BT-Drucksache 17/14517

Möglicher Börsengang der Urananreicherungsfirma URENCO

Vom 2. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14517
17. Wahlperiode 02. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Kathrin Vogler, Eva Bulling-Schröter,
Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Ralph Lenkert, Niema Movassat,
Sabine Stüber, Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Möglicher Börsengang der Urananreicherungsfirma URENCO

In den Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen auf Bundes-
tagsdrucksachen 17/12142 sowie 17/12364 hatte die Bundesregierung noch
recht vage zum Verkaufsprozess bei der Urananreicherungsfirma URENCO
Stellung genommen. Doch nun scheinen die Pläne zur Privatisierung der
URENCO konkreter zu werden.

Die URENCO befindet sich derzeit zu jeweils einem Drittel im Besitz des briti-
schen und des niederländischen Staates sowie der deutschen Energieversorger
RWE AG und E.ON SE. Die Bundesregierung besitzt durch die Staatsverträge
von Almelo, Washington und Cardiff weitgehende Mitwirkungs- und Veto-
rechte bei URENCO, weil die Urananreicherung gerade unter militärischen Ge-
sichtspunkten zu den politisch heikelsten Wirtschaftsaktivitäten auf dem Boden
der Bundesrepublik Deutschland zählen.

Am 3. Mai 2013 kündigte E.ON-Chef Johannes Teyssen auf der E.ON Haupt-
versammlung in Essen ein „offenes Bieterverfahren“ für den Verkauf der
URENCO-Anteile an. Am 23. Mai 2013 konkretisierte der niederländische
Finanzminister Jeroen Dijsselbloem in einem Brief an das niederländische
Parlament, dass die Regierungen in Berlin, Den Haag und London neben
einem Direktverkauf auch einen Börsengang zur Veräußerung der URENCO-
Anteile vorbereiten, um einen „maximalen“ Verkaufspreis zu erzielen (vgl.
www.government.nl/documents-and-publications/parliamentary-documents/
2013/05/23/intended-sale-of-shares-in-urenco.html). Zur gleichen Zeit fanden
in Kleve die deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen statt.

In seinem Brief an das niederländische Parlament benennt der niederländische
Finanzminister Jeroen Dijsselbloem in zehn konkreten Punkten zukünftige
Kontrollrechte, welche bei einer Privatisierung der URENCO in staatlicher
Hand, also bei den Regierungen von Deutschland, Großbritannien und der Nie-
derlande, verbleiben müssten.

Am 29. Mai 2013 erklärte Michael Geßner aus dem Wirtschaftsministerium des
Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) im „Deutschland-Radio“, dass nicht aus-
zuschließen sei, dass auch Hedgefonds und Pensionsfonds URENCO-Anteile
erwerben könnten. Am 19. Juni 2013 meldete der WDR: „Gegen eine bedin-

gungslose Privatisierung der Urananreicherungsanlage in Gronau (Kreis
Borken) hat sich NRW-Wirtschafts- und Energieminister Garrelt Duin (SPD)
ausgesprochen. Einen Verkauf an einen Hedgefonds könne er sich „nicht vor-
stellen“, sagte Duin am Dienstagabend (18. Juni 2013) vor Journalisten in Düs-
seldorf. Nach seinen Angaben würden derartige Pläne auch nicht mehr weiter-
verfolgt.“

Drucksache 17/14517 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen aktuellen Informationsstand hat die Bundesregierung zu den Ver-
kaufsplänen der jetzigen URENCO-Eigentümer?

2. Wann haben sich Vertreter der Bundesregierung in diesem Jahr mit Vertre-
tern bzw. Beauftragten der URENCO-Eigentümer sowie mit der NRW-
Landesregierung getroffen, um über den URENCO-Verkauf zu sprechen
(bitte nach jeweiligem Datum und Teilnehmerkreis aufschlüsseln)?

3. Mit welchem Ergebnis fanden diese Besprechungen jeweils statt?

4. Erfolgte zum geplanten Verkauf der URENCO-Anteile zwischen den betei-
ligten Regierungen bereits ein Austausch von diplomatischen Noten, Ab-
sichtserklärungen o. Ä.?

5. Wurde im Rahmen der deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen
in Kleve im Mai 2013 über den Verkauf der URENCO-Anteile gesprochen?

Wenn ja, auf welcher Ebene der Delegationen, und mit welchen Ergebnis-
sen?

6. Unterstützt die Bundesregierung die vom niederländischen Finanzminister
Jeroen Dijsselbloem in seinem Schreiben an das niederländische Parlament
skizzierten Kontrollrechte, die bei Privatisierung der URENCO unbedingt
bei den Regierungen von Deutschland, Großbritannien und der Niederlande
verbleiben müssten (bitte Punkt für Punkt einzeln begründen)?

7. Hält die Bundesregierung die Kontrollbefugnisse – insbesondere mit
Blick auf eine strikte Nichtweiterverbreitung der Urananreicherungstech-
nologie – für durchsetzbar, wenn keine der beteiligten Regierungen mehr
Anteile an URENCO hält oder nur noch über eine Minderheitenbeteiligung
verfügt (bitte begründen)?

