BT-Drucksache 17/14639

Miete bzw. Erwerb und Finanzierung der Gebäude des GKV-Spitzenverbandes, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Gemeinsamen Bundesausschusses

Vom 26. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14639
17. Wahlperiode 26. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg,
Kerstin Andreae, Katja Dörner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Miete bzw. Erwerb und Finanzierung der Gebäude des GKV-Spitzenverbandes, der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Gemeinsamen Bundesausschusses

Nach dem Umzug des Deutschen Bundestages von Bonn nach Berlin bezie-
hungsweise nach der Gründung des GKV-Spitzenverbandes wurden für die drei
Körperschaften des öffentlichen Rechts – Kassenärztliche Bundesvereinigung
(KBV), Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) und GKV-Spitzenverband
(GKV-SV) – Gebäude errichtet. Die genannten Organisationen unterliegen der
Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG): die KBV nach § 78
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), der G-BA nach § 91 Absatz 8
SGB V und der GKV-SV nach § 217d SGB V.

Laut § 274 Absatz 1 SGB V hat alle fünf Jahre eine Prüfung des Geschäfts-
betriebs des GKV-SV und der KBV durch das BMG zu erfolgen, die die Aspekte
Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit umfasst. Diese Prüfung kann an eine
öffentlich-rechtliche Prüfeinrichtung übertragen werden. Nach § 274 Absatz 4
SGB V prüft der Bundesrechnungshof (BRH) die Haushalts- und Wirtschafts-
führung unter anderem des GKV-SV.

Über den Mietvertrag sowie den anschließenden Kauf der Immobilien der KBV
und dortige Unregelmäßigkeiten wurde Anfang 2013 (OPG 01/2013, 9. Januar
2013, „Von Bilanzen, Sünden, Flurfunk, Slim Fit Jeans: In der KBV liegt einiges
im Argen – Millionenbuchungen gerade gerückt“; SPIEGEL ONLINE, 31. Ja-
nuar 2013, „Kassenärztliche Bundesvereinigung: Ärztelobby streitet über dubi-
ose Millionenbuchung“) berichtet. Danach sei die KBV mit der Deutschen Apo-
theker- und Ärztebank eine Partnerschaft eingegangen: Der Financier habe 2001
die APO Vermietungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH und Co. KG
gegründet. Die KBV habe im Jahr 2005 94,9 Prozent der Kommanditgesell-
schaft und 100 Prozent an der geschäftsführenden GmbH übernehmen sollen,
was jedoch erst 2010 geschehen sei. Die Baukosten (rund 38 Mio. Euro laut
DER SPIEGEL bzw. 40 Mio. Euro laut OPG – Operation Gesundheitswesen Der
gesundheitspolitische Informationsdienst) fielen laut „DER SPIEGEL“ um etwa
4,8 Mio. Euro, laut OPG um etwa 6 Mio. Euro höher aus als geplant. Diese
Mehrkosten habe allein der mithaftende Gesellschafter der Kommanditgesell-

schaft übernommen – die KBV. Wer diesen Transfer bewilligt habe, sei offen.
Eine spätere Wirtschaftsprüfung habe ergeben, dass Darlehensgeschäfte der
KBV nicht, wie vorgeschrieben, beim BMG angemeldet und zu viel gezahlte
Mieten erst Jahre später rückvergütet worden seien. Die Buchhaltung sei als
nicht mehr durchschaubar bewertet worden. In der Konsequenz sei der langjäh-
rige Vorsitzende des Finanzausschusses der KBV, Dr. Hans-Joachim Helmig,

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zurückgetreten. Der stellvertretende Dezernatsleiter (Dezernat 5) sei freigestellt
und später fristlos gekündigt worden.

Der G-BA bezog Anfang 2010 eine neu errichtete Immobilie in Berlin zur
Miete, deren Investor laut Pressemitteilung des G-BA vom 17. September 2008
die APO Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt Berlin KG – eine Gesell-
schaft der Deutschen Apotheker- und Ärztebank – sei.

