BT-Drucksache 17/14766

Kooperation von Behörden im Bereich der Inneren Sicherheit

Vom 17. September 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14766
17. Wahlperiode 17. 09. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Heidrun Dittrich, Jens
Petermann, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Kooperation von Behörden im Bereich der Inneren Sicherheit

Neben den fünf „Gemeinsamen Zentren“, dem Gemeinsamen Terrorabwehr-
zentrum (GTAZ), dem Gemeinsamen Internetzentrum (GIZ), dem Gemein-
samen Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM), dem Natio-
nalen Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ) und dem Gemeinsamen Extremismus-
und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ), in denen auf Bundesebene Polizei,
Geheimdienste und andere Behörden aus Bund und Ländern zusammenarbeiten,
existieren in verschiedenen Bundesländern auch dauerhafte Strukturen für eine
Zusammenarbeit von Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden sowie
des Verfassungsschutzes; so z.B. die Gemeinsamen Informations- und Analyse-
zentren Politisch Motivierte Kriminalität (GIAZ PMK) in Hessen, das Gemein-
same Informations- und Analysezentrum (GIAZ) in Niedersachsen und ein
GIAZ islamistischer Terrorismus in Sachsen-Anhalt, die Gemeinsame Informa-
tions- und Analysestelle (GIAS) in Baden-Württemberg und Sachsen oder die
Thüringer Informationsauswertungszentrale (TIAZ). In Schleswig-Holstein gibt
es bereits unmittelbar nach dem 11. September 2001 eine Landeskoordinie-
rungsgruppe internationaler Terrorismus, in Sachsen gibt es neben der genann-
ten GIAS eine feste, aber anlassbezogen zusammenkommende Arbeitsgruppe
Analyse, in der das Landeskriminalamt, das Landesamt für Verfassungsschutz,
der Bundesnachrichtendienst, die Bundespolizei, der Zoll sowie die Polizeidi-
rektionen Dresden und Leipzig vertreten sind (R. Klee. Neue Instrumente der
Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten. Baden-Baden 2010,
S. 142 f.) und es gibt noch eine „Koordinierungsgruppe Internationaler Terroris-
mus Land“ aus Staatsschutz, Bereitschaftspolizei, Bundeskriminalamt (BKA),
Zoll, Bundespolizei und dem sächsischen Innenministerium. In Brandenburg,
wo der Verfassungsschutz eine Abteilung des Innenministeriums ist, wurden
regelmäßige (Dienst-)Besprechungsrunden installiert, um den Informationsaus-
tausch zu intensivieren (ebd., S. 142). In Nordrhein-Westfalen existiert seit 2006
die Sicherheitskonferenz beim Landesinnenministerium, in der Sicherheitsbe-
hörden und Ausländerbehörden zusammenarbeiten.

Die enge und institutionalisierte Zusammenarbeit von Behörden, die auf der
einen Seite mit der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr betraut sind und in
relativ engen rechtlichen Grenzen Zwangsmaßnahmen einsetzen dürfen und

auf der anderen Seite die Aufgabe der politischen Berichterstattung, Vorfeld-
aufklärung und „Frühwarnung“ haben und weit im Vorfeld der Gefahrenabwehr
verdeckt, mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen erheben dürfen,
birgt das erhebliche Risiko einer Vermischung von Aufgaben und Befugnissen
und einer weiteren Erosion des Trennungsgebotes von Polizeibehörden und Ge-
heimdiensten. Das Risiko erhöht sich noch, wenn wie im GIAZ Niedersachsen
eine eigene Datei zur Erfüllung der Zentrumsaufgaben eingerichtet wird (ebd.,

Drucksache 17/14766 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

S. 139). Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich neben den regulären For-
men der Kooperation, wie sie über die Zentralstellen BKA und Bundesamt für
Verfassungsschutz und die Gremien der Ständigen Konferenz der Innenminister
und -senatoren der Länder (IMK) stattfindet eine unkontrollierte und mög-
licherweise unkontrollierbare Parallelstruktur in der alltäglichen Zusammen-
arbeit der Mitarbeiter unterschiedlicher Sicherheitsbehörden etabliert, in der
Daten und Informationen jenseits der rechtlich vorgesehenen Meldewege weiter-
gegeben oder sogar das operative Vorgehen abgesprochen werden. Würde, wie
es im Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsge-
setzgebung in Deutschland gefordert wird, das GTAZ eine eigene Rechtsgrund-
lage erhalten, würde dieser in der Verfassung nicht vorgesehene Knotenpunkt
für den Austausch auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage erhobener Daten und
bewusst voneinander geschiedener operativer Befugnisse auch noch rechtlich
legitimiert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Umfang nehmen Vertreterinnen und Vertreter welcher Landes-
behörden an den in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten fünf Zen-
tren auf Bundesebene – GTAZ, GETZ, GIZ, NCAZ und GASIM – zurzeit
regelmäßig teil?

