BT-Drucksache 17/14805

Sachbeschädigungen und Sabotageaktionen gegen Kriegsgerät und militärische Infrastruktur

Vom 27. September 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14805
17. Wahlperiode 27. 09. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Heidrun Dittrich, Annette Groth,
Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Jens Petermann und der Fraktion
DIE LINKE.

Sachbeschädigungen und Sabotageaktionen gegen Kriegsgeräte und militärische
Infrastruktur

Die Bundesregierung hat auf die Schriftliche Frage 20 der Abgeordneten Ulla
Jelpke (Bundestagsdrucksache 17/14577) eine Auflistung von Sachbeschädi-
gungen, die es seit 2010 zum Schaden der Bundeswehr bzw. ihrer Fahrzeuge,
Materialien oder Gebäude gegeben hat, geliefert.

Darin werden insgesamt 91 Sachbeschädigungen aufgezählt, worunter 14 Brand-
stiftungen und acht „gefährliche Eingriffe in den Luft-/Bahn- und Straßenver-
kehr“ gewesen seien.

Die bürgerliche Presse titulierte diese Sachbeschädigungen umgehend als „An-
schläge“, allerdings wies die „BILD Zeitung“ vom 18. August 2013 (www.
bild.de) darauf hin, dass es sich bei den Delikten häufig lediglich um Beschädi-
gungen von Hinweistafeln oder Werbeständen bzw. um „Sabotageakte an den
Bahnzubringern zu Truppenübungsplätzen“ gehandelt habe.

Nach Angaben der Bundesregierung ordnen die zuständigen Sicherheitsbehör-
den von den insgesamt 91 Sachbeschädigungen 83 dem Bereich der Politisch
Motivierten Kriminalität (PMK) – links zu. Nähere Angaben zur Tragfähigkeit
dieser Zuordnung hat die Bundesregierung unter Verweis auf die Zuständigkeit
der Landesbehörden jedoch nicht gemacht.

Die Fragestellerinnen und Fragesteller haben Zweifel daran, dass diese Zuord-
nung in jedem Fall zu Recht erfolgt. Zwar ist ihnen bekannt, dass die Beschädi-
gung von Kriegsgerät bzw. militärischer Infrastruktur in Teilen der Friedens-
und antimilitaristischen Bewegung als legitimes Aktionsmittel gegen jegliche
Kriegspolitik eingeschätzt wird, denn „was in Deutschland brennt, kann in
Afghanistan keinen Schaden mehr anrichten“ (http://einstellung.so36.net), wie
auch die christlich motivierte Pflugscharbewegung gezielt symbolische Beschä-
digungs- bzw. Abrüstungsaktionen durchführt (http://en.wikipedia.org/wiki/
Plowshares_Movement). Diese allgemeine Erkenntnis darf jedoch nicht dazu
führen, unreflektiert jede Sachbeschädigung zum Nachteil der Bundeswehr als
PMK-links zu werten. In mindestens einem der aufgelisteten Fälle entspricht die

von der Bundesregierung angegebene Zuordnung nicht der tatsächlich von der
zuständigen Staatsanwaltschaft vorgenommenen.

So ist bekannt, dass nach der spektakulären Zerstörung von 16 Bundeswehrfahr-
zeugen in der Nacht auf den 27. Juli 2013 in einer Kaserne in Havelberg (Sach-
sen-Anhalt) die Polizei umgehend behauptete, eine „Spur“ zu einem antimili-
taristischen Protestcamp zu haben. Dort wurde das Fahrzeug eines Journalisten

Drucksache 17/14805 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

beschlagnahmt, der zur Tatzeit aber woanders unterwegs war. Das Fahrzeug
wurde später wieder freigegeben, man habe keine „heiße Spur“ mehr, erklärte die
Polizei (www.mz-web.de). Der Abgeordneten Ulla Jelpke liegt ein Schreiben der
sachsen-anhaltinischen Ministerin für Justiz und Gleichstellung vom 4. Septem-
ber 2013 vor, in dem es heißt, es könnten „derzeit keine Angaben dazu gemacht
werden, ob die Tat dem Bereich politisch motivierter Kriminalität – links zu-
zuordnen ist.“ Dennoch wird die Tat in der Antwort der Bundesregierung an die
Abgeordnete Ulla Jelpke als PMK-links gewertet.

