BT-Drucksache 17/1634

Stolpersteine für den Wettbewerb auf dem Gasmarkt

Vom 6. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1634
17. Wahlperiode 06. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ingrid Nestle, Oliver Krischer, Kerstin Andreae, Cornelia Behm,
Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Hermann Ott, Lisa Paus,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stolpersteine für den Wettbewerb auf dem Gasmarkt

Die Regierungsfraktionen schrieben in ihrem Koalitionsvertrag zwischen CDU,
CSU und FDP, dass sie die Gasnetzzugangsverordnung neu fassen und dem
Wettbewerb auf dem Gasmarkt neue Impulse geben wollen. Gegenwärtig findet
auf dem Gasmarkt zu wenig Wettbewerb statt. Dies wird auch durch das Urteil
des Bundesgerichtshofes (BGH) zu „HEL“-Preisanpassungsklauseln (HEL –
extraleichtes Heizöl) vom 24. März 2010 bestätigt: „Für die Lieferung von lei-
tungsgebundenem Gas an Endverbraucher existiert jedoch mangels eines wirk-
samen Wettbewerbs nach wie vor kein Marktpreis.“

Auch die Bundesregierung schreibt in der Begründung des Entwurfs der Gas-
netzzugangsverordnung (GasNZV), dass „die Bedingungen für flächendecken-
den Wettbewerb auf dem Gasmarkt verbesserungswürdig sind. […] Die Verord-
nung regelt daher die Bedingungen für einen diskriminierungsfreien Netz-
zugang […] und gewährleistet, dass vorhandene Kapazitäten marktorientiert be-
wirtschaftet werden.“

Der gegenwärtige Gasmarkt ist durch eine Oligopolstruktur gekennzeichnet.
Besonders wichtig für einen funktionierenden Wettbewerb im Gasmarkt sind
deshalb transparente Marktregeln, diskriminierungsfreier Netzzugang und eine
von Produktion und Vertrieb unabhängige Infrastruktur. Notwendige Investitio-
nen in die Netzinfrastruktur bleiben trotz vorhandenem Bedarfs aus, weil Inves-
titionen für die Netzbetreiber unrentabel werden.

Der Entwurf der Gasnetzzugangsverordnung der Bundesregierung verbessert
die bisherige Situation nicht. Im Gegenteil: So besteht z. B. auch die Gefahr,
dass durch unrealistische Anforderungen sowie neue bürokratische und finan-
zielle Hürden der Bau hocheffizienter GuD-Kraftwerke (Gas- und Dampfkraft-
werke) zumindest erschwert, wenn nicht sogar verhindert werden, und damit
Kohlekraftwerke indirekte Wettbewerbsvorteile erhalten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des BGH zu
den „HEL“-Preisklauseln vom 24. März 2010, und warum?
2. Erwägt die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, damit Gaspreise für
die Endverbraucher an den reellen Kosten des Gasvertriebs festgemacht wer-
den, und wenn ja, welche?

3. Auf welchen Szenarien baut die Bundesregierung ihr Energiekonzept auf, um
den Bedarf an Gasspeicherkapazität für die Gasversorgungssicherheit in
Deutschland und Europa zu berechnen?

Drucksache 17/1634 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Welche Rolle spielen in den Szenarien der Bundesregierung neue Gaskraft-
werke und Gasspeicher für die zukünftige Stromversorgung und für die
Regelenergie?

5. Plant die Bundesregierung den Zugang zu Gasspeichern für neue Marktteil-
nehmer zu verbessern, und wenn ja, wie?

6. Will die Bundesregierung den Empfehlungen der Europäischen Kommis-
sion folgen und Nachhaltigkeitskriterien für feste und gasförmige Biomasse
verbindlich einführen, und wenn ja, wann?

7. Wie begründet die Bundesregierung den § 36 Absatz 2 Nummer 7 GasNZV,
welcher für die Reservierung von Netzkapazitäten den Nachweis von Lie-
ferverträgen verlangt, besonders unter Beachtung der Tatsache, dass Liefer-
verträge erst nach Klärung der Kapazitätsverfügbarkeit abgeschlossen wer-
den oder Gas über den Spotmarkt eingekauft wird (besonders bei
Gaskraftwerken für Regelenergie)?

