BT-Drucksache 17/14749

Rechtsextreme Tendenzen in der "Identitären Bewegung"

Vom 13. September 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14749
17. Wahlperiode 13. 09. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidrun Dittrich, Jens Petermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Tendenzen in der „Identitären Bewegung“

Die „Identitären“ bilden eine aktivistische Strömung im europäischen Rechtsex-
tremismus. Diese Strömung geht auf den Bloc Identitaire und seine Jugendor-
ganisation „Génération identitaire“ in Frankreich als Nachfolgeorganisation der
2002 aufgrund ihrer rassistischen und gewalttätigen Ausrichtung verbotenen
Gruppierung Unité Radicale zurück.

In Deutschland wurde im Oktober 2012 eine Identitäre Bewegung Deutschland
(IBD) als Facebookgruppe angemeldet, die bereits nach zwei Monaten 4 000
Unterstützer hatte.

Die Identitäre Bewegung behauptet, ihre Botschaft beinhalte „0 Prozent Rassis-
mus“. Identitär sei das Bekenntnis zur jeweiligen regionalen, nationalen und
kulturellen Herkunft. Die Identitären vertreten ein ethnopluralistisches Kon-
zept, sie wenden sich gegen „Multikulturalismus“ und treten für „den Schutz
des europäischen Kontinents vor Überfremdung, Massenzuwanderung und Is-
lamisierung“ ein.

Als Symbol benutzen die Identitären den griechischen Buchstaben Lambda auf
gelbem Grund, der im Historienfilm „300“ die Schilde der gegen eine feind-
liche Übermacht der Perser ankämpfenden antiken spartanischen Soldaten
schmückte. Dazu kommen Elemente der Jugendpopkultur bis hin zu Motiven
aus dem Animationsfilm Avatar. Neben Internetauftritten mit Facebook und
YouTube-Videos setzen die Identitären, die insbesondere Jugendliche und
junge Erwachsene ansprechen wollen, auf öffentliche Aktionen wie Flashmobs.

Das sich selbst als „Denkfabrik“ der rechten Szene präsentierende „Institut für
Staatspolitik“ sowie die rechtsgerichtete Jugendzeitschrift „Blaue Narzisse“
stehen der identitären Bewegung ebenso nahe und bewerben diese oder fungie-
ren als ihre Stichwortgeber wie die Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“
(www.zeit.de).

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Hans-Georg Maaßen
nannte die Identitären, deren Ortsgruppen oft nur aus Facebookgruppen zu
bestehen scheinen, eine „virtuelle Erscheinungsform des Rechtsextremismus“
mit „bislang wenig Realweltbezug“ (www.spiegel.de).
Der Bremer Verfassungsschutz sieht personelle Verbindungen zwischen den
Identitären und der rechtsextremen Bewegung und der hessische Verfassungs-
schutz warnt vor der „politischen Brisanz der von ihnen ausgehenden islam- und
muslimfeindlichen Agitation“ (www.hr-online.de).

Diese zumindest teilweise anzutreffende personelle Nähe der Identitären zu
Neonazis wird von der dem Institut für Staatspolitik nahestehenden Internet-

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zeitschrift „Sezession im Netz“, ebenso bestätigt, wie die vor allem virtuelle
Existenz vieler identitärer Gruppen im Internet: „Der Nationale Widerstand
[…] wittert in der IBD ein Auffangbecken und ein neues, unverbrauchtes Eti-
kett für den alten Wein, den er anzubieten hat“ (www.sezession.de).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-
rung über die „Identitäre Bewegung“ (IB) vor?

a) Seit wann existiert nach Kenntnis der Bundesregierung eine IB in
Deutschland?

b) Über wie viele Mitglieder bzw. Teilnehmerinnen und Teilnehmer in wie
vielen Gruppen in welchen Bundesländern bzw. Regionen verfügt die IB
in Deutschland?

c) Wie sind die einzelnen Gruppen nach Kenntnis der Bundesregierung or-
ganisiert?

d) Gibt es eine zentrale Struktur der IB auf Bundesebene, wie sieht diese
Struktur aus, und von welchen Personen wird sie repräsentiert?

e) Welche konkreten Aktivitäten der IB sind der Bundesregierung bekannt
(bitte nach Orten, Zeitpunkt, Art der Veranstaltung, Teilnehmerzahl auf-
schlüsseln)?

f) Über welche deutschsprachigen Internetauftritte verfügt die IB?

g) Sind der Bundesregierung Äußerungen rassistischen, fremdenfeindlichen
oder volksverhetzenden Charakters durch Vertreterinnen und Vertreter
der IB oder in deren Veröffentlichungen und Internetauftritten bekannt,
und wenn ja, welche, wann und von wem?

h) Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung (ehemalige) Aktivis-
tinnen und Aktivisten oder Mitglieder rechtsextremer Gruppierungen in-
nerhalb der IB aktiv?

i) Bestehen nach Erkenntnissen der Bundesregierung Kontakte der IB zu
rechtsextremen Organisationen oder rechtsextremen Einzelpersonen im
Inland, und wenn ja, in welcher Form und zu welchen Organisationen?

j) Bestehen nach Erkenntnissen der Bundesregierung Kontakte der IB zu
rechtsextremen Organisationen oder rechtsextremen Einzelpersonen im
Ausland, und wenn ja, in welcher Form und zu welchen Organisationen?

2. Hält die Bundesregierung die im Jahr 2012 vom Präsidenten des Bundesam-
tes für Verfassungsschutz, Dr. Hans-Georg Maaßen, getroffene Einschät-
zung, bei der IB handele es sich in Deutschland um eine „virtuelle Erschei-
nungsform des Rechtsextremismus“ mit „bislang wenig Realweltbezug“
weiterhin für zutreffend?

a) Wenn ja, bedeutet dies, dass die Bundesregierung die IB als rechtsextrem
einschätzt?

b) Wenn ja, warum wird die IB dann nicht im Verfassungsschutzbericht des
Bundes im Abschnitt Rechtsextremismus erwähnt?

c) Wenn nein, welche Neubewertung der IB nimmt die Bundesregierung vor,
und aufgrund welcher geänderten Umstände kommt sie zu dieser Neu-
bewertung?

3. Welche Landesämter für Verfassungsschutz beobachten nach Kenntnis der
Bundesregierung die Identitäre Bewegung, und zu welcher Einschätzung ka-

men diese bislang?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14749

4. Welche Reaktionen aus der rechtsextremistischen Szene auf die Identitäre
Bewegung sind der Bundesregierung bekannt geworden

a) vonseiten der NPD,

b) vonseiten der Pro-Bewegung,

c) vonseiten der Partei Die Rechte,

d) vonseiten Freier Kameradschaften und Autonomer Nationalisten,

e) von sonstigen rechtsextremen oder rechtsextrem beeinflussten Gruppie-
rungen oder Medien (bitte Gruppen und Medien benennen)?

5. In welchem Umfang werden im Zusammenhang mit den Facebookauftritten
der IB politisch motivierte Straftaten (z. B. in Kommentarform) begangen,
und inwiefern laufen nach Kenntnis der Bundesregierung daraus resultie-
rende Ermittlungsverfahren?

Gibt es über diese Fragen einen regelmäßigen Austausch im Gemeinsamen
Zentrum zur Bekämpfung des Rechtsextremismus (GAR)?

Berlin, den 12. September 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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