BT-Drucksache 17/14431

Kennzeichenerfassung und Funkzellenabfrage im sogenannten Autotransporter-Fall

Vom 23. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14431
17. Wahlperiode 23. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Herbert Behrens, Jens Petermann, Frank Tempel,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Kennzeichenerfassung und Funkzellenabfrage im sogenannten
Autotransporter-Fall

Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) konnte die seit dem Jahr 2008
andauernde bundesweite Anschlagsserie auf Lkw am 23. Juni 2013 aufgeklärt
werden. Polizeiliche Einsatzkräfte des BKA und der beteiligten Bundesländer
Nordrhein-Westfalen und Bayern hätten einen 57-jährigen Mann an seinem
Wohnort in Nordrhein-Westfalen festgenommen. Dieser sei dringend tat-
verdächtig, in mehr als 700 Fällen Autotransporter, andere Fahrzeuge und Ge-
bäude von der Autobahn aus beschossen zu haben.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, nannte den Fall, bei dem
mindestens 762 Mal auf Autotransporter geschossen worden sein soll, „bislang
einzigartig in der Kriminalgeschichte“ (vgl. Pressekonferenz des BKA vom
25. Juni 2013). Seit Herbst 2012 ermittelten 90 Beamte in einer „Besonderen
Aufbauorganisation Transporter", in der neben dem BKA Polizisten aus Baden-
Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz be-
teiligt waren.

Nach früheren BKA-Angaben waren besonders die A 3 von Köln bis Nürnberg,
die A 4 zwischen Aachen und Köln, die A 5 zwischen Karlsruhe und Kirch-
heim, die A 6 von Walldorf bis Nürnberg und die A 61 von Walldorf bis Kerpen
betroffen. Auch aus Belgien, Österreich und der Schweiz seien Schüsse gemel-
det worden. Nach Angaben von Jörg Ziercke seien die Fahnder dem Fahrer mit
Hilfe verdeckter automatischer Kennzeichenlesegeräte, die im Frühjahr 2013
von einem „Mobilen Einsatzkommando“ (MEK) des BKA an sieben Auto-
bahnabschnitten von Aachen Richtung Bayern und Baden-Württemberg einge-
setzt worden seien, auf die Schliche gekommen. Nach Angaben des „SWR“
wurden dabei massenhaft Kfz-Kennzeichen erhoben. Bekam man die Meldung
über einen neuen Zwischenfall, seien diese Daten mit der Fahrtroute des „Opfer-
Lkw“ abgeglichen worden. Hinzu gekommen seien die Verbindungsdaten von
Mobilfunkmasten entlang der Autobahn, die ebenfalls in den Abgleich einbe-
zogen worden seien (vgl. www.swr.de vom 23. Juni 2013). So hätte sich ein
Lkw einer Spedition in Monschau in der Eifel herauskristallisiert. Dessen Fah-
rer und sein Handy seien dann weiter überwacht worden, um den Täter eindeu-

tig zu identifizieren (vgl. www.t-online.de vom 25. Juni 2013).

Datenschützer erheben hingegen den Vorwurf, dass die Kennzeichenerfassung
unverhältnismäßig gewesen sei. So kritisierte der rheinland-pfälzische Daten-
schutzbeauftragte Edgar Wagner, es gebe „für diese bundesweit erstmals einge-
setzte Ermittlungsmethode aus Datenschutzsicht keine hinreichende gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage“ (www.heise.de vom 25. Juni 2013).

Drucksache 17/14431 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Kennzeichenerfassung?

2. Aus welchem Grund und auf wessen Initiative hin war das BKA mit dem
Fall auf welcher Rechtsgrundlage befasst worden?

3. Wie viele Kennzeichenerfassungen wurden während der Ermittlungen im
„Autotransporter-Fall“ durch die „Besondere Aufbauorganisation Trans-
porter“ und das MEK des BKA gemacht (Einsätze bitte nach Polizei-
behörde, Zeitpunkt, Ort, Anzahl der Lesegeräte, Anzahl der gescannten
Kfz-Kennzeichen und Anzahl der eingeholten Fahrzeuginhaberdaten auf-
schlüsseln)?

4. Wie lange wurden wie viele Datensätze wo gespeichert, und wer hatte wäh-
rend der Speicherdauer auf die Daten Zugriff?

5. Wer führte die Löschung der Daten durch, und durch wen wurde diese
überprüft?

6. Wie viele Funkzellenabfragen (FZA) wurden während der Ermittlungen im
„Autotransporter-Fall“ durch wen durchgeführt (bitte nach Polizeibehörde,
Zeitpunkt der FZA, Anzahl der Funkzellen, Anzahl der Verbindungsdaten,
Anzahl der Anschlüsse, Anzahl der eingeholten Bestandsdaten und Dauer
der jeweiligen Speicherung aufschlüsseln)?

7. Hält die Bundesregierung die durchgeführten Datenerhebungen für verhält-
nismäßig (bitte begründen)?

8. Wann wurden von Sicherheitsbehörden des Bundes wie viele automatische
Kennzeichenlesegeräte zu welchem Zweck angeschafft, und welche Kos-
ten entstanden dadurch (bitte nach Datum, Sicherheitsbehörde, Anzahl,
Modell, Hersteller und Kosten aufschlüsseln)?

9. In Rahmen welcher anderen Ermittlungsmaßnahmen, in die das BKA in-
volviert ist, kamen oder kommen Kennzeichenlesegeräte zum Einsatz, in
welchem Umfang wurden Kennzeichen erfasst, und auf welcher Rechts-
grundlage (bitte aufschlüsseln)?

10. Hat es im Vorfeld Studien und Praxistests sowie eine Ausschreibung gege-
ben?

Wenn ja, welche Studien und Praxistests waren dies, und wer führte sie in
wessen Auftrag wann durch?

Wann erfolgte die Ausschreibung, und welche Unternehmen beteiligten
sich mit welchen Modellen daran?

Kam es bei den Praxistests auch zu fehlerhaften Kennzeichenerfassungen?

Wenn ja, in welchem Umfang?

11. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es während der monate-
langen Ermittlungen mittels Kennzeichenerfassung zu fehlerhaften Kenn-
zeichenerfassungen gekommen ist, die weitere Ermittlungen, z. B. mittels
FZA, nach sich zogen (bitte begründen)?

12. Waren die Kennzeichenerfassungen und FZA im „Autotransporter-Fall“
nach Auffassung der Bundesregierung nur eine absolute (singuläre) Aus-
nahme, oder sollten sie, nach Auffassung der Bundesregierung, stattdessen
zukünftig auch in anderen, minder schweren Fällen angewendet werden?

13. In wie vielen Fällen ergaben sich während der Ermittlungsmaßnahmen mit
Kennzeichenerfassung und FZA zusätzliche Erkenntnisse zu neuen und an-
deren Straftaten und Tätern (sog. Beifang), und wie viele Ermittlungsver-

fahren wurden daraufhin eingeleitet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14431

14. Wurden die betroffenen Fahrzeuginhaber über die Maßnahmen im Nach-
hinein informiert?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 23. Juli 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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