BT-Drucksache 17/14494

Rüstungsexport nach Saudi-Arabien - zunächst verweigerte Zulieferung von deutschen Komponenten nach Frankreich zum Weiterexport nach Saudi-Arabien

Vom 2. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14494
17. Wahlperiode 02. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke, Annette
Groth, Andrej Hunko, Stefan Liebich, Niema Movassat, Kathrin Vogler und der
Fraktion DIE LINKE.

Rüstungsexport nach Saudi-Arabien – zunächst verweigerte Zulieferung von
deutschen Komponenten nach Frankreich zum Weiterexport nach Saudi-Arabien

Saudi-Arabien ist einer der besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie.
Allein im Jahr 2012 genehmigte die Bundesregierung den Export von Kriegs-
waffen und sonstigen Rüstungsgütern im Wert von 1,237 Mrd. Euro (Antwort
auf die Schriftliche Frage 33 des Abgeordneten Jan van Aken auf Bundestags-
drucksache 17/12440). In früheren Jahren wurde bereits u. a. der Export von
Fertigungsunterlagen und Spezialmaschinen für eine Fabrik zum Bau des
Sturmgewehres G36 genehmigt. Dieses stellt die Golfmonarchie nun in Lizenz
her. Darüber hinaus beschied die Bundesregierung eine Voranfrage zur Liefe-
rung von 270 Kampfpanzern des Typs Leopard 2A7+ positiv, der insbesondere
zur Niederschlagung von inneren Unruhen und Rebellionen geeignet ist. Bei all
diesen Entscheidungen spielte die katastrophale Menschenrechtslage in Saudi-
Arabien offensichtlich keine Rolle. Und dies obwohl die Bundesregierung selbst
dem Land in ihrem aktuellen Menschenrechtsbericht eine verheerende Men-
schenrechtsbilanz attestiert: „Die Todesstrafe (wurde) 2011 mindestens 73 Mal
und 2010 mindestens 37 Mal vollstreckt. Körperstrafen wie z. B. das Aus-
peitschen werden regelmäßig vollzogen. Dissidenten werden inhaftiert, Geständ-
nisse erzwungen. Frauen werden wesentliche Menschenrechte vorenthalten,
minderjährige Mädchen zwangsverheiratet. Freie Meinungsäußerung ist nur
teilweise möglich. Die Religionsausübung ist für nicht-muslimische Religionen
verboten, die schiitische Minderheit im Osten des Landes wird diskriminiert.“
(Zehnter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik, Bun-
destagsdrucksache 17/11250).

Saudi-Arabien beauftragte in den Jahren 2011 und 2012 die französischen Rüs-
tungskonzerne Nexter und Lohr-Soframe mit der Lieferung von 264 gepanzer-
ten Fahrzeugen des Typs Aravis und 68 gepanzerten Fahrzeugen MPCV. Beide
Fahrzeuge basieren auf dem Unimog-5000-Chassis der deutschen Daimler AG.
2012 stellte Daimler einen Ausfuhrantrag für die Chassis nach Frankreich. Nach
Darstellung des französischen Onlinemagazins „Boursier“ vom 24. Dezember
2012 (www.boursier.com/actualites/news/defense-berlin-bloquerait-deux-contrats-
francais-avec-l-arabie-saoudite-512190.html?sitemap) verweigerte die Bundes-

regierung jedoch die Exportgenehmigung „aus humanitären Gründen“ im Hin-
blick auf die „autokratische Regierung“ in Saudi-Arabien.

Die Angelegenheit führte zu Nachfragen in der französischen Nationalver-
sammlung (http://questions.assemblee-nationale.fr/q14/14-15395QE.htm) und
zu einer gemeinsamen schriftlichen Intervention des Vorsitzenden des Außen-
und Verteidigungsausschusses des Senats, Jean-Louis Carrere, und der Vorsit-
zenden des Verteidigungsausschusses der Nationalversammlung, Patricia Adam,

Drucksache 17/14494 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

in Berlin (Brief von Jean-Louis Carrere und Patricia Adam an die Vorsitzende
des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, die Abgeordnete
Susanne Kastner vom 19. Dezember 2012). Ebenso war die verweigerte Geneh-
migung, Gegenstand eines Gespräches, das der Staatssekretär im Bundesminis-
terium der Verteidigung, Stéphane Beemelmans, im Dezember 2012 in Paris mit
französischen Verteidigungspolitikern führte.