8. Worauf bezieht sich Jeroen Dijsselbloem nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in seinem Brief konkret mit der folgenden Aussage (eigene Über-
setzung aus dem Englischen): „Die Niederlande, die britische Regierung
und Deutschland sind geschäftig/fleißig daran, eine Struktur zu entwerfen,
die es ermöglicht, die gegenseitigen Wünsche bei der Ausübung dieser
Kontrollrechte zu erfüllen. Mitgliedsstaaten des Vertrags von Almelo wer-
den Umsetzungsvereinbarungen abschließen, um die Koordination bei der
Ausübung dieser Rechte sicherzustellen.“?

9. Auf welche Weise beteiligt sich die Bundesregierung „geschäftig/fleißig“
daran, eine neue „Struktur“ sowie „Umsetzungsvereinbarungen“ zur Zu-
kunft der URENCO-Aktivitäten zu entwerfen (bitte nach beteiligten Minis-
terien, Ministeriumsabteilungen, Bundes- und Landesbehörden, Daten von
Arbeitstreffen aufschlüsseln)?

10. Welche Vereinbarungen zu der angesprochenen neuen „Struktur“ und den
„Umsetzungsvereinbarungen“ in Bezug auf die Zukunft von URENCO
wurden bereits zwischen den Niederlanden, Großbritannien und Deutsch-
land getroffen?

11. Warum hat die Bundesregierung den Deutschen Bundestag bislang nicht
ähnlich offen wie der niederländische Finanzminister über die eigenen
Aktivitäten im Zusammenhang mit der Veränderung der Eigentümer-Struk-
tur bei URENCO informiert?

12. Gab es auch mit den Regierungen von Großbritannien, Frankreich oder den
USA Kontakte auf Regierungsebene zum geplanten Verkauf der URENCO-
Anteile?
Wenn ja, wann, zwischen wem konkret, und mit welchem Ergebnis?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14517

13. Welche Rolle spielt die Firma ETC (Enrichment Technology Company)
und ihr Know-how bei der Urananreicherungs-Zentrifugenentwicklung
und -herstellung, an der URENCO und AREVA mit jeweils 50 Prozent
beteiligt sind, bei den derzeitigen Überlegungen zur Änderung der Eigen-
tümerstruktur bei URENCO?

14. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus einem möglichen Börsengang der URENCO, insbesondere vor dem Hin-
tergrund der strikten Nichtweiterverbreitung von Atomwaffentechnologie?

15. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der möglichen Beteiligung von Hedgefonds, Pensionsfonds und Invest-
mentfonds am Urananreicherer URENCO?

16. Stimmt die Bundesregierung dem Wirtschaftsminister des Bundeslandes
Nordrhein-Westfalen Garrelt Duin zu, dass eine Veräußerung von
URENCO-Anteilen an Hedgefonds „nicht vorstellbar“ ist?

17. Wie will die Bundesregierung bei einem möglichen Börsengang von
URENCO die Beteiligung von Pensionsfonds, Hedgefonds, Strohfirmen
oder politisch unerwünschten Dritten ausschließen?

18. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass jeglicher Verkauf von
URENCO-Anteilen an Dritte eine Weiterverbreitung der Urananreiche-
rungstechnologie darstellt und daher gegen die bisherige Politik der strik-
ten Nichtweiterverbreitung verstößt?

19. Welche Bedenken in Bezug auf den Verkauf von URENCO-Anteilen hat
die Bundesregierung bisher gegenüber den bisherigen Anteilseignern vor-
gebracht?

20. Sind der Bundesregierung bislang zum Verkauf der URENCO-Anteile von
irgendeiner Seite oder irgendeinem Staat Bedenken vorgebracht oder
bekannt gemacht worden?

Wenn ja, von wem, und worauf bezogen sich diese Bedenken?

21. Welche rechtlichen und politischen Probleme ergäben sich in Bezug auf
den jetzigen Rechtsrahmen für URENCO, wenn Firmen, Einzelpersonen
oder Staaten, die nicht in der EU angesiedelt sind, Anteile an URENCO
erwerben würden?

22. Wann und mit welchen Ergebnissen hat der im Vertrag von Almelo fest-
gelegte Gemeinsame Ausschuss im Jahr 2013 konkret getagt?

23. Ist nach derzeitigem Stand im Rahmen der URENCO-Privatisierung ein
neuer Staatsvertrag zu URENCO angedacht?

24. Wird die Bundesregierung die Zustimmung des Deutschen Bundestages
einholen, bevor sie einer Änderung der Eigentümer-Struktur bei URENCO
oder einem neuen Staatsvertrag bzw. „Umsetzungsvereinbarungen“ zur
Regelung der staatlichen Aufsicht der URENCO-Aktivitäten zustimmt?

25. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass ihre Antworten auf
die Kleine Anfrage „Unbefristete Lagerung von abgereichertem Uran an
der URENCO-Anreicherungsanlage Gronau“ auf Bundestagsdrucksache
17/13598 zu Frage 20, dass das „abgereicherte Uran bei URENCO in
Form von U3U8 (…) ein Wertstoff und damit nicht für die Endlagerung
vorgesehen“ sei, und zu Frage 6, dass für die Dauer der Zwischenlagerung
bei der URENCO-Anlage in Gronau eine „mögliche(n) Verbringung des
abgereicherten Uranoxids in dieses Endlager angenommen“ wurde, wider-
sprüchlich sind?

Berlin, den 2. August 2013
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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