BT-Drucksache 17/14023

Verbleib von PCB aus dem PCB-Skandal in Dortmund

Vom 12. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14023
17. Wahlperiode 12. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidrun Dittrich, Inge Höger, Andrej Hunko,
Ingrid Remmers, Paul Schäfer (Köln), Frank Tempel, Kathrin Vogler und der
Fraktion DIE LINKE.

Verbleib von PCB aus dem PCB-Skandal in Dortmund

Der Skandal um die Dortmunder PCB-Entsorgungsfirma Envio AG war der
größte PCB-Skandal in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutsch-
land. Bis zu 300 Arbeiter, Angehörige und Anwohner wurden z. T. schwer mit
PCB vergiftet. Überwiegend handelte es sich um Leiharbeiter, die über die Ge-
fahren ihrer Tätigkeit im Unklaren gelassen wurden. (Ruhr Nachrichten 20. Juli
2010 „Ex-Leiharbeiter bestätigt Verstöße gegen Vorschriften“, DER SPIEGEL
Nr. 15, 11. April 2011, „Toxische Fracht“).

Im Jahr 2007 unternahmen Vertreter der Firma Juwenta DB GmbH zusammen
mit dem damaligen Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael
Glos, einen Regierungsbesuch in Kasachstan. Im Zusammenhang mit dieser
Reise wurden sowohl der Import von PCB-haltigen Kondensatoren aus alten
sowjetischen Raketenbasen nach Dortmund besprochen (Westfälische Rund-
schau vom 24. September 2010 „Gift, Geld, Gier – Envio und die kriminellen
Kasachen“), wo die Juwenta DB GmbH als Unterhändler der Dortmunder Ent-
sorgungsfirma Envio AG auftrat als auch der Export von Waffen aus Deutsch-
land nach Kasachstan. Im November 2007 genehmigte die Bundesregierung die
Lieferung von Maschinenpistolen der Firma HECKLER & KOCH GmbH an die
kasachische Spezialeinheit Arystan, die für den Mord an einem Oppositions-
politiker im Jahr 2009 verantwortlich gemacht wird (DER SPIEGEL Nr. 42,
„Borats Waffen“). In den Jahren 2007 und 2008 erteilte die Bezirksregierung
Arnsberg zwei Importgenehmigungen für bis zu 745 Tonnen PCB-Kondensato-
ren aus Kasachstan (Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg an den Ausschuss
für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien des Dortmunder Rates
vom 11. Januar 2013, DS 08642-12). Im Oktober 2009 wurden der kasachische
Umweltminister Nurlan Iskakow, mehrere seiner Mitarbeiter sowie mindestens
ein Mitarbeiter der Firma Juwenta DB GmbH im Zusammenhang mit dem PCB-
Geschäft mit Dortmund in Kasachstan zu mehrjährigen Zuchthausstrafen ver-
urteilt. Sein Nachfolger, Umweltminister Nurgali Ashimov, besuchte am
15. Juni 2009 die Bezirksregierung Arnsberg, um Gespräche über Notifizie-
rungsverfahren für weitere Kondensatorenlieferungen nach Dortmund zu füh-

ren. Im Notifizierungsverfahren ab September 2009 trat die Firma Juwenta DB
GmbH als Bevollmächtigter des kasachischen Umweltministeriums gegenüber
der Bezirksregierung Arnsberg auf. Mit der endgültigen Schließung der Firma
Envio AG in Dortmund zog die Firma Juwenta DB GmbH seinen Notifizie-
rungsantrag im August 2010 zurück (DS 08542, Ausschuss für Umwelt, Stadt-
gestaltung, Wohnen und Immobilien des Rates der Stadt Dortmund).

Drucksache 17/14023 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Artikel „Gift aus Kasachstan für Dortmund“ vom 24. September 2010 weist
die Rechercheabteilung der „WAZ“ auf eine Diskrepanz zwischen den von
Kasachstan als geliefert bezeichneten Mengen von rund 400 Tonnen und den in
Dortmund durch Entsorgungsbestätigungen angekommenen Mengen von 196
Tonnen PCB-haltigen Materials hin. Dieser Sachverhalt wurde von der Bezirks-
regierung Arnsberg bestätigt (WAZ, 3. November 2010). Gleichwohl liegen der
Bezirksregierung keine Erkenntnisse über den Verbleib der Restmengen vor und
das Umweltministerium Kasachstans zeigte sich gegenüber der Bezirksregie-
rung in dieser Frage unkooperativ (Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg an
den Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien des Dort-
munder Rates vom 11. Januar 2013, DS 08642-12).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Angebote hat, zu jeweils welchem Zeitpunkt, die Bundesregierung
Kasachstan gemacht, um bei der Entsorgung von PCB-haltigem Material aus
ehemaligen Raketenbasen der Sowjetunion zu helfen?

2. Welche diesbezüglichen Leistungen hat die Bundesregierung zu jeweils wel-
chem Zeitpunkt erbracht?

3. Inwieweit war der Export PCB-haltiger Kondensatoren aus Kasachstan Ge-
genstand von Erörterungen zwischen der Bundesregierung und der Bezirks-
regierung Arnsberg?

Was war der Inhalt der Erörterungen?

Inwieweit wurde die Bezirksregierung von der Bundesregierung gebeten,
Kasachstan beim Notifizierungsverfahren für den Export zu unterstützen?

4. Wurde die Landesregierung Nordrhein-Westfalen in das Verfahren einbezo-
gen, und wenn nein, warum nicht?

5. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Verbleib des aus
Kasachstan nach Dortmund versendeten Materials vor, das nach den Ein-
gangsnachweisen nicht bei der Entsorgungsfirma Envio AG angekommen
ist?

6. Welche Informationen liegen der Bundesregierung darüber vor, welche alter-
nativen Entsorgungswege für die giftigen Kondensatoren aus Kasachstan
nach der Schließung der Firma Envio AG in Dortmund eingeschlagen wur-
den (z. B. Entsorgung bei Envio Südkorea)?

7. Welche Formen der Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und der
Firma Juwenta DB GmbH in Bezug auf die Entsorgung von PCB-haltigen
Materialien aus Kasachstan in Dortmund haben stattgefunden?

8. Welche Zusammenarbeit zwischen der Firma Juwenta DB GmbH und der
Bundesregierung gab es in Bezug auf den Export von Waffen nach Kasachs-
tan?

Berlin, den 19. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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