BT-Drucksache 17/14415

Militärische Nutzung des Flughafens Kassel-Calden

Vom 18. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14415
17. Wahlperiode 18. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, Sabine Leidig,
Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Militärische Nutzung des Flughafens Kassel-Calden

Der Ausbau des Regionalflughafens Kassel-Calden war nicht nur wegen des
enormen Anstiegs der Kosten von 63,9 Mio. Euro auf – nach Berechnung des
Bundes der Steuerzahler – über 271 Mio. Euro, sondern auch wegen einer zu er-
wartenden geringen Auslastung sehr umstritten. Nach der Eröffnung des Regio-
nalflughafens hat sich die Befürchtung einer sehr geringen Auslastung bestätig,
was jährliche Verluste in Millionenhöhe nach sich ziehen wird, die mit Steuer-
geldern beglichen werden müssen.

Anfang April 2013, kurz nach der Eröffnung des Regionalflughafens Kassel-
Calden, landete dort eine Transall der Bundeswehr vom Typ C 160, um im Rah-
men einer Übung Fallschirmspringer der in Stadtallendorf stationierten „Division
Spezielle Operationen“ (DSO) aufzunehmen. Auf der Homepage der Bundes-
wehr ist dazu zu lesen: „Der Neuausbau des Flughafens Kassel-Calden eröffnet
der DSO, deren Stab und deren Stabskompanie im 80 Kilometer entfernten Stadt-
allendorf stationiert sind[,] zudem die Möglichkeit, einen modernen Flughafen
in der Region für ihren Sprungdienst zu nutzen.“ („Premiere am Flughafen Kas-
sel-Calden“ auf www.deutschesheer.de, abgerufen am 7. Juni 2013). In einem
Bericht der „HNA“ (Hessische/Niedersächsische Allgemeine) wird Thomas
Supe von der Pressestelle der DSO mit der Aussage zitiert, dass die Nutzung des
Flughafens „auch zukünftig ein mögliches Szenario“ sei („Bundeswehr-Transall
landet in Kassel-Calden“ auf www.hna.de, vom 13. April 2013, abgerufen am
7. Juni 2013).

Nach Medienberichten wurde am 5. Juni 2013 ein Eurofighter der Luftwaffe für
mehrere Tage nach Kassel-Calden verlegt, um den Flughafen als Aufweichflug-
hafen für Notfälle zu testen und das Flughafenpersonal entsprechend zu schulen.
Der Flughafen Kassel-Calden „sei von der Bundeswehr als geeignet ausgewählt
worden“ („Luftwaffe verlegt Eurofighter zum Test nach Calden“ auf
www.hna.de, vom 5. Juni 2013, abgerufen am 7. Juni 2013). Zugleich wird die
Landung eines Tornados der Bundeswehr ebenfalls zu Testzwecken angekün-
digt. Auf der Homepage des Flughafens Kassel-Calden heißt es zu den Test-
landungen des Eurofighters und des Tornados: „Dem Abfertigungspersonal in

Kassel-Calden wird daher nun dieses Fluggerät auch vorgestellt und die Beson-
derheiten werden den Mitarbeiter/innen von den Jet-Piloten erklärt und somit
sind im Falle einer notwendigen Ausweichlandung am Flughafen Kassel-Calden
das technische Know-How und Unterstützung verfügbar.“ Außerdem weist der
Flughafen darauf hin, dass die Bundeswehr den Flughafen auch für weitere Flug-
zeugtypen nutzen könne: „Die Luftwaffe hat auch Flugzeuge des Typs Airbus
A310 und A319 in ihrer Flotte, die ebenfalls den Flughafen Kassel-Calden für

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die Passagierabfertigung nutzen können.“ (www.flughafenkassel.de, abgerufen
am 7. Juni 2013).

Am Flughafen Kassel-Calden befindet sich die Prüfgruppe 400 der Güteprüfstelle
der Bundeswehr Kassel, die laut „Standortbroschüre Kassel“ für folgende Be-
reiche zuständig ist: Luftfahrzeugbau, Neufertigung/Instandsetzung für Cougar,
NH90, CH53G, Seaking, Sealynk, BO105 und Tiger. Zu den Aufgaben von Güte-
prüfstellen gehören die Güteprüfung und amtliche Qualitätssicherung „nicht nur
für die Bundeswehr, sondern auch für NATO- und verbündete Streitkräfte sowie
Amtshilfe für andere Landes- und Bundesbehörden (z. B. Landes-, Bundespoli-
zei, Zoll usw.)“. (in der Standortbroschüre Kassel auf www.flughafenkassel.de,
Seite 20 f., abgerufen am 7. Juni 2013).

Außerdem sind am Flughafen Kassel-Calden zwei Rüstungsunternehmen ansäs-
sig, die aus den ehemaligen Henschel Flugzeugwerken AG in Kassel und Calden
hervorgegangen sind:

• Die Eurocopter Deutschland GmbH, Teil der EADS-Tochter Eurocopter
Group S. A. S., mit 63 Mitarbeitern und einem Umsatz von 15,5 Mio. Euro
(2011). Die Eurocopter-Gruppe beschäftigt insgesamt rund 20 000 Mitar-
beiter, setzte 2011 457 neue Hubschrauber ab und machte einen Umsatz von
5,4 Mrd. Euro. Am Standort Kassel-Calden werden jährlich circa 80 Hub-
schrauber der Eurocopter-Typen gewartet und repariert. Außerdem werden
dort Um- und Zusatzrüstungen vorgenommen sowie Techniker geschult.

