BT-Drucksache 17/1476

Celler/Kieler Trialog 2010

Vom 22. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1476
17. Wahlperiode 22. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Inge Höger, Harald Koch,
Jens Petermann, Raju Sharma und der Fraktion DIE LINKE.

Celler/Kieler Trialog 2010

Seit dem Jahr 2007 treffen sich „hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik
und Militär“ zum Celler Trialog. Dieses sicherheitspolitische Diskussionsforum
ist nach Angaben des früheren Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz
Josef Jung, „von zentraler Bedeutung für eine moderne, vernetzte deutsche Si-
cherheitspolitik“, wie er bei seiner Ansprache im Vorjahr ausführte. Die pro-
grammatische Grundlage des Forums ist im „Celler Appell“ aus dem Jahr 2008
niedergelegt. Darin wurden drei Maßnahmen vereinbart: Es sollten „Impulse für
die vertiefte sicherheitspolitische Diskussion“ gegeben, Initiativen zur „Förde-
rung der Reservisten in Industrie und Wirtschaft“ sowie für die „Intensivierung
der zivil-militärischen Zusammenarbeit“ ergriffen und schließlich darauf hinge-
wirkt werden, „dass der sicherheitspolitische Dialog auch in Forschung und
Lehre, insbesondere an unseren Hochschulen gestärkt wird.“ Das „Verständnis
für die Auslandseinsätze der Bundeswehr“ solle verbreitert werden.
Zur Begründung heißt es in dem Appell: „Weltweite Sicherheit und Stabilität
tragen eine positive Rendite für die Wirtschaft.“ Der Aufsichtsratsvorsitzende
der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, der zu den Initiatoren des Trialogs zählt,
hatte bereits im Frühjahr 2008 in einer Rede an der Führungsakademie der Bun-
deswehr erklärt: „Investitionen in Sicherheit tragen eine positive Rendite.“
Daraus erklärt sich auch das Interesse der Wirtschaftsvertreter, die Aufrüstung
der Bundeswehr zu fordern. So beklagte Klaus-Peter Müller die „chronische
Unterfinanzierung der Bundeswehr“. Im vergangenen Jahr war auch der Präsident
des Bundesverbandes der Deutschen Industrie beim Trialog zugegen. Die
Kriegspolitik der Bundesregierung verspricht lukrativen Gewinn für eine ganze
Anzahl von Unternehmen. In einer Analyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Niedersachsen vom Dezember 2009 wird die Funktion des Trialogs
folgendermaßen zusammengefasst: „Vor diesem Hintergrund ist davon
auszugehen, dass die Tagung auf einer informellen Ebene eine Netzwerkfunktion
für den militärisch-industriellen Komplex der Bundesrepublik Deutschland hat.“
Aufgrund der offenkundigen Bestrebungen, eine enge Verzahnung von Wirt-
schaft, Politik und Militär herzustellen, fand im Jahr 2009 eine Demonstration
gegen das Treffen statt. Im Aufruf wurde der Trialog als Ausdruck „für Krieg,
Ausbeutung, Aufrüstung und zunehmende Militarisierung der Gesellschaft“ be-
zeichnet. Weil die gastgebende Panzerdivision aus Hannover sich auf den
Kriegseinsatz in Afghanistan vorbereitet, wird das Treffen in diesem Jahr vom
1. bis 3. September in Kiel stattfinden.