Einem Artikel von „Les Echos“ vom 1. März 2013 zufolge haben die französi-
schen Interventionen Früchte getragen (www.lesechos.fr/01/03/2013/LesEchos/
21387-082-ECH_armement---nexter-a-engrange-des-prises-de-commandes-
record-a-l-international-en-2012.htm?texte=arabie%20saoudite%20armement).
Die Bundesregierung genehmigte schließlich die Zulieferungen nach Frank-
reich.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft es zu, dass im Jahr 2012 ein Antrag bzw. mehrere Anträge auf Export-
genehmigung für die Lieferung von Chassis für die französischen gepanzer-
ten Fahrzeuge der Typen Aravis bzw. MPCV, die nach Saudi-Arabien gelie-
fert werden sollten, bei der Bundesregierung bzw. bei ihr unterstellten
Behörden eingegangen ist/sind (bitte unter Angabe der Stückzahl und ggf.
der Spezifikation)?

2. Trifft es zu, dass die Bundesregierung bzw. ihr unterstellte Behörden im ver-
gangenen Jahr eine Exportgenehmigung bzw. mehrere Exportgenehmigun-
gen für diesen Export bzw. diese Exporte verweigert hat?

3. Welche Stellen waren mit der Genehmigung/den Genehmigungen befasst,
und welche hat sie schließlich aus welchen konkreten Gründen versagt (bitte
im Wortlaut)?

4. Für den Fall, dass eine endgültige Ablehnung der Genehmigung/Genehmi-
gungen nicht erfolgte, welche Ursache hatte die verzögerte Bearbeitung des
Exportantrages/der Exportanträge?

5. Trifft es zu, dass die Bundesregierung diese Verweigerung/die Verzögerung
des Exportantrages/der Exportanträge mit humanitären Bedenken angesichts
des Charakters des saudischen Staates begründet hat?

6. Sofern die Bundesregierung Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtslage
in Saudi-Arabien hatte, in welchen politischen bzw. menschenrechtspoliti-
schen Punkten unterschied sich das französische Exportvorhaben von denen
deutscher Rüstungskonzerne, denen die Bundesregierung im gleichen Jahr
Genehmigungen zum Export von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erteilt
hat?

7. Existierten Bedenken hinsichtlich der saudischen Menschenrechtslage, die
auf ganz konkrete Menschenrechtsverletzungen (Folterungen, Tötungen,
Verhaftungen, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts etc.) zurückgin-
gen und zum damaligen Zeitpunkt gegen eine Exportgenehmigung sprachen
(bitte nach konkretem Vorfall, Zeitpunkt und Quelle angeben)?

8. Hat sich aus Sicht der Bundesregierung die Menschenrechtslage in Saudi-
Arabien, die die Bundesregierung nach eigenen Angaben „sorgfältig“ beob-
achtet (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. „Deutsche Waffenexporte in den Nahen Osten und Nord-
afrika“, Bundestagsdrucksache 17/5007) zwischen Mitte 2012 bis März 2013
geändert, und wenn ja, wie?

9. Trifft es zu, dass der Staatssekretär Stéphane Beemelmans im Dezember

2012 in Paris Bedenken der Opposition im Deutschen Bundestag als Verwei-
gerungs- bzw. Verzögerungsgrund anführte?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14494

10. Welche durchschnittliche Bearbeitungszeit haben Anträge auf Exportge-
nehmigungen für Rüstungsgüter nach Frankreich, die schließlich reexpor-
tiert werden sollen, und wie war die Bearbeitungszeit im vorliegenden Fall?

11. Welche Entwicklungen der deutschen Rüstungsindustrie entsprechen dem
Typ Aravis von Nexter, welche dem MPCV von Lohr-Soframe?

Und wurden für diese deutschen Produkte in den vergangenen Jahren Ex-
portgenehmigungen für eine Lieferung nach Saudi-Arabien beantragt?

12. Wann hat die Bundesregierung schließlich den Export von Chassis für die
französischen gepanzerten Fahrzeuge mit dem Endverbleib Saudi-Arabien
mit welchem Wert genehmigt, und welche Gründe waren nun hierfür aus-
schlaggebend?

13. Von welcher Stelle (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie,
Staatssekretärsrunde der beteiligten Bundesministerien, Bundesminister)
erging schließlich die Weisung an das Bundesamt für Wirtschaft und Aus-
fuhrkontrolle, den Export/die Exporte zu genehmigen?

14. Die Lieferung welcher weiteren Komponenten neben dem Chassis für die
besagten französischen Fahrzeuge hat die Bundesregierung genehmigt?

Berlin, den 2. August 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.