Ungeachtet der Zuständigkeit der Landesbehörden gehen die Fragesteller da-
von aus, dass zumindest bezüglich der abgeschlossenen Ermittlungsverfahren
die Bundeswehr bzw. das Bundesministerium der Verteidigung als gleichsam
Geschädigte Aussagen zur Validität der vorgenommenen Einstufungen machen
können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Um welche Form der Sachbeschädigung hat es sich bei den 91 aufgeführten
Aktionen jeweils konkret im Einzelnen gehandelt, und welcher Schaden ist
dabei jeweils entstanden (bitte vollständig aufführen; erbetene Einzelanga-
ben: Anzahl der jeweils beschädigten Gegenstände bzw. Objekte, Art der
Beschädigung, entstandener finanzieller Schaden)?

2. Welche dieser Aktionen sind nach Kenntnis der Bundesregierung von den
zuständigen Sicherheitsbehörden (zunächst) als PMK-links eingestuft wor-
den, und in welchen Fällen ist diese Zuordnung später revidiert worden?

3. Welche aus den Sachbeschädigungen resultierende Ermittlungsverfahren
sind nach Kenntnis der Bundesregierung mittlerweile zu welchem Ab-
schluss gebracht worden (bitte den jeweiligen Sachbeschädigungen zuord-
nen)?

4. Wie viele rechtskräftige

a) Einstellungen mit oder ohne Auflagen

b) Gerichtsurteile

gegen wie viele Personen wegen jeweils welcher Sachbeschädigung hat es
nach Kenntnis der Bundesregierung gegeben (bitte möglichst jeweils Straf-
maß angeben)?

In wie vielen Fällen hat sich dabei der Verdacht auf Vorliegen einer politi-
schen Motivation bestätigt (bitte nach Möglichkeit erläutern, welcher Art
diese Bestätigung ist)?

5. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung zur Validität der Zuordnung
der genannten Straftaten zum Bereich politisch motivierter Kriminalität?

6. In welchen Fällen hat es nach Kenntnis der Bundesregierung ein Bekenner-
schreiben gegeben (bitte kurz zusammenfassen) bzw. vergleichbare „Be-
kenntnisse“ (etwa in Form eines Graffitos oder von Aufklebern oder am Tat-
ort verteilten/hinterlegten Flugblättern, dieses bitte wiedergeben) gegeben
(bitte jeweils den einzelnen Taten zuordnen)?

7. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die falsche Zuordnung der Zer-
störung von Bundeswehrfahrzeugen in der Kaserne in Havelberg (27. Juli
2013) zum PMK-links-Bereich in der Antwort auf die erwähnte Schriftliche
Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke zustandegekommen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14805

a) Liegt der Bundesregierung ein Schriftstück vor, in dem die sachsen-
anhaltinische Staatsanwaltschaft die Tat als PMK-links wertet, und
wenn ja, von welchem Datum stammt dieses Schreiben, oder ist diese
Zuordnung nicht von der zuständigen Landesbehörde, sondern von
einer anderen Stelle (welcher?) vorgenommen worden, und wenn Letz-
teres, auf welcher Grundlage?

b) Werden die Bundeswehr bzw. die Bundesregierung generell darüber un-
terrichtet, wenn die zuständigen Landesbehörden eine ursprüngliche
PMK-Einschätzung revidieren?

8. Wie viele Sachbeschädigungen gegen militärische Einrichtungen, Fahr-
zeuge, Gebäude oder Infrastrukturen im Sinne der eingangs erwähnten
Schriftlichen Frage hat es jeweils in den Jahren 2000 bis 2009 gegeben,
und in wie vielen Fällen gehen die Ermittlungsbehörden nach Kenntnis der
Bundesregierung (bei Ermittlungsbeginn sowie -abschluss) von einer poli-
tischen Motivation aus (bitte ggf. nach Phänomenbereichen aufgliedern)?

Welcher finanzielle Schaden ist dabei pro Jahr entstanden?

9. Inwiefern sind die finanziellen Schäden, die bei den 91 Aktionen entstan-
den sind, durch Versicherungsleistungen gedeckt, und welche Summen
mussten von der Bundeswehr selbst getragen werden?

10. Wie viele und welche physischen Angriffe von Zivilpersonen auf Bundes-
wehrangehörige in Deutschland gab es seit 2010 (bitte aufschlüsseln, wann,
wo und bei welcher Gelegenheit diese Angriffe erfolgten, ob die Attackier-
ten Uniform trugen, ob sie zum Zeitpunkt des Angriffs im Dienst waren, und
welche möglichen Verletzungen oder Beschädigungen ihrer Kleidung sie
davontrugen)?

Wie viele und welche dieser Angriffe hatten nach Kenntnis der Bundes-
regierung einen politischen Hintergrund (bitte nach Phänomenbereichen
aufgliedern und Einordnung begründen)?

Berlin, den 27. September 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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