren Gewerkschaften dabei vertreten?

Drucksache 17/1659 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung der französischen Finanz-
ministerin Christine Lagarde nach einer verstärkten Regulation von Roh-
stoff-Börsen und Rohstoff-Derivaten?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag eine unabhängige EU-
Behörde einzurichten, die analog zur CTFC (Commodity Futures Trading
Commission) in den Vereinigten Staaten Future- und Optionsmärkte beauf-
sichtigt, reguliert und Marktteilnehmer vor Manipulationen und Betrug
schützt?

7. War die Begrenzung bzw. das Verbot von Spekulationen auf Rohstoffe
bereits Thema bei EU-Finanzministerräten, G7-Finanzminstertreffen oder
G20-Treffen, und wenn ja, welche Haltung hat die Bundesregierung dort
eingenommen?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung den Stand der aktuellen kartellrechtlichen
Prüfung der Eisenerzkonzerne Rio Tinto und BHP Billiton durch das Bun-
deskartellamt und die Europäische Kommission, und wie unterscheiden sich
die beiden Verfahren?

9. Welche weitergehenden kartellrechtlichen Möglichkeiten auf nationaler und
europäischer Ebene sieht die Bundesregierung, um Preisabsprachen im
Eisenerzbereich wirksam zu unterbinden?

10. Wie oft und zu welchen Themen hat in dieser Legislaturperiode der Inter-
ministerielle Ausschuss Rohstoffe getagt?

11. Wurden im Interministeriellen Ausschuss Rohstoffe politische Handlungs-
strategien für den Stahlsektor entwickelt, und wenn ja, welche?

12. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung durch Recycling und an-
dere Maßnahmen, in Zukunft die Abhängigkeit von neu geförderten Roh-
stoffen (insbesondere Eisenerz) zu reduzieren, und in welcher Größenord-
nung können neu geförderte Rohstoffe durch solcherlei Maßnahmen ersetzt
werden?

13. Mit welchen Förderprogrammen und Fördersummen unterstützt die Bun-
desregierung innovative und ressourcenschonende Verfahren wie das
Recycling von Stahlschrott oder die Substitution von Stahl?

14. Mit welchen Initiativen unterstützt die Bundesregierung die Entwicklung
und Durchsetzung von Sozial- und Umweltstandards beim Abbau und der
Verarbeitung von metallischen Rohstoffen sowie zur Sicherung von Export-
erlösen in Entwicklungsländern?

Berlin, den 7. Mai 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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