BT-Drucksache 17/14477

Sachstand zum Konzept der finanziellen Anlagemöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern beim Stromnetzausbau

Vom 1. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14477
17. Wahlperiode 01. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Gerhard Schick, Nicole Maisch, Bärbel
Höhn, Harald Ebner, Hans-Josef Fell, Stephan Kühn, Friedrich Ostendorff,
Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel, Daniela Wagner, Dr. Valerie
Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sachstand zum Konzept der finanziellen Anlagemöglichkeiten von Bürgerinnen
und Bürgern beim Stromnetzausbau

Anfang Juli 2013 haben der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit Peter Altmaier und sein Kabinettskollege – der Bundesminis-
ter für Wirtschaft und Technologie Dr. Philipp Rösler – zusammen mit den vier
Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) ein Eckpunktepapier zur finanziellen Betei-
ligung der Bürgerinnen und Bürger am Netzausbau auf Übertragungsnetzebene
vorgestellt (Pressemitteilung vom 5. Juli 2013 auf www.bmu.de). Bereits im
September 2012 hatte Bundesumweltminister Peter Altmaier ein ähnliches
Papier veröffentlicht. Demnach haben die Menschen mit einer sogenannten Bür-
gerdividende die Möglichkeit, sich mit ihrem Kapital zu einem festen Zinssatz
am Stromleitungsausbau zu beteiligen. Die Anteile sollen dabei vorrangig den
Eigentümern von Grundstücken oder den Bewohnern von Gemeinden angebo-
ten werden, die vom Netzausbau betroffen sind. Aber auch der Allgemeinheit
soll eine Beteiligung offenstehen.

Die rot-grüne Landesregierung Schleswig-Holstein hat ein Modell einer finan-
ziellen Beteiligung an Stromleitungen vor wenigen Wochen an der Westküsten-
leitung gestartet und erste Erfahrungen damit sammeln können (Pressemittei-
lung vom 30. Januar 2013 auf www.schleswig-holstein.de).

Vonseiten der Bundesregierung gab es jedoch bis auf zwei öffentlichkeitswirk-
same Auftritte, wo Eckpunktepapiere verteilt wurden, und nach Auffassung der
Fragesteller einer unzureichend beantworteten Kleinen Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/11626) bisher keine
weitergehenden und konkreten Informationen zur Ausgestaltung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Schritte sind für die Implementierung der „Bürgerdivi-
dende“ beim Netzausbau vorgesehen?

2. Die Änderung welcher Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen etc.) ist
hierfür erforderlich, und welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung hier-
bei?

3. In welchem Rechtsverhältnis werden die Anteilseigner durch den Ankauf
von Anteilen zum Netzbetreiber stehen?

Drucksache 17/14477 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Anleihe der Firma
TenneT TSO GmbH von der Ratingagentur Standard & Poor’s mit der Note
BB+ und damit als hochspekulativ eingestuft wird (FAZ vom 21. Juli 2013),
und inwiefern berücksichtigt sie dies bei der Ausgestaltung der Anleihe
nach dem Modell der Bundesregierung?

5. Zu welchem Ergebnis kam das vom Bundesumweltministerium in Auftrag
gegebene Gutachten zur „Bürgerdividende“ bei PriceWaterhouseCoopers
(PWC), und sind diese Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich?

Falls nein, aus welchem Grund ist dies nicht der Fall?

6. Welche Beteiligungsform (Aktiengesellschaft, Genossenschaft, GmbH etc.)
für Bürgerinnen und Bürger möchte die Bundesregierung durch die „Bür-
gerdividende“ ermöglichen?

7. Wie will die Bundesregierung Kleinanleger im Insolvenzfall des ÜNB kon-
kret schützen?

8. Wird die Bundesregierung die Möglichkeit ausschließen, dass der Emittent
die Anleihen etwa bei einer Zinsanpassung kündigen kann, und mit welcher
Begründung?

9. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Verzinsung der „Bürger-
dividende“ vom zentral von der Bundesnetzagentur festgelegten regulierten
Eigenkapitalsatz für Netzbetreiber abhängig gemacht wird, und wenn nicht,
wie bewertet sie die Möglichkeit, dass sich dadurch der politische Wider-
stand gegen eine möglicherweise angemessene Senkung der regulatorischen
Eigenkapitalverzinsung erhöhen könnte, wodurch sich nach Auffassung der
Fragesteller eine Bevorzugung der Netzbetreiber auf Kosten der Stromkun-
den in Deutschland ergeben würde?

10. Wird die Bundesregierung sich für eine feste Laufzeit der Anleihen ausspre-
chen, vor dem Hintergrund, dass derzeit nach Auffassung der Fragesteller
völlig unklar ist, wann der Übertragungsnetzbetreiber die Anleihen auszah-
len wird, da sie unbefristet laufen sollen?

11. Welche konkreten Finanzierungsinstrumente als Anlageform wurden der
Bundesregierung von Seiten der ÜNB vorgeschlagen, und welches dieser
Modelle sieht die Bundesregierung am Geeignetsten zur Umsetzung an?

12. Wie viele Haushalte haben nach Informationen der Bundesregierung bisher
Zeichnungsunterlagen für die Westküstenleitung in Schleswig-Holstein an-
gefordert?