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Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie weit sind die Vorbereitungen für den Trialog 2010 gediehen?

a) Welche Referentinnen und Referenten, Moderatorinnen und Moderatoren
sowie Themen für Hauptvorträge und Arbeitsgruppen sind bislang fest-
gelegt (bitte mit Angabe der Uhrzeit und jeweiligen Räumlichkeit)?

b) Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden dieses Jahr schät-
zungsweise erwartet?

c) Wer hat die Federführung bei der Vorbereitung des Trialogs (bitte Abtei-
lung/Referat nennen), und welche Vorbereitungsgremien mit welcher
Beteiligung sind hierfür eingerichtet?

d) Wer firmiert offiziell als Veranstalter des Trialogs?

e) Wem obliegt letztlich die Entscheidung über die Frage, welcher Teil-
nehmerkreis angesprochen bzw. eingeladen wird?

f) Inwiefern gibt es bereits vorbereitete Abschlussresolutionen oder Be-
schlüsse (bitte ggf. als Anlage beifügen)?

g) Beabsichtigt die Bundeswehr, zu Ende des Trialogs wieder eine Vorfüh-
rung durch militärische Einheiten zu veranstalten, und wenn ja, wann, wo,
und welche Einheiten sollen sich daran beteiligen?

h) Inwieweit ist die Zusammenarbeit mit Landesbehörden vorgesehen (bitte
detailliert ausführen)?

i) Inwieweit werden Fraktionen des Deutschen Bundestages oder bestimmte
politische Parteien, Kirchen oder weitere Organisationen oder Körper-
schaften des öffentlichen Rechts eingebunden?

2. Welche Kosten sind in der Vergangenheit für Durchführung und Vorbereitung
der Trialoge entstanden (bitte pro Jahr angeben)?

a) Welche Kosten sind im Bereich der Bundeswehr entstanden (bitte nach den
größten Kostenstellen aufgliedern)?

b) Welche Kosten sind anderen Haushaltsposten des Bundes entstanden (bitte
nach größten Kostenstellen aufgliedern)?

c) Welche Beiträge leisten die beteiligten Wirtschaftsunternehmen (bitte, so-
weit möglich, detailliert auflisten)?

d) Inwiefern beteiligen sich die Länder an den Kosten (bitte ggf. detailliert
nach Haushaltsposten und Kostenstellen aufgliedern)?

e) Werden die auf Bundesseite entstandenen Kosten ganz oder teilweise in
Rechnung gestellt, und wenn ja, wem gegenüber, und in welcher Höhe?

3. Welche Unterstützungsmaßnahmen hat die Bundeswehr in der Vergangenheit
konkret für den Trialog durchgeführt, und welche Maßnahmen wird sie dieses
Jahr durchführen (bitte unter Angabe der Kosten und der Zahl der eingesetz-
ten Soldaten)?

a) Wer hat die Unterstützungs- bzw. Amtshilfemaßnahmen beantragt, und
wer hat darüber entschieden?

b) Falls auch für das Jahr 2010 Unterstützungs- bzw. Amtshilfemaßnahmen
beantragt worden sind, wer hat die Anträge zu welchem Zeitpunkt gestellt?

c) Auf welcher Rechtsgrundlage wurde über die Anträge entschieden?
4. Welche Dienststellen der Bundeswehr und wie viele Angehörige der Bundes-

wehr werden in Zusammenhang mit dem Trialog tätig (bitte für die Jahre
2007,2008,2009 und 2010 angeben und die Tätigkeitsschwerpunkte nennen)?

Drucksache 17/1476 –3– Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Wie viele davon bei der Vorbereitung?
b) Wie viele davon bei der Durchführung?

c) Wie viele Feldjäger waren in der Vergangenheit tätig geworden, und wie
viele werden voraussichtlich dieses Jahr eingesetzt, und über welche Be-
waffnung verfügen diese (bitte jeweils unter Angabe des konkreten Ein-
satzortes)?

5. Inwiefern sind in Zusammenhang mit der Konferenz die Strukturen der
Zivil-Militärischen Zusammenarbeit kontaktiert worden, und inwieweit
werden diese tätig (bitte nach Landes-, Bezirks- und Kreisverbindungskom-
mandos getrennt darstellen)?

6. Hatte die Bundeswehr in der Vergangenheit zur Durchführung des Trialogs
einen militärischen Sicherheitsbereich eingerichtet, oder beabsichtigt sie
dies in diesem Jahr, und wenn ja, mit welcher Begründung?

