BT-Drucksache 17/14523

Einladungen und medizinische Behandlung afghanischer Politiker und Milizenführer in Deutschland

Vom 2. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14523
17. Wahlperiode 02. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke,
Annette Groth, Heike Hänsel, Niema Movassat, Kathrin Vogler und der
Fraktion DIE LINKE.

Einladungen und medizinische Behandlung afghanischer Politiker und
Milizenführer in Deutschland

Am 14. Juni 2013 berichtete die „tageszeitung“ unter dem Titel „Gekaufte
Freundschaft“ (www.taz.de/!118086/) über mehrere Deutschlandaufenthalte des
afghanischen Vizepräsidenten, ehemaligen Verteidigungsministers und Milizen-
führers Mohammed Qasim Fahim, bei denen er sich u. a. „auf Staatskosten“ im
Bundeswehrkrankenhaus Berlin untersuchen habe lassen und sich „ein Pferd in
Brandenburg aussuchen durfte“, das anschließend die Bundeswehr für ihn nach
Afghanistan transportiert habe. Reinhard Erös, Gründungsmitglied und Leiter
der Kinderhilfe Afghanistan und selbst ehemaliger Bundeswehrangehöriger
kommentierte diese Vorgänge gegenüber der „tageszeitung“ mit den Worten:
„Dann zahlen wir mit Steuergeldern die Behandlung eines der größten Kriegs-
verbrecher in Afghanistan.“ Tatsächlich werden Mohammed Qasim Fahim
sowohl von Seiten der UN als auch von Human Rights Watch (HRW) schwere
Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, insbesondere in der Zeit, als
Mohammed Qasim Fahim 1993 unter Ahmad Schah Massoud am Angriff auf
Kabul beteiligt war (HRW (2005): Blood-Stained Hands – Past Atrocities in
Kabul and Afghanistan’s Legacy of Impunity). Laut „tageszeitung“ habe eine
ihm unterstellte Einheit zuvor „exklusiv die Verhöre und Folter“ politischer
Gegner organisiert. Auch unter der Regierung Hamid Karzai seit 2001 wurde
ihm vorgeworfen, ein kriminelles Netzwerk zu unterhalten, das u. a. für
Waffen- und Drogenhandel, Banküberfälle und Entführungen verantwortlich
ist (http://uk.reuters.com/article/2009/05/04/uk-afghanistan-election-fahim-sb-
idUKTRE54340020090504).

Darüber hinaus berichtet die „tageszeitung“ über weitere Milizenführer und
„Warlords“, darunter Sia Massud, Raschid Dostum und Mohammad Mohaqeq,
die zu medizinischen Behandlungen oder Konferenzen nach Deutschland ein-
geladen wurden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass sich Mohammed
Qasim Fahim, Sia Massud, Raschid Dostum und Mohammad Mohaqeq nach
dem Beginn des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan in Deutschland auf-
gehalten haben, und zu welchem Zweck wurde ihnen über welche Zeiträume
jeweils die Einreise gestattet?

Drucksache 17/14523 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Welche weiteren hochrangigen Mitglieder der afghanischen Regierung, der
Afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) und des afghanischen Geheim-
dienstes haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2002 über wel-
che Zeiträume in Deutschland aufgehalten (bitte mit Angabe ihrer Funktion
und des Zwecks ihres Aufenthalts, soweit bekannt)?

3. Welche weiteren Personen, die nach Kenntnis der Bundesregierung leitende
Funktionen in bewaffneten afghanischen Gruppen einnehmen, haben sich
nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2002 über welche Zeiträume in
Deutschland aufgehalten (bitte mit Angabe ihrer Funktion und des Zwecks
ihres Aufenthalts, soweit bekannt)?

4. Welche dieser Personen (Fragen 1 bis 3) hielten sich seit 2002 wann auf
Einladung der Bundesregierung in Deutschland auf?

5. Welche dieser Personen (Fragen 1 bis 3) ließen sich während ihres Aufent-
halts in Bundeswehrkrankenhäusern behandeln oder untersuchen?

6. Für welche dieser Personen (Fragen 1 bis 3) wurden die Reisekosten aus
Mitteln des Bundeshaushalts übernommen oder bezuschusst (bitte unter
Angabe des jeweiligen Haushaltstitels)?

7. Welche dieser Personen (Fragen 1 bis 3) wurden in Flugzeugen der
Bundeswehr oder in im Auftrag der Bundeswehr verkehrenden Flugzeugen
nach Deutschland gebracht?

8. Für welche dieser Personen (Fragen 1 bis 3) wurden Behandlungskosten
aus Mitteln des Bundeshaushalts übernommen oder den Behandelten nicht
in Rechnung gestellt?

9. Welche dieser Personen (Fragen 1 bis 3) erhielten nach Kenntnis der
Bundesregierung Geschenke aus Mitteln des Bundeshaushalts bzw. von der
Bundeswehr?

10. Welche dieser Personen (Fragen 1 bis 3) erhielten nach Kenntnis der
Bundesregierung Personenschutz durch Sicherheitskräfte des Bundes oder
der Länder?

11. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mohammed Qasim Fahim
von Vertretern der Bundesregierung bzw. der Bundeswehr ein Pferd oder
dessen Transport nach Afghanistan angeboten wurde?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Vorgang, bei dem
Mohammed Qasim Fahim angeboten wurde, ein Pferd nach Afghanistan zu
transportieren?

13. Welche Schlussfolgerungen oder Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Tatsache, dass die Unabhängige Afghanische Menschenrechts-
kommission (AIHRC) Mohammed Qasim Fahim Verbrechen gegen die
Menschlichkeit vorwirft und Human Rights Watch ihn als Kriegsverbrecher
bezeichnet?

14. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich Raschid Dostum in
Deutschland medizinisch-psychologisch behandeln ließ, und welche Kennt-
nis hat die Bundesregierung darüber, von wem die Kosten dieser Behand-
lung getragen wurden?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Behandlung von Mit-
arbeitern der syrischen Sicherheitskräfte und Geheimdienste in Kranken-
häusern in Deutschland und insbesondere über eine medizinische Behand-
lung von Hisham Ikhtiyar und Ali Mamluk in Bundeswehrkrankenhäusern?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14523

16. Welche Mitarbeiter der syrischen Sicherheitskräfte und Geheimdienste er-
hielten nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren
während ihres Aufenthalts Personenschutz durch Sicherheitskräfte des
Bundes oder der Länder?

17. Zu welchen der genannten Personen sind der Bundesregierung Hinweise
bekannt, dass sie schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt wer-
den?

18. Welche Rolle spielen mutmaßlich durch diese begangene Menschenrechts-
verletzungen bei der Entscheidung der Bundesregierung, Politiker und
Milizenführer aus Afghanistan nach Deutschland einzuladen oder in
Deutschland behandeln zu lassen?

19. Welche Rolle spielen sicherheitspolitische Ziele bei der Pflege der Be-
ziehungen zu Politikern und Milizenführer aus Afghanistan und bei der
Entscheidung der Bundesregierung, Politiker und Milizenführer aus
Afghanistan nach Deutschland einzuladen oder in Deutschland behandeln
zu lassen?

Berlin, den 31. Juli 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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