13. Sollen Bürgerinnen und Bürger neben der rein finanziellen Beteiligung am
Netzausbau über die Beteiligung auch Einfluss auf die Unternehmen und
Projekte des Netzausbaus ausüben können, und wenn ja, wie soll dies mög-
lich sein, und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

14. Für welche Bevölkerungsgruppe hält die Bundesregierung den Erwerb einer
Anleihe an einer Stromtrasse vor dem Hintergrund eines nach Auffassung
der Fragesteller hohen Risikos und damit der Notwendigkeit, dass aus Grün-
den der Risikostreuung nur ein kleiner Anteil des Vermögens in ein solches
Finanzprodukt gehen sollte, für ökonomisch sinnvoll, und wie hoch ist der
Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung?

15. Von welchem Gesamtvolumen geht die Bundesregierung bei der Implemen-
tierung einer „Bürgerdividende“ beim Netzausbau aus?

16. Mit welcher Rendite für die Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung am Netz-
ausbau rechnet die Bundesregierung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14477

17. Wie soll diese Rendite in Relation zu den von der Bundesnetzagentur fest-
gelegten Renditen für die Betreiber von Übertragungs- und Verteilnetzen
stehen?

18. Welche Überlegungen gibt es innerhalb der Bundesregierung über die
Kostenaufteilung der finanziellen Anlagemöglichkeiten im Rahmen der
Anreiz- und Netzentgeltregulierung für Industrie und Privatpersonen (hier
insbesondere, nach welchen Kriterien es [Teil-]Befreiungen für einzelne
Akteure geben soll), von der in der Protokollerklärung im gemeinsamen
Papier zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(BMWi), des Bundesministeriums für Umweltschutz, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (BMU) und des Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) ge-
sprochen wird?

19. Woher stammt die im gemeinsamen Papier mit dem BMWi und den ÜNB
genannte Zahl von bis zu 1 000 Euro als Mindesteinlage vor dem Hinter-
grund, dass nach Auffassung der Fragesteller finanzschwächeren Anwohne-
rinnen und Anwohnern damit der Zugang zu finanziellen Beteiligungsmög-
lichkeiten erschwert wird, und wie bewertet die Bundesregierung dies?

20. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „private Anlegerinnen und
Anleger, die in betroffenen Landkreisen wohnen oder an Grundstückseigen-
tümer, die von dem konkreten Leitungsbauvorhaben betroffen sind“, von
dem im genannten gemeinsamen Papier, in den Fragen 18 und 19, gespro-
chen wird?

21. Wie sollen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger als Anteilseigner konkret
geschützt und die Risiken minimiert werden?

22. Welche konkreten Risiken tragen die Bürger bzw. Anteilseigner etwa bei
Leitungsausbauverzögerungen oder Schadensfällen?

23. Welche Unterschiede (bitte einzeln aufschlüsseln) gibt es zwischen dem
Modell der TenneT TSO GmbH an der Westküstenleitung in Schleswig-
Holstein und dem Modell von Bundesumweltminister Peter Altmaier, wor-
auf er im „Deutschlandfunk“ am 22. Juli 2013 hinwies?

24. Wie will die Bundesregierung der Kritik entgegnen, wonach die Bürger-
dividende der Bundesregierung als „riskante Anleihe“, die im Insolvenzfall
des ÜNB „nachrangig bedient“ werde, entgegnen, von der u. a. in der
„FAZ“ vom 21. Juli 2013 die Rede ist?

25. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der von Rodger
Rinke von der Landesbank Baden-Württemberg in der „FAZ“ vom 21. Juli
2013 zum Westküstenmodell abgegebenen Bewertung, „für den normalen
Kleinanleger“ sei es „kaum möglich, diese Anleihe zu verstehen“, und in-
wiefern berücksichtigt sie diese Kritik bei der Ausgestaltung der Anleihe
nach dem Modell der Bundesregierung?

26. Wie schätzt die Bundesregierung das Risiko einer sehr geringen Liquidität
aufgrund geringer Handelbarkeit der Anleihe der TenneT TSO GmbH ein
(vgl. FAZ vom 23. Juli 2013), und inwiefern berücksichtigt sie dies bei der
Ausgestaltung der Anleihe nach dem Modell von Bundesumweltminister
Peter Altmaier?

27. An welchen Punkten sieht Bundesumweltminister Peter Altmaier konkret
die „mangelnde Sorgfalt der Recherche“ über die Bürgerdividende (siehe
u. a. Frankfurter Rundschau vom 23. Juli 2013)?

28. Sind der Bundesregierung ähnliche Modelle einer Bürgerdividende in ande-
ren Nationen bekannt, und falls ja, welche Schlussfolgerungen und Konse-
quenzen zieht sie aus deren Ausgestaltung?

Drucksache 17/14477 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Gilt nach wie vor das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP
verankerte Ziel der Gründung einer „unabhängigen und kapitalmarktfähi-
gen Netzgesellschaft“, und wenn ja, durch welche konkreten Aktivitäten
soll das Ziel erreicht werden, bzw. wenn nein, warum nicht?

30. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über mögliche (Teil-)
Verkäufe von einzelnen ÜNB vor?

Berlin, den 1. August 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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