BT-Drucksache 17/14471

Zur "Neuen Allianz für Ernährungssouveränität" der G8-Staaten in Afrika

Vom 29. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14471
17. Wahlperiode 29. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Harald Koch, Jens Petermann,
Richard Pitterle, Sabine Stüber, Johanna Voß, Sahra Wagenknecht und
der Fraktion DIE LINKE.

Zur „Neuen Allianz für Ernährungssicherheit“ der G8-Staaten in Afrika

Auf dem Gipfeltreffen der G8-Staaten in Camp David wurde im Mai 2012 die
„Neue Allianz für Ernährungssicherheit“ geschlossen. Erklärtes Ziel ist es, den
weltweiten Hunger zu bekämpfen und bis 2022 insgesamt 50 Millionen Men-
schen aus der Armut zu befreien.

Die „Neue Allianz“ besteht neben den G8-Staaten aus Akteuren der Privatwirt-
schaft, internationalen Organisationen, der Zivilgesellschaft sowie der Wissen-
schaft. Bisher sind der Allianz außerdem zehn afrikanische Staaten beigetreten
(2012: Äthiopien, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ghana, Mosambik, Tansania,
2013: Benin, Nigeria, Malawi, Senegal).

Das Leitungsgremium der Allianz, das so genannte Leadership Council, entzieht
sich weitgehend einer demokratischen Kontrolle; seine personelle Zusammen-
setzung ist nicht bekannt. Zur Schaffung eines „sicheren Investitionsklimas im
Agrarsektor“ verhandelt das „Leadership Council“ Kooperationsabkommen mit
einzelnen Ländern. Mit diesen verpflichten sich afrikanische Staaten zur Um-
setzung weitreichender Gesetzesänderungen – insbesondere im Bereich Saat-
gutmarkt und Landrechte – und erhalten dafür im Gegenzug Investitionszusagen
nationaler Unternehmen sowie transnationaler Konzerne – gegenwärtig ist von
insgesamt 4 Mrd. US-Dollar die Rede (2013 Progress Report Summary, S. 7).
Es profitieren vorrangig transnationale Konzerne, wie Yara International,
Monsanto und Cargill von den Abkommen („Die Neue Allianz für Ernährungs-
sicherheit in Afrika: Ist die Initiative der G8-Länder geeignet, die Armut zu
bekämpfen?“, S. 1), die bereits bestehende afrikanische Initiativen im Kampf
gegen den Hunger unterlaufen, wie zum Beispiel die Erklärung von Maputo aus
dem Jahr 2003. Die Abkommen gefährden die Ernährungssouveränität der loka-
len Bevölkerung, die von Saatgut, Mineraldünger und Pestiziden abhängig
gemacht oder von ihren bisher genutzten Flächen vertrieben wird. Statt verbind-
licher Regelungen zum Schutz vor Landraub beruft sich die „Neue Allianz“
jedoch lediglich auf die Einhaltung der „Freiwilligen Leitlinien für die verant-
wortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen

und Wäldern“.

Länderspezifisch bedient sich die Allianz bestehender Partnerschaften, u. a. der
„Scaling Seeds and Other Technologies Partnership“. Dieses Programm – koor-
diniert von AGRA, der Allianz für eine grüne Revolution in Afrika – zielt auf
die Kommerzialisierung, Verteilung und Verwendung von zertifiziertem Saat-
gut und anderer Technologien ab (vgl. „Whose Alliance? The G8 and the Emer-

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gence of a Global Corporate Regime for Agricultur“, Mai 2013, S. 6). So ver-
bietet zum Beispiel das Kooperationsabkommen mit Mosambik die Verbrei-
tung von kostenlosem und natürlichem Saatgut, damit „Investitionsanreize für
den Privatsektor in diesem Bereich geschaffen“ werden können. Dies zwingt
Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nicht nur dazu, jede Saison neues (Hy-
brid-)Saatgut zu kaufen, sondern bedeutet gleichzeitig auch die mögliche Ver-
breitung gentechnisch veränderten Saatguts.

Die Bundesregierung unterstützt die Allianz und wurde auf dem ersten Treffen
des „Leadership Council“ am 24. September 2012 in New York durch die Par-
lamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung Gudrun Kopp vertreten. Auf dem neuerlichen G8-
Gipfel in Lough Erne im Juni 2013 hat Deutschland außerdem die Federfüh-
rung für die anstehende Aushandlung des Kooperationsabkommens mit Benin
übernommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie setzt sich das „Leadership Council“ der „Neuen Allianz“ zusammen
(bitte die Akteure der Privatwirtschaft, internationaler Organisationen, der
Zivilgesellschaft sowie der Wissenschaft einzeln auflisten)?

2. Handelt es sich dabei um eine gleichbleibende Gruppe oder ändert sich die
Zusammensetzung?

a) Wenn sich die Zusammensetzung ändert, wovon hängt diese Änderung
ab?

b) Wer beschließt nach welchen Regeln personelle Veränderungen?

c) Wer vertritt die Bundesregierung in diesem Gremium?

d) In welchen Abständen trifft sich das „Leadership Council“?

3. Wer entscheidet über die Zusammensetzung des „Leadership Council“?

4. Welche Aufnahmekriterien in das „Leadership Council“ bestanden für die
Auswahl der

a) privatwirtschaftlichen Akteure,

b) zivilgesellschaftlichen Vertreterinnen und Vertreter sowie

c) wissenschaftlichen Einrichtungen?