2. Welche solcher Arbeitsgruppen, Information Boards, Stellen, Zentren,
Konferenzen oder Plattformen im Sinne der Vorbemerkung der Fragesteller
(im Folgenden: Gremien) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in
welchen Bundesländern, die der regelmäßigen Kooperation der Polizei-
und Strafverfolgungsbehörden mit den Landesämtern für Verfassungs-
schutz dienen?

3. In welche dieser Gremien sind neben den Sicherheitsbehörden noch wei-
tere Behörden ohne genuine Zuständigkeit im Bereich der Inneren Sicher-
heit (Ausländerbehörden, Finanzbehörden etc.) eingebunden, und welche
jeweils genau?

4. Seit wann gibt es diese Gremien (bitte einzeln auflisten)?

5. Welche Aufgaben haben sie auf welchen Rechtsgrundlagen, und wo bzw.
wie sind diese festgelegt (bitte einzeln auflisten)?

6. Welche Behörden sind mit wie vielen Mitarbeitenden beteiligt (bitte ein-
zeln aufschlüsseln)?

7. Wo sind diese Gremien jeweils organisatorisch angesiedelt, wo haben sie
ihren Sitz, wer führt den Vorsitz (oder eine vergleichbare Funktion) und die
Geschäfte (bitte für die Gremien einzeln auflisten)?

8. Wer übt wie die Fach- und Rechtsaufsicht über die in den Gremien verab-
redeten Tätigkeiten und Projekte aus?

9. Wie oft und in welchem Rhythmus treffen sich die Mitarbeitenden der be-
teiligten Behörden?

10. Ist die Zusammenarbeit in den Gremien im Sinne der Arbeitsteilung in Ar-
beitsgruppen, Zuständigkeitsbereiche, Projekte o. Ä. untergegliedert?

Wenn ja, welche Untereinheiten gibt es, und welche Aufgaben haben sie?

Wie oft und in welchem Rhythmus treffen sich die Mitarbeitenden dieser
Arbeitsgruppen?

11. Wird die Zusammenarbeit dokumentiert, und wenn ja, wie?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14766

12. Gibt es informationstechnische Systeme, wie z. B. gemeinsame Projektda-
teien, die den Informationsaustausch unterstützen, oder findet dieser aus-
schließlich auf dem Papier oder mündlich statt?

13. Wird der Informationsaustausch dokumentiert, und wenn ja, wie?

14. Wie wird sichergestellt, dass die Mitarbeitenden der unterschiedlichen Be-
hörden das jeweils geltende Fachrecht zur Übermittlung von personenbe-
zogenen Informationen beachten?

15. Sind der Dienstaufsicht in der Vergangenheit Missstände oder offene
Rechtsbrüche bei der Anwendung der fachrechtlichen Übermittlungsvor-
schriften bekannt geworden, und wenn ja, wie häufig war dies der Fall?

Gab es gegebenenfalls disziplinarrechtliche Konsequenzen?

16. Gab es in der Vergangenheit datenschutzrechtliche Kontrollen durch die
Landesbeauftragten?

Wenn ja, wie häufig, und mit welchem Ergebnis?

17. Welche parlamentarischen Gremien sind in welcher Zusammensetzung für
die Kontrolle der Kooperationsgremien zuständig, wie wird die Kontrolle
ausgeübt, in welcher Form und welchen Zeiträumen werden Berichte über
diese Kontrolltätigkeit gegenüber wem erstellt?

18. Wann waren diese neuen Formen der Kooperation in den Ländern Gegen-
stand der Berichterstattung und Diskussion in der IMK?

19. Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Bund organisiert (bitte einzeln auflis-
ten)?

20. Auf welchen außergesetzlichen Grundlagen (Kooperationsvereinbarungen,
Memorandum of Understanding etc.) beruht die Mitarbeit der Vertreter von
Bundesbehörden in den einzelnen Gremien auf Länderebene?

Berlin, den 17. September 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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