8. Welche Verbände und Unternehmen wurden bei der Erarbeitung der Gas-
NZV konsultiert?

9. Wie begründet die Bundesregierung den § 36 Absatz 2 Satz 6 GasNZV, wel-
cher für die Reservierung von Netzkapazitäten vom Betreiber eine verbind-
liche Finanzierungszusage verlangt, besonders unter Beachtung der Tat-
sache, dass Banken üblicherweise verbindliche Finanzierungszusagen für den
Gaskraftwerks- und Gasspeicherbau erst nach erfolgter Klärung des Netz-
anschlusses und entsprechender Zusicherung für Netzkapazitäten geben?

10. Welche Auswirkungen auf die Planung, den Projektverlauf und den Bau
neuer Gaskraftwerke und den Anschluss neuer Speicher haben nach Ansicht
der Bundesregierung die derzeit vorgeschlagenen Regelungen in § 36 Gas-
NZV zum Netzanschluss von Gaskraftwerken, Speichern und Produk-
tionsanlagen?

11. Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten an einer Forderung nach
pauschalen Bonitätsprüfungen in § 6 GasNZV, wenn die Beschlusskammer
7 der Bundesnetzagentur in ihrem Schreiben vom 31. März 2009 an die
Netzbetreiberverbände diese bisherige Praxis verurteilt hat?

12. Aus welchen Gründen hat sich die Bundesregierung entschieden, für die
Vergabe von Primärkapazitäten und den Handel mit Sekundärkapazitäten
durch die Netzbetreiber zwei unterschiedliche Handelsplattformen einrich-
ten zu lassen, wenn auf beiden Plattformen die gleichen Produkte für die
gleichen Händler und Lieferanten angeboten werden?

13. Auf welcher Berechnungsgrundlage und unter Berücksichtigung welcher
Kosten für den Netzbetreiber wurde in § 36 Absatz 4 Satz 2 GasNZV die
Höhe der Reservierungsgebühr für Kapazitätsreservierungen festgelegt?

14. Sieht die Bundesregierung durch die Regelungen des § 36 Absatz 4 Satz 2
GasNZV die Gefahr, dass Investitionen in neue Gaskraftwerke unwirt-
schaftlich werden, und wenn nein, warum nicht?

15. Wie will die Bundesregierung willkürliche oder unbegründete Ablehnungen
von Anträgen auf Netzanschluss ausschließen, wenn sie in § 36 GasNZV,
anders als in § 31 GasNZV, den Petenten keine Möglichkeiten einräumt,
Ablehnungen zu überprüfen?

16. Warum spricht die Bundesregierung in § 46 GasNZV in Bezug auf die Ver-
weigerung des Netzzugangs von „Gasversorgungsunternehmen“, wenn der
Netzzugang nach dem geltenden Netzzugangssystem vom Gasnetzbetreiber
angeboten wird?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1634

17. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung gegenwärtig ange-
sichts der zu Neige gehenden Erdgasvorkommen in Deutschland, Däne-
mark, Holland und der Nordsee beim Ausbau des Ferngasleitungsnetzes in
Deutschland (bitte begründen)?

18. Wie und nach welchem Verfahren überprüft die Bundesnetzagentur die Ein-
haltung der geltenden Entflechtungsvorschriften, und wie setzt sie sie
durch?

19. Auf welche Ursachen führt die Bundesregierung den nach Angaben der
Bundesnetzagentur signifikanten Rückgang der Investitionen in das Fern-
leitungsnetz für Gas (467 Mio. Euro in 2007; 301 Mio. Euro in 2008;
80 Mio. Euro in 2009) zurück?

20. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang
der Investitionen in Fernleitungsnetze und den sehr langen von der Bundes-
netzagentur vorgeschriebenen Abschreibungszeiten von 55 Jahren, und
wenn ja, sieht sie hier Handlungsbedarf?

21. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang
der Investitionen in Fernleitungsnetze und der Tatsache, dass nach § 23 Ab-
satz 1 der Anreizregulierungsverordnung, die mit diesen Investitionen im
Zusammenhang stehenden Betriebskosten, wie z. B. für Verdichterstatio-
nen, nicht auf die Erlösobergrenze angerechnet werden, und wenn ja, sieht
sie hier Handlungsbedarf?

22. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen des stockenden Aus-
baus der Ferngasnetze und der Grenzkuppelstellen auf die Entwicklung der
Gaspreise in Deutschland?

Berlin, den 6. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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