Am 12. August 2013 berichtete „DER SPIEGEL“ (Sonderabgabe über Luxus-
immobilien) über den geplanten Kauf des gerade vom GKV-SV bezogenen „Pa-
lais am Deutschen Theater“. Der Bundesrechnungshof habe informell gegen
eine Finanzierung über Kredit Vorbehalte angemeldet. Daher solle die Finanzie-
rung nun durch eine Sonderabgabe der gesetzlichen Krankenkassen erfolgen.
Am 15. August 2013 wurde in der Presse (unter anderem Ärzte Zeitung, „Gut-
achter: Mieten könnte billiger sein“) berichtet, dass die Wirtschaftsprüfungs-
gesellschaft PricewaterhouseCoopers AG in einem von der Eigentümerin des
Gebäudes (HG Immobilien Mitte GmbH) in Auftrag gegebenen Gutachten auf-
grund der ihr vorliegenden – gegebenenfalls unvollständigen – Daten und der
Betrachtung eines Zeitraums von 20 Jahren die These aufgestellt habe, dass für
den GKV-SV eine Anmietung günstiger sei als ein Kauf.

Öffentliche Auftraggeber unterliegen der EU-Richtlinie 2004/18/EG über die
Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferauf-
träge und Dienstleistungsaufträge, die unter anderem die Richtlinie 93/37/EWG
ersetzte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Entscheidung des EuGH zur
Vertragsverletzung der Bundesrepublik Deutschland zum Abschluss eines Ver-
trags (Errichtung einer Messeausstellungshalle) ohne ein offenes Vergabever-
fahren zu veranstalten, Az. C-536/07) stellt am 29. Oktober 2009 fest, dass ein
„Mietvertrag“ im Falle öffentlicher Auftraggeber im Sinne des europäischen
Rechts ein Bauauftrag sei, der europaweit ausgeschrieben werden müsse. Der
konkrete Fall betraf die Stadt Köln, die mit einer privaten Investmentgesell-
schaft einen „Mietvertrag“ über zu errichtende Messehallen abgeschlossen
hatte.

Offen ist, ob bzw. in welchem Umfang es in den oben geschilderten Fällen zu
Rechtsverstößen gekommen ist und wie die Wahrnehmung der Aufsichtsfunk-
tion durch das BMG erfolgte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen arbeiten nach Kenntnis der Bundesre-
gierung für

a) den GKV-SV,

b) den G-BA,

c) die KBV?

2. Durch wen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Gebäude

a) des GKV-SV,

b) des G-BA,

c) der KBV (bitte für beide Gebäude getrennt angeben)

finanziert und gebaut?

3. Wann wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Gebäude

a) des GKV-SV,

b) des G-BA,

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c) der KBV (bitte für beide Gebäude getrennt angeben)

bezogen?

4. Wie groß sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Gebäude bzw. die ge-
nutzten Flächen

a) des GKV-SV,

b) des G-BA,

c) der KBV (bitte für beide Gebäude getrennt angeben)?

5. Wie hoch waren bzw. sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Mieten
bzw. der (tatsächliche bzw. vermutliche) Kaufpreis der

a) vom GKV-SV,

b) vom G-BA,

c) von der KBV (bitte für beide Gebäude getrennt angeben)

genutzten Gebäude(teile)?

6. a) Bei welchen der vier Gebäude war bzw. ist nach Kenntnis der Bundes-
regierung ein Mietvertrag mit Kaufoption verabredet worden?

b) Lagen diese Verträge dem BMG vor, und wurden sie von diesem geneh-
migt?
Falls ja, wann?

c) Wurden die (geplanten) Käufe vom BMG genehmigt?
Falls ja, wann, und was waren die Gründe für die Zustimmung?

d) Wurde bei der Entscheidungsfindung des BMG über die Käufe der
Bundesrechnungshof eingebunden?
Falls ja, welche Voten gab er ab?
Falls nein, warum nicht?

e) Wurden andere öffentliche Institutionen, z. B. das Bundesversicherungs-
amt, in die Entscheidungsfindung über die Käufe eingebunden?
Falls ja, welche Voten gaben sie ab?
Falls nein, warum nicht?

7. a) Hätten auf der Basis des Urteils des EuGH vom 29. Oktober 2009 (siehe
S. 2) bei den Mietverträgen mit und ohne Kaufoption durch die öffent-
lichen Auftraggeber (siehe § 98 Nummer 3 GWB) nicht europaweite Aus-
schreibungen erfolgen müssen?
Falls nein, warum nicht (bitte jeweils separat begründen)?

b) Erfolgte nach Kenntnis der Bundesregierung beim zweiten Gebäude der
KBV eine europaweite Ausschreibung?
Falls nein, warum nicht?

