BT-Drucksache 17/14462

Unvollstreckte Haftbefehle gegen Neonazis (Juli 2013)

Vom 29. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14462
17. Wahlperiode 29. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidrun Dittrich, Nicole Gohlke, Petra Pau,
Jens Petermann, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Unvollstreckte Haftbefehle gegen Neonazis (Juli 2013)

Die Fragesteller haben sich in der Vergangenheit mehrfach danach erkundigt,
wie viele Neonazis mit Haftbefehlen gesucht werden. Dabei wurde offen-
kundig, dass die Sicherheitsbehörden nicht in der Lage sind, hierzu jederzeit
aktualisierte Angaben zu machen. Auch die Einrichtung des „Gemeinsamen
Abwehrzentrums gegen Rechtsterrorismus“ (GAR) hat nicht dazu geführt, dass
zu diesen Fragen klare und rasche Antworten gegeben werden können.

In Beantwortung der letzten diesbezüglichen Anfrage im März 2013 (Bundes-
tagsdrucksache 17/12706) hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass
die Zählweise verändert worden sei. Es habe sich gezeigt, dass bei der Speiche-
rung von Straftätern in Dateien die Vergabe eines „Merkers“ zur rechtsextre-
men Motivation der Straftat „bundesweit nicht einheitlich erfolgt“. Auch dies
zeigt aus Sicht der Fragesteller, dass die Gründung des GAR nichts zur Be-
kämpfung des Rechtsextremismus beiträgt und die Sicherheitsbehörden nicht
in der Lage sind, geschlossen gegen Neonazistraftäter vorzugehen.

Dieser Eindruck wurde durch weitere Angaben der Bundesregierung bestärkt.
In einer Tabelle waren zahlreiche Delikte, die als „Anlass“ des Haftbefehls ge-
nannt waren, der allgemeinen Kriminalität zugeordnet, obwohl es sich um typi-
sche Delikte aus dem Phänomenbereich politisch motivierte Kriminalität rechts
(PMK-rechts) handelt. 19mal wurden Delikte wie „Verwendung von Kennzei-
chen verfassungswidriger Organisationen“ und „Volksverhetzung“ dadurch als
„unpolitisch“ markiert. Auf Nachfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke hat das
Bundesministerium des Innern in einem Brief vom 15. Mai 2013 eingeräumt,
dass es hier zu „Übertragungsfehlern“ gekommen sei. Im Ergebnis lagen den
266 Haftbefehlen, die im November 2012 offen waren, nicht 44 politisch moti-
vierte Straftaten zugrunde, wie auf Bundestagsdrucksache 17/12706 angege-
ben, sondern 57. Den Fragestellern ist unverständlich, wie solche „Übertra-
gungsfehler“ geschehen können, da das Zeigen etwa eines „Hitlergrußes“ durch
einen Neonazi aus ihrer Sicht auf den ersten Blick als politisch motivierte Straf-
tat zu erkennen ist.

Aus Sicht der Fragesteller mangelt es den Sicherheitsbehörden noch an Sorgfalt
bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Ein Mehrwert durch das GAR/

GETZ (Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum) ist bisher
nicht zu erkennen.

Die Fragesteller bitten darum, etwaige Nachmeldungen bzw. Korrekturen zur
letzten diesbezüglichen Anfrage kenntlich zu machen.

Drucksache 17/14462 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gegen wie viele Neonazis (Personen mit Bezügen zur PMK-rechts) lagen
zum Zeitpunkt der jüngsten bundesweiten Überprüfung nach Kenntnis der
Bundesregierung unvollstreckte Haftbefehle vor (bitte Datum der Überprü-
fung angeben)?

2. Wie viele dieser Haftbefehle beruhen nach Kenntnis der Bundesregierung
ausschließlich oder teilweise auf Delikten, die dem Phänomenbereich
PMK-rechts zuzuordnen sind?

3. Wie viele dieser Haftbefehle beruhen nach Kenntnis der Bundesregierung
ausschließlich oder teilweise auf Gewaltdelikten?

4. Wie viele dieser Haftbefehle haben sich im Zeitraum zwischen der Über-
prüfung und der Beantwortung dieser Anfrage erledigt (bitte möglichst
Grund der Erledigung angeben)?

5. Wie viele der derzeit unvollstreckten Haftbefehle sind nach Kenntnis der
Bundesregierung erst nach Durchführung der vorletzten Überprüfung im
November 2012 erlassen worden, welches Bundesland hat diese gemeldet,
und welche Delikte liegen diesen neuen Haftbefehlen jeweils maßgeblich
zugrunde (bitte für jeden Einzelfall angeben und eine etwaige Einstufung
als PMK-rechts von Tat und Täter vermerken)?

6. Wie viele der mit Haftbefehl gesuchten Neonazis sind in den einschlägigen
Datenbanken der Sicherheitsbehörden gespeichert, und jeweils in welchen
Dateien?

a) Wie viele dieser Personen sind außerdem im polizeilichen Informations-
system als Gewalttäter rechts sowie als Personen mit Bezug zur PMK-
rechts gespeichert?

b) Wie viele dieser Personen gelten als gewaltbereit?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Verstrickung der ge-
suchten Neonazis mit Kameradschaften, der rechtsextremistischen Musik-
szene oder anderen rechtsextremen Gruppierungen und Szenen (soweit
möglich konkrete Angaben und Zahlen nennen)?

8. Warum genau ist nach Ansicht der Bundesregierung (vgl. Vorbemerkung
der Bundesregierung zur Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 17/12706) ein Abgleich mit der INPOL-Falldatei „Innere Si-
cherheit“ (IFIS) zuverlässiger als die frühere Herangehensweise zur Beant-
wortung dieser Anfrage?

a) Enthält IFIS ebenfalls „Marker“, die Aufschluss über eine etwaige
rechtsextreme Motivation geben, und wenn ja, was spricht dafür, dass
dieser „Marker“ einheitlicher vergeben wird als der „Marker“ „REMO“
in der Fahndungsdatei sowie der Datei Gewalttäter rechts?

b) Wird jetzt ausschließlich IFIS als Grundlage dieser Auswertung genom-
men, und wenn nicht, welche anderen Dateien werden herangezogen?

9. Wird eine Überprüfung der Anzahl unvollstreckter Haftbefehle gegen Neo-
nazis weiterhin in ca. halbjährlichem Rhythmus vorgenommen, und wenn
nein, in welchem Rhythmus stattdessen (bitte begründen)?

10. Welchen Fortgang haben die „laufenden Gremienbefassungen zur Erhe-
bungsmethode“ (vgl. Vorbemerkung der Bundesregierung zur Antwort auf
die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/12706) seither genom-
men?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14462

11. Welche weiteren Schritte haben die Bundesregierung oder, nach ihrer
Kenntnis, andere mit der Materie betraute Behörden unternommen, um Er-
fassungsmethoden und Kriterien einander anzunähern?

12. Welche sonstigen Änderungen bei der Erfassung der Zahl flüchtiger Neo-
nazis und der Zuordnung ihrer Delikte hat es seit November 2012 gegeben?

Berlin, den 29. Juli 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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