5. Welche Rolle spielt die Bill and Melinda Gates Stiftung in der „Neuen Al-
lianz“, und welche finanziellen Mittel stellt die Stiftung im Rahmen der
„Neuen Allianz“ zur Verfügung?

6. Unterliegen die Investitionen der „Neuen Allianz“ einem besonderen Schutz
durch die G8?

7. Welche Konsequenzen erwachsen für die Unternehmen aus einem Bruch der
Kooperationsabkommen, z. B. wenn Investitionszusagen nicht eingehalten
werden?

8. Wie wird die Wirkung der „Neuen Allianz“ in Bezug auf die eigene Zielvor-
gabe, die Armut zu reduzieren, evaluiert?

a) Welche Indikatoren, die über den Umfang von Investitionszusagen und
den „Doing Business“-Index hinausgehen, sind zur Evaluation vorgese-
hen?

b) Wann und in welchen Zeitabständen sind Evaluierungen der „Neuen Al-
lianz“ geplant?

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9. Inwiefern berücksichtigt die „Neue Allianz“ die „Freiwilligen Leitlinien
für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungs-
rechten, Fischgründen und Wäldern“?

a) Warum beinhalten die Kooperationsabkommen keine verbindlichen Re-
geln zum Schutz der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie der indige-
nen Bevölkerung?

b) Wie setzt die „Neue Allianz“ dann Partizipationsrechte der lokalen Be-
völkerung im Aushandlungsprozess der Kooperationsabkommen um?

c) Inwiefern sehen die Kooperationsabkommen den Schutz informeller
Landtitel vor?

10. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wie viele
Hektar Land im Zuge der „Neuen Allianz“ bereits an Investoren verkauft
wurden?

11. Erfolgte die Zuteilung der Landflächen ausschließlich über die Höhe der
gebotenen Summe oder wurden z. B. Nachhaltigkeitskriterien bei der Aus-
wahl der Investoren berücksichtigt?

12. Inwiefern widerspricht die Kooperation mit der „Scaling Seeds and Other
Technologies Partnership“ den Vorgaben der Bundesregierung, gentech-
nisch verändertes Saatgut sowie den Anbau gentechnisch veränderter Pro-
dukte weder direkt noch indirekt zu fördern?

13. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, dass die „Neue Allianz“
das hierfür von der UN eingerichtete Committee on Food Security (CFS)
untergräbt?

14. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der Zutei-
lung von landwirtschaftlichen Flächen an Investoren in Mosambik vor?

a) Inwiefern kann die Bundesregierung den Ausschluss von Kleinbäuerin-
nen und Kleinbauern von besonders guten landwirtschaftlichen Böden
bestätigen?

b) Inwiefern kann nach Ansicht der Bundesregierung eine widerstands-
fähige und vorrangig lokale Nahrungsmittelproduktion im Sinne der Er-
nährungssouveränität mit der Ausrichtung der in Mosambik beteiligten
Firmen auf den internationalen Handel und den Export vereinbart wer-
den?

15. Wie schätzt die Bundesregierung den Erfolg des Kooperationsabkommens
in der Elfenbeinküste ein, wo im Zuge der Landrechtsreform und der Ver-
einfachung privater Investitionen in die Landwirtschaft Tausende von ihren
landwirtschaftlichen Nutzflächen vertrieben werden, weil transnationale
Konzerne dort Land zum Anbau von Reis erworben haben (The G8 and
land grabs in africa, S. 3)?

16. Was ist der aktuelle Stand der Verhandlungen zum Kooperationsabkom-
men mit Benin?

Welche Schritte wurden von der Bundesregierung bereits unternommen,
um das Kooperationsabkommen auf den Weg zu bringen?

17. Welcher zeitliche Rahmen ist für die Verhandlung des Kooperationsab-
kommens mit Benin vorgesehen?

a) Welche Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Gruppen sind daran
beteiligt bzw. dafür vorgesehen?

b) Wie viele Verhandlungsstufen gibt es?
c) Wann soll das Abkommen verabschiedet werden?

Drucksache 17/14471 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
18. Sind Veränderungen der Landnutzungsrechte als Teil des Kooperationsab-
kommens vorgesehen?

19. Haben Unternehmen bereits Investitionsangebote für Benin unterbreitet?

Wenn ja, welche Unternehmen sind dies, und welche Investitionen sind
vorgesehen?

20. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Einhaltung der international
vereinbarten Rahmenwerke („Freiwilligen Leitlinien für die verantwor-
tungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgrün-
den und Wäldern“/„Prinzipien für verantwortliche Investitionen in die
Landwirtschaft“) bei den Investitionen internationaler Firmen in Benin ge-
währleistet werden?

Sind zusätzliche (verbindliche) Regelungen vorgesehen?

21. Ist der Bundesregierung bekannt, ob in Benin ebenfalls die Einrichtung so
genannter Wachstumskorridore (growth corridors) vorgesehen sind?

22. Ist eine Ausweitung der „Scaling Seeds and Other Technologies Partner-
ship” auf Benin vorgesehen, und wird die Bundesregierung ein solches
Vorhaben unter ihrer Federführung vorantreiben?

23. Sieht die Bundesregierung vor, die zukünftige bilaterale Zusammenarbeit
mit Benin an den erfolgreichen Abschluss des Kooperationsabkommens zu
koppeln?

Würde es sich nach Ansicht der Bundesregierung dabei um eine weitere
Form der Konditionalität von ODA-Mitteln (ODA: Öffentliche Entwick-
lungszusammenarbeit) handeln?

Berlin, den 29. Juli 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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