8. a) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die KBV die im Ver-
gleich zur Planung zusätzlichen 4,8 Mio. Euro als mithaftende Gesell-
schafterin der Kommanditgesellschaft allein übernahm?
Falls ja, warum beteiligten sich die anderen Gesellschafter nicht?
Falls ja, war dies dem BMG vor der Übernahme dieser Kosten bekannt,
und wurde dies durch das BMG genehmigt?
Ist dem BMG bekannt, durch wen diese Entscheidung getroffen und durch
wen sie ausgeführt wurde?

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b) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die KBV 94,9 Pro-
zent der Anteile an der Kommanditgesellschaft und 100 Prozent der An-
teile an der geschäftsführenden GmbH 2005 laut Vertrag übernehmen
sollte, dies aber erst 2010 erfolgte?
Falls ja, seit wann war dies dem BMG bekannt, und erfolgte diese Ver-
zögerung mit dem Einverständnis des BMG?

c) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die KBV der Ver-
mietungsgesellschaft ein Darlehen gewährte und im Gegenzug die Miete
verringert wurde, dieses Vorgehen jedoch nicht gegenüber dem BMG
angemeldet und von diesem genehmigt wurde?
Falls ja, um wie viele Millionen Euro handelte es sich (maximal) dabei?

d) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass für Teile des in
Frage 8c angeführten Vorganges Vorstandsbeschlüsse fehlen?
Falls ja, welche, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen
zieht die Bundesregierung aus dieser Tatsache?

e) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Mietüberzahlun-
gen infolge des in Frage 8c angeführten Vorganges in den Jahren 2005
bis 2010 von der KBV nicht bilanziert wurden?

9. Hat das BMG inzwischen die Prüfung des in Frage 8c angeführten Vorgan-
ges abgeschlossen?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum noch nicht?

10. a) Zu welchen Zeitpunkten hat das BMG selbst den Geschäftsbetrieb
aa) des GKV-SV (ab Gründung) und
bb) der KBV (in den letzten 15 Jahren)
auf Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft, bzw. an wen hat
es dies delegiert (siehe § 274 SGB V)?

b) Gab es Kritik an der Geschäftsführung?
Falls ja, welche Empfehlungen wurden ausgesprochen, und wurden
diese inzwischen umgesetzt?

c) Trifft es zu, dass das Bundesversicherungsamt (BVA) Ende 2010 der
KBV ein Controlling empfohlen hat und aufgrund der Prüfung von der
KBV 14 Fehler behoben wurden?
Falls ja, welche Fehler waren dies?

d) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die KBV in der
Folge ein internes Kontrollsystem etabliert hat und die externe Überprü-
fung der Jahresabschlüsse sowohl der KBV selbst als auch aller Gesell-
schaften der KBV neu geregelt wurde?
Falls ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bun-
desregierung daraus?

11. Erstreckt sich die Prüfung des BVA auch auf alle (möglichen) Gesellschaf-
ten in Trägerschaft der öffentlich-rechtlichen Körperschaften GKV-SV und
KBV?
Falls ja, welche Gesellschaften wurden überprüft, und gab es Kritik an den
dortigen Geschäftsführungen?
Falls ja, welche?
Falls nein, welche Gesellschaften in der Trägerschaft des GKV-SV und der
KBV bestehen?

Falls nein, warum ist eine solche Überprüfung nicht vorgesehen, und sieht
die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14639

12. Erstreckt sich die Prüfung des BVA auch auf (mögliche) Gesellschaften, an
denen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften GKV-SV und KBV betei-
ligt sind?
Falls ja, welche Gesellschaften wurden überprüft, und gab es Kritik an der
dortigen Geschäftsführung?
Falls ja, welche?
Falls nein, warum ist eine solche Überprüfung nicht vorgesehen, und sieht
die Bundesregierung hier Handlungsbedarf (etwa aufgrund der Verflech-
tungen der KBV mit der APO Vermietungsgesellschaft, die die Möglichkeit
von Insichgeschäften boten)?

13. Ist es aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll, in § 274 SGB V auch eine
regelmäßige Überprüfung der Geschäfte des G-BA vorzusehen?
Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 26. August 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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