7. Hat die Bundeswehr in der Vergangenheit zur Durchführung des Trialogs
das Hausrecht über die Veranstaltungsräume, oder beabsichtigt sie in diesem
Jahr, das Hausrecht auszuüben, und wennja,
a) wer hat um diese Maßnahme zu welchem Zeitpunkt gebeten;

b) wer hat auf Seiten der Bundeswehr diese Entscheidung getroffen;

c) welche Überlegungen führten zu dieser Entscheidung;

d) wie viele Soldaten haben in den vergangenen Jahren während welchen
Zeitraumes mit welcher Bewaffnung an welchen Orten genau das Haus-
recht sichergestellt, und inwiefern kam es dabei zu einem Einschreiten
gegenüber (potentiellen oder mutmaßlichen) Hausrechtsstörern?

8. Ist die Bundeswehr um Übernahme des Hausrechts gebeten worden, und hat
sie dieses abgelehnt, und wenn ja, wer hatte die Maßnahme erbeten, und
welche Überlegungen führten zur Ablehnung?

9. Wie viele Bundespolizisten sind in den vergangenen Jahren anlässlich des
Trialogs jeweils eingesetzt worden, und wie viele werden voraussichtlich
dieses Jahr eingesetzt, und welche Kosten entstanden/entstehen hierdurch?

10. Wie setzte sich der Teilnehmerkreis in den Jahren 2007, 2008 und 2009 zu-
sammen (bitte pro Jahr angeben)?
a) Welche Personen mit welcher Funktion haben an den Treffen teilge-

nommen?

b) Welche Unternehmen haben Vertreterinnen und Vertreter entsandt?
c) Inwiefern wurden Unternehmen eingeladen, deren geschäftliche Aktivi-

täten im Bereich der Rüstungsproduktion oder -forschung bzw. militä-
risch relevanter Dienstleistungen liegen?

d) Inwiefern wurden Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften ein-
geladen, und inwieweit sind diese der Einladung gefolgt?

e) Inwieweit sind Hochschulen und/oder Forschungsinstitute bzw. einzelne
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen worden, und in-
wieweit sind diese der Einladung gefolgt (bitte jeweiliges Forschungsge-
biet/Fachrichtung angeben)?

11. In welchem Rahmen werden zum Trialog 2010 Medienvertreterinnen und
-vertreter zugelassen, und welche Beschränkungen sind bei der Akkreditie-
rung vorgesehen?
Gibt es eine Sicherheitsüberprüfung, und wennja, wer führt diese durch, und
auf welche Datenbestände wird dabei zugegriffen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode –4– Drucksache 17/1476

12. Ist eine Publikation sämtlicher Tagungsbeiträge im Jahr 2010 geplant oder
eine Publikation ausgewählter Beiträge (wann und bis zu welchem Zeit-
punkt)?

13. Wurden in der Vergangenheit bzw. werden in diesem Jahr

a) der Bundesnachrichtendienst,

b) das Bundesamt für Verfassungsschutz,

c) der Militärische Abschirmdienst
in Zusammenhang mit dem Trialog tätig, und wenn ja, zu welchen Angaben
hierüber ist die Bundesregierung bereit?

14. Inwiefern wurden in der Vergangenheit im Vorfeld der Konferenz bzw. der
gegen sie gerichteten Demonstration Personendaten mit ausländischen Poli-
zeibehörden ausgetauscht?

a) Welche Dateien wurden hierbei genutzt?
b) Wie viele Datensätze zu wie vielen Personen wurden ausgetauscht (bitte

jeweils übermittelnde und empfangende Dienststelle nennen)?

c) Auf welcher Rechtsgrundlage basierte das Vorgehen?

d) Inwiefern sind diese Maßnahmen für das Jahr 2010 beabsichtigt oder
bereits durchgeführt worden?