• Die ZF Luftfahrttechnik GmbH, Unternehmenssparte Hubschrauber-Getrie-
bebau der ZF Friedrichshafen AG, einem weltweit führenden Autozuliefer-
konzern mit 60 400 Mitarbeitern, davon 35 800 in Deutschland. Am Standort
Kassel-Calden sind 314 Mitarbeiter bei der Wartung folgender Hubschrau-
bertypen tätig: Kampfhubschrauber BO105, Kampfhubschrauber Tiger,
Bordhubschrauber Sealynk, Bordhubschrauber Seaking, Transporthub-
schrauber CH 53 Sikorsky.

Die geringe Auslastung bei der zivilen Nutzung des Regionalflughafens Kassel-
Calden legt die Frage nahe, ob der Flughafen stattdessen militärisch genutzt
werden soll. Dies gilt umso mehr, als die erheblichen Verluste ohnehin mit
Steuergeldern ausgeglichen werden müssen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Flugbewegungen gab es am Flughafen Kassel-Calden seit der
Eröffnung des Flughafens?

Wie viele Flugbewegungen davon waren zivil, und wie viele waren militärisch?

Wie viele dieser Flugbewegungen wären ohne den Ausbau des Flughafens
nicht möglich gewesen?

2. Welche Auslandsflüge werden am Flughafen Kassel-Calden, nach Starts und
Landungen aufgeschlüsselt, bedient?

3. Wann wurde seitens der Bundeswehr entschieden, dass der Regionalflug-
hafen Kassel-Calden als Ausweichflughafen geeignet ist?

Welche Dienststelle der Bundeswehr oder welche Person hat diese Entschei-
dung getroffen?

Wann wurde diese Entscheidung dem Flughafen Kassel-Calden, der Bundes-
regierung und der hessischen Landesregierung übermittelt?

4. Sind außer den Landungen des Eurofighters, der Transall und des Tornados
weitere Tests auf dem Flughafen Kassel-Calden beabsichtigt oder geplant?
Wenn ja, wie viele Flüge sind wann mit welchen Flugzeugtypen vorgesehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14415

5. Gibt es Verträge und Vereinbarungen der Bundeswehr, der NATO oder der
Bundesregierung für die Nutzung der Flughafens Kassel-Calden für Flug-
zeuge oder Institutionen der Bundeswehr, der NATO oder von verbündeten
Streitkräften?

Wenn ja, um welche Verträge oder Vereinbarungen handelt es sich, was ist
ihr jeweiliger Vertrags- oder Vereinbarungsgegenstand, und wann wurden
sie jeweils abgeschlossen?

6. Erhält der Flughafen Kassel-Calden für die Nutzung für die genannten Test-
flüge Geld?

Wenn ja, wie viel für welche Leistungen?

7. Hat der Flughafen für die Nutzung für Testflüge bereits Geld erhalten?

Wenn ja, wie viel Geld hat der Flughafen Kassel-Calden wann für welche
Leistungen bereits erhalten, oder wie viel Geld wird er aufgrund bereits er-
brachter Leistungen erhalten?

8. Erwägt, beabsichtigt oder plant die Bundeswehr den militärischen Aus-
oder Umbau des Regionalflughafens Kassel-Calden?

Wenn ja, mit welchem Ziel, und bis wann?

9. Welche Nutzung des Flughafens Kassel-Calden erwägt, beabsichtigt oder
plant die Bundeswehr?

10. Sind vom Flughafen Kassel-Calden aus internationale Flüge der Bundes-
wehr oder der NATO beabsichtigt oder geplant?

11. In welcher Art und in welchem Umfang soll der Flughafen Kassel-Calden
durch die DSO genutzt werden?

12. Beabsichtigt die Bundeswehr die Passagierabfertigung von Flugzeugen des
Typs Airbus A310 und A319 auf dem Flughafen Kassel-Calden?

Wenn ja, ab wann?

13. Ist die Nutzung des Flughafens Kassel-Calden durch die NATO oder Ver-
bündete beabsichtigt?

Wenn ja, von wem?

14. Ist die Ansiedelung weiterer Dienststellen oder Standorte der Bundeswehr
in Kassel-Calden beabsichtigt oder geplant?

Wenn ja, um welche Standorte oder Dienststellen handelt es sich dabei?

15. Ist beabsichtigt, die Tätigkeit der Güteprüfstelle in Kassel-Calden auszu-
weiten?

16. Ist der Bundesregierung bekannt, ob sich weitere Rüstungsbetriebe am
Flughafen Kassel-Calden ansiedeln wollen?

Wenn ja, um welche handelt es sich dabei?

17. Welche Rolle haben militärische Erwägungen oder Bedürfnisse der Bundes-
wehr bei der Entscheidung gespielt, den Regionalflughafen Kassel-Calden
auszubauen?

Berlin, 16. Juli 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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