BT-Drucksache 17/14310

Auswirkungen des aktuellen CO2-Zertifikatepreises auf die Gefahr einer Verlagerung von Industrieprozessen

Vom 1. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14310
17. Wahlperiode 01. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Hermann E. Ott, Hans-Josef Fell,
Sven-Christian Kindler, Oliver Krischer, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth
(Quedlinburg), Dorothea Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen des aktuellen CO2-Zertifikatepreises auf die Gefahr einer
Verlagerung von Industrieprozessen

Im Dezember 2009 wurde von der Europäischen Kommission die sogenannte
Carbon Leakage-Liste beschlossen, die Sektoren und Teilsektoren der Industrie
benennt, von denen angenommen wird, dass sie einem erheblichen Risiko einer
Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind. Die Bewertungen aus dem
Kommissionsbeschluss von 2009 basierten auf einem durchschnittlichen CO2-
Preis von 30 Euro je Tonne CO2, die das Ergebnis einer von der Europäischen
Kommission durchgeführten Folgenabschätzung waren. Bis spätestens Ende
2014 muss eine Überprüfung dieser Liste durch die Europäische Kommission
erfolgen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viel Prozent der dem Emissionshandel unterliegenden Anlagen aus der
Industrie bekommen derzeit in welchem Umfang aufgrund der existierenden
„Carbon Leakage-Liste“ von 2009 Emissionszertifikate kostenlos zugeteilt
(bitte nach Anlagengröße aufschlüsseln)?

2. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Revision der
europäischen „Carbon Leakage-Liste“ in Brüssel, und sieht sie Handlungsbe-
darf, die Liste an die aktuelle Preisentwicklung für CO2-Emissionszertifikate
anzupassen, und falls nein, warum nicht?

3. Bis spätestens wann sollte der Review-Prozess der „Carbon Leakage-Liste“
nach Ansicht der Bundesregierung abgeschlossen werden, insbesondere im
Hinblick auf die Tatsache, dass die Amtszeit der amtierenden Europäischen
Kommission in 2014 endet?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der zum Zeitpunkt des
Beschlusses der „Carbon Leakage-Liste“ angenommene Zertifikatepreis von
30 Euro nicht realistisch ist, und dass angesichts des aktuell deutlich geringe-
ren CO2-Preises die „Carbon Leakage-Gefahr“ weitaus geringer ist, als noch

bei Verabschiedung der „Carbon Leakage-Liste“ erwartet?

5. Mit welchen zukünftigen CO2-Preisen in Richtung 2020 rechnet die Bundes-
regierung aktuell, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus hinsicht-
lich der „Carbon Leakage-Gefahr“ jetzt und mittelfristig?

Drucksache 17/14310 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
6. War die bisher zur Vermeidung eines „Carbon Leakage“ erfolgte weitge-
hend kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten an die Industrie ange-
sichts des rapiden Preisverfalls für Emissionszertifikate nach Ansicht der
Bundesregung gerechtfertigt?

Liegen der Bundesregierung dazu Abschätzungen oder Studien vor, und
wenn ja, welche?

7. Wie würde sich nach Ansicht der Bundesregierung die Zusammenstellung
der „Carbon Leakage-Liste“ ändern, wenn statt der ursprünglich kalkulier-
ten 30 Euro der aktuelle CO2-Preis von derzeit unter 5 Euro als Bezugs-
größe herangezogen werden würde?

Wie viel Prozent der Industrieanlagen würden dann aus der kostenlosen Zu-
teilung von Emissionszertifikaten herausfallen?

Welche Auswirkungen hätte diese Anpassung auf den Energie- und Klima-
fonds?

8. Bei welchen Branchen bestünde angesichts des aktuellen CO2-Preises das
„Carbon Leakage“ nach Erkenntnis der Bundesregierung nicht mehr?

9. Bei welchen Branchen besteht nach Ansicht der Bundesregierung beim der-
zeitigen CO2-Preis noch weiterhin das Problem des „Carbon Leakage“?

10. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass nur diejenigen Unternehmen
und Branchen eine kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten bekom-
men sollten, bei denen tatsächlich emissionshandelsbedingt die Gefahr
einer Produktionsverlagerung ins außereuropäische Ausland droht, und was
tut die Bundesregierung dafür?

11. Wie wichtig ist aus Sicht der Bundesregierung die enge Beschränkung der
kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten an die Industrie auf die
Branchen, die tatsächlich der Gefahr eines „Carbon Leakage“ ausgesetzt
sind, im Hinblick auf die Untermauerung einer europäischen Vorreiterolle
im Klimaschutz, insbesondere vor dem Hintergrund der internationalen Kli-
maverhandlungen in Richtung einer Kyoto-Nachfolgeregelung für die Zeit
ab 2020, die spätestens 2015 in Paris beschlossen werden soll, und welche
konkreten Maßnahmen unternimmt sie diesbezüglich?

12. Welche Option ist nach Einschätzung der Bundesregierung am ehesten
geeignet, den Interessen der deutschen Wirtschaft zu entsprechen, die An-
passung der „Carbon Leakage-Liste“ an den aktuellen CO2-Preis oder eine
weitgehende Beibehaltung der existierenden „Carbon Leakage-Liste“ ver-
bunden mit einer Reform des Emissionshandels zur Stabilisierung des CO2-
Preises?

13. Welche zukünftige Entwicklung der „Carbon Leakage-Gefahr“ erwartet die
Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass z. B. China kürzlich ein
regionales Emissionshandelssystem gestartet hat, das bis 2014 auf ins-
gesamt sieben weitere Regionen in der Volksrepublik China ausgedehnt
werden soll (Handelsblatt vom 18. Juni 2013 „China startet erstmals Emis-
sionshandel“)?

Berlin, den 28. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.