15. Welchen konkreten Nutzen erbrachten die bisherigen Trialogveranstaltun-
gen aus Sicht der Bundesregierung?

16. Welche konkreten Schritte wurden zur Realisierung der im Celler Appell
von 2008 geforderten Maßnahmen unternommen?

a) Wie wird die Bestandsaufnahme der vorgesehenen vertieften Zusammen-
arbeit zwischen Bundeswehr, Wirtschaft und Politik dokumentiert, und
inwiefern ist diese Dokumentation öffentlich zugänglich?

b) Inwiefern werden die „Förderung der Reservisten in Industrie und Wirt-
schaft“, die Intensivierung der „persönlichen Kontakte“ sowie die „Inten-
sivierung der zivil-militärischen Zusammenarbeit“ evaluiert oder erfasst?

c) Welche konkreten Fortschritte sind aus Sicht der Bundesregierung hin-
sichtlich der „Förderung der Reservisten“ und der „Intensivierung der
zivil-militärischen Zusammenarbeit“ gemacht worden (bitte detailliert
benennen)?

d) Welche Defizite weisen die Situation der Reservisten in Industrie und
Wirtschaft sowie der Stand der zivil-militärischen Zusammenarbeit aus
Sicht der Bundesregierung auf, und was will sie tun, um diesen abzuhel-
fen?

e) Sind bislang aktive Schritte zur Einrichtung von Stiftungsprofessuren un-
ternommen worden, und wennja,

– in welchen Bundesländern,

– an welchen Hochschulen,
– in welchen Fachbereichen;

– wie sind die Professuren jeweils ausgestaltet;

– über welchen finanziellen und personellen Umfang verfügen diese
Professuren;

– welche Forschungs-, Lehr- und Veröffentlichungstätigkeiten haben
diese Professuren bislang erbracht;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode –5– Drucksache 17/1476

– gibt es eine zusätzliche Drittmittelfinanzierung, und wenn ja, in
welcher Höhe und von welcher Seite?

17. Welchen Verlauf nahm das vom ehemaligen Bundesverteidigungsminister
Dr. Franz Josef Jung für September 2009 angekündigte Führungsseminar
von Wirtschaft und Bundeswehr?

a) Wo fand dieses Seminar statt?
b) Wer hat sich daran beteiligt (bitte, soweit möglich, die Teilnehmer aus der

zivilen Wirtschaft den jeweiligen Unternehmen zuordnen), und wer hat
über die Entsendung bzw. Akzeptanz von Teilnehmern entschieden?

c) Welche Konfliktsituation bzw. Konfliktsituationen lag bzw. lagen der
Übung zugrunde?

d) Wie lange dauerte die Übung?

e) Welche Kosten sind dabei entstanden (bitte nach den größten Kosten-
punkten aufschlüsseln), und wer trägt diese?

18. Welche Verbesserungen hinsichtlich der gesellschaftlichen Akzeptanz sowie
der Durchführung
a) der Auslandseinsätze der Bundeswehr,

b) der Tätigkeiten der Bundeswehr im Inland
verspricht sich die Bundesregierung vom Celler Trialog?

19. Welche Rolle spielt der Trialog bei der Etablierung der Verbindungskom-
mandos der Bundeswehr?

20. Inwiefern werden im Rahmen des Trialogs Absprachen zwischen Bundes-
wehr und Unternehmen bezüglich des Einsatzes von Soldaten im Krisen-
oder Katastrophenfall getroffen, und welcher Art sind diese?

21. An welchen weiteren, inhaltlich und strukturell dem Celler Trialog ver-
gleichbaren Foren oder Veranstaltungen mit Wirtschafts- und Politikvertre-
tern beteiligt sich die Bundeswehr (bitte für das Jahr 2009 und, soweit mög-
lich, für das Jahr 2010 vollständig angeben mit Nennung des Veranstaltungs-
titels, Datums und Ortes)?

22. Inwiefern wird der Celler/Kieler Trialog wissenschaftlich begleitet und
evaluiert, und von wem?

Berlin, den 22. April2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode –6– Drucksache 17/1476

Drucksache 17/1476 –7– Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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