BT-Drucksache 17/1629

Bilanz der Online-Durchsuchung

Vom 6. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1629
17. Wahlperiode 06. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann, Halina
Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Bilanz der Online-Durchsuchung

Am 12. November 2008 verabschiedete der Deutsche Bundestag das in der
Gesellschaft kontrovers diskutierte neue Bundeskriminalamtgesetz (BKAG)
und die darin enthaltene Online-Durchsuchung, mit dem damals im Antrag
beschriebenen Ziel der „Verbesserung der Möglichkeiten bei der Bekämpfung
des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“.

Aus einer, wie es der damalige Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang
Schäuble, nannte, „unerlässlichen Maßnahme“ (Süddeutsche Zeitung, 5. Februar
2007) ist nach Auskunft des Bundeskriminalamts (BKA) nach Inkrafttreten des
Gesetzes im Jahr 2009 praktisch nichts geworden (vgl. Süddeutsche Zeitung,
15. Oktober 2009). Nicht einmal einen entsprechenden Antrag habe das BKA
bis zum Herbst 2009 gestellt. Dasselbe gelte für die Landespolizei Bayern
(ebenda) – zum damaligen Zeitpunkt das einzige Bundesland, dessen Landespo-
lizei zur Online-Durchsuchung befugt war. Online-Durchsuchungen blieben
aber dennoch, so die Verlautbarungen des BKA „in Zeiten der terroristischen
Bedrohung […] unverzichtbares polizeiliches Instrument“ (BKA, ebenda).

Unklar ist, welche Befugnisse in diesem Zusammenhang auf welchen Rechts-
grundlagen die deutschen Nachrichtendienste haben und wie vor allem die
Praxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) heute aussieht. Über dessen Akti-
vitäten wurde nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekannt, dass es
2 500 Computer im Ausland mit verschiedenen Techniken durchsucht hatte.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE., in
der unter anderem nach einer Ausweitung der Befugnisse auf die Nachrichten-
dienste gefragt wurde, hieß es: „Der verdeckte Eingriff in informationstechni-
sche Systeme („Online-Durchsuchung“) kann angesichts der Nutzung moderner
Informationstechnik etwa bei der Anschlagsvorbereitung in terroristischen
Netzwerken auch für die Aufklärungsaufgaben der Verfassungsschutzbehörden
nützlich sein. Eine Regelung wird in die Prüfung des Handlungsbedarfs der
nächsten Wahlperiode einbezogen.“ (Bundestagsdrucksache 16/12963)

Auf Fragen nach – damals – aktuellen Überlegungen zu Gesetzesänderungen im
Bereich der Verfassungsschutzbehörden hieß es am 11. Mai 2009 „die Bundes-
regierung prüft laufend, ob die gesetzlichen Befugnisse des Bundesamtes für
Verfassungsschutz der aktuellen Gefährdungslage gerecht werden“ (ebenda).
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie oft hat das Bundeskriminalamt im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis
heute Online-Durchsuchungen durchgeführt (bitte aufschlüsseln nach Monat,
Zahl der betroffenen Personen, Anzahl und Dauer der Maßnahmen, Gründe
der richterlichen Anordnung)?

Drucksache 17/1629 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie oft wurden seit dem 1. Januar 2009 richterliche Genehmigungen zur
Online-Durchsuchung beantragt, und in wie vielen Fällen wurde diese er-
teilt?

3. In wie vielen Fällen wurden aus Online-Durchsuchungen gewonnene Er-
kenntnisse als Beweismittel in Gerichtsverfahren verwendet?

4. In wie vielen Fällen führten Gerichtsverfahren, in denen aus Online-Durch-
suchungen gewonnene Erkenntnisse als Beweis verwendet wurden, zu einer
Verurteilung der angeklagten Person?

5. In wie vielen Fällen erfolgte aufgrund der durch eine Online-Durchsuchung
gewonnenen Beweise eine Verurteilung der von der Maßnahme unmittelbar
betroffenen Person für Straftaten, deren Tatbestand den für die Genehmi-
gung dieser Maßnahme erforderlichen Rechtsgüterschutz bezweckt?

6. In wie vielen Fällen erfolgte aufgrund der durch eine Online-Durchsuchung
gewonnenen Beweise eine Verurteilung der von der Maßnahme unmittelbar
betroffenen Person für Straftaten, die tatbestandlich nicht von den Voraus-
setzungen für die Genehmigung einer solchen Maßnahme erfasst sind?

7. In wie vielen Fällen und innerhalb welchen Zeitraumes wurden die betrof-
fenen Personen nach der Beendigung einer Online-Durchsuchung oder
- Überwachungsmaßnahme benachrichtigt?

8. In wie vielen Fällen wurde eine gerichtliche Zustimmung zur Zurückstel-
lung der Benachrichtigung beantragt, und wie vielen Anträgen auf Zurück-
stellung wurde stattgegeben?

9. Wie oft haben nach Kenntnis der Bundesregierung welche Länderpolizeien
Online-Durchsuchungen durchgeführt (bitte aufschlüsseln nach betroffenen
Personen, Anzahl und Dauer der Maßnahmen, Gründe der richterlichen An-
ordnung)?

10. Welche Bundesländer haben wann ihre Polizeigesetze an die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 27. Februar 2008 (1 BVR 370/07)
zur Genehmigung einer Online-Durchsuchung angepasst?

11. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die jährlichen Mehrkosten, die
durch den Aufwand der Gerichte des Bundes und der Länder sowie für tech-
nische Ausrüstung und Personal bei der Bundespolizei und den Länderpoli-
zeien durch Online-Durchsuchungen entstanden sind (bitte aufschlüsseln)?

12. Haben Erkenntnisse aus Online-Durchsuchungen zur Verhinderung von ter-
roristischen Anschlägen geführt, und wenn ja, wie häufig?

13. Haben Erkenntnisse aus Online-Durchsuchungen zur Aufdeckung terroris-
tischer Gruppen geführt, und wenn ja, wie häufig?

14. Rechtfertigen die bisherigen Ermittlungsergebnisse aus Online-Durchsu-
chungen nach Einschätzung der Bundesregierung den erheblichen Eingriff
in die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern und in das Recht auf Ver-
traulichkeit und Integration informationstechnischer Systeme sowie den
technischen, personellen und finanziellen Ermittlungsaufwand?

15. Wie viele Online-Durchsuchungen hat der Bundesnachrichtendienst seit
dem 1. Januar 2008 auf welcher rechtlichen Grundlage, und mit welchen
technischen Mitteln vorgenommen?

16. Wie viele Online-Durchsuchungen hat das Bundesamt für Verfassungs-
schutz (BfV) seit dem 1. Januar 2008 vorgenommen, und welche Landes-
ämter für Verfassungsschutz (LfV) haben nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in diesem Zeitraum Online-Durchsuchungen praktiziert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1629

17. Welche Ergebnisse haben die laufenden Überprüfungen der gesetzlichen
Grundlagen des Bundesamts für Verfassungsschutz seit dem 11. Mai 2009
ergeben, und in welchen Schritten werden daraus gezogene Konsequenzen
bis wann umgesetzt?

18. Inwieweit haben der Bundesnachrichtendienst und die Verfassungsschutz-
ämter die von Online-Durchsuchungen betroffenen Personen nach Beendi-
gung des Eingriffs über die Maßnahme informiert, und geschah dies jeweils
aufgrund eines Auskunftsersuchens?

Berlin, den 4. Mai 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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