BT-Drucksache 17/14

Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das dritte Quartal 2009

Vom 5. November 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14
17. Wahlperiode 05. 11. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Petra Pau, Jens
Petermann, Raju Sharma, Kersten Steinke, Frank Tempel, Halina Wawzyniak,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das dritte Quartal 2009

Aus den von der Fraktion DIE LINKE. regelmäßig erfragten ergänzenden In-
formationen zur amtlichen Asylstatistik geht unter anderem hervor, welche
enorme Bedeutung Widerrufsverfahren in der Entscheidungspraxis des Bun-
desamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben. So wurden im Jahr
2008 über 37 000 Widerrufsverfahren eingeleitet, in 6 172 Fällen kam es dabei
zum Widerruf einer in der Vergangenheit ausgesprochenen Asyl- bzw. Flücht-
lingsanerkennung (vgl. Bundestagsdrucksache 16/11960, Frage 3).

Die Widerrufsquote bei anerkannten irakischen Flüchtlingen hatte sich im
ersten Quartal 2009 mit über 75 Prozent gegenüber dem Vorjahr mehr als ver-
zehnfacht – eine nachvollziehbare Erklärung hierfür ist die Bundesregierung
auf Bundestagsdrucksache 16/13942 zu Frage 4 jedoch schuldig geblieben. Im
zweiten Quartal 2009 lag diese Quote immer noch bei fast 50 Prozent.

Bei einen Drittel aller Asylanträge in Deutschland wurde im ersten Halbjahr
2009 die Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaats im Rahmen der
Dublin-II-Verordnung festgestellt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/13942 und
16/13116). Ausgerechnet das ohnehin völlig überforderte Griechenland wurde
dabei mit über 800 Ersuchen am häufigsten wegen der Übernahme von Asyl-
suchenden aus Deutschland angefragt. Und ausgerechnet irakische Flüchtlinge,
deren Aufnahme in geringer Zahl derzeit medienwirksam betrieben wird, bilde-
ten im ersten Halbjahr 2009 mit fast 650 Personen die größte Gruppe, derer sich
die Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe der Dublin-II-Verordnung wieder
entledigen will.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch war die Gesamtschutzquote (Anerkennungen nach § 16a des
Grundgesetzes, nach § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes/der Genfer
Flüchtlingskonvention – AufenthG/GFK und von Abschiebungshinder-
nissen nach § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 AufenthG) in der Entscheidungs-
praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im dritten

Quartal 2009, in den ersten drei Quartalen des Jahres 2009, und wie lauten
die jeweilige Vergleichswerte für 2008 (in absoluten Zahlen und in Pro-
zent, bitte auch nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern differenzie-
ren)?

2. Wie viele Widerrufsverfahren wurden im dritten Quartal 2009 und in den
ersten drei Quartalen des Jahres 2009 eingeleitet, und wie lauten die Ver-
gleichswerte für das Jahr 2008 (bitte Gesamtzahlen angeben und nach den

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verschiedenen Formen der Anerkennung und den zehn wichtigsten Her-
kunftsländern differenzieren)?

3. Wie viele Entscheidungen in Widerrufsverfahren mit welchem Ergebnis gab
es in den vorgenannten Zeiträumen (bitte Gesamtzahlen angeben und nach
den verschiedenen Formen der Anerkennung und den zehn wichtigsten Her-
kunftsländern differenzieren, bitte auch die jeweiligen Widerrufsquoten be-
nennen)?

4. Inwiefern ist die auf Bundestagsdrucksache 16/13942 zu Frage 4 gegebene
Antwort, wonach die erforderliche Anschriftenermittlung und öffentliche
Zustellung bei unbekanntem Aufenthalt dazu geführt habe, dass Widerrufs-
verfahren in Altfällen in der Regel erst im Jahre 2009 hätten abgeschlossen
werden können, eine inhaltliche Erklärung dafür, dass die Widerrufsquote
bei irakischen Flüchtlingen sich im ersten Quartal 2009 gegenüber dem Vor-
jahreswert mehr als verzehnfacht hatte (denn eine Änderung der Quote kann
nicht mit der absoluten Zahl oder dem Zeitpunkt der Entscheidungen erklärt
werden; um eine erneute Antwort auch der Ursprungsfrage wird deshalb ge-
beten)?

a) Wird nur noch bei „verfolgungsgefährdeten religiösen Minderheiten“ aus
dem Irak im Regelfall von einem Widerruf abgesehen, wie die Antwort
der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 16/13942 zu Frage 4
nahelegt, und wann und warum wurde gegebenenfalls die vorherige, um-
fassendere interne Regelung aufgegeben, nach der bei Widerrufsverfah-
ren ähnliche Kriterien galten wie bei den Innenministerkonferenz-Rück-
kehrregelungen in Bezug auf den Irak?

b) Was ist der genaue Inhalt der entsprechenden Dienstanweisung des
BAMF, und welche besonderen Vorgaben gelten diesbezüglich in Bezug
auf konkrete Herkunftsländer (z. B. Irak, Afghanistan, Tschetschenien,
Somalia)?

c) Welche Dienstanweisungen des BAMF werden derzeit als Verschlusssa-
che eingestuft und auch unter Berufung auf das Informationsfreiheitsge-
setz nicht offenbart (bitte im Einzelnen auflisten), und was sind die ge-
nauen Gründe hierfür (bitte wiederum im Einzelnen begründen)?

d) Wie legt das BAMF die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) vom 17. Februar 2009 (C-465/07) konkret aus, und welche
Dienstanweisungen hierzu gibt es (bitte genauere Angaben machen als in
der Antwort auf die schriftliche Frage der Fragestellerin vom 9. März
2009, die lediglich die Entscheidung des EuGH umschrieb)?

e) Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung Unterschiede zwischen der
Entscheidung des EuGH vom 17. Februar 2009 und der des Bundesver-
waltungsgerichts vom 24. Juni 2008 bezüglich der Auslegung von Arti-
kel 15 Buchstabe c der Qualifikationsrichtlinie und der sich hieraus erge-
benden konkreten Anwendung, und wenn ja, welche?

f) Wie hoch war die Anerkennungsquote beim subsidiären Schutz in den
Jahren 2005 bis 2007 im jährlichen Durchschnitt, wie hoch war sie in den
Jahren 2008 und 2009 (bei diesen Jahren bitte auch nach Monaten diffe-
renzieren), und inwieweit ist gegebenenfalls eine merkliche Steigerung
dieser Quote in zeitlicher Nähe zur Entscheidung des EuGH mit einer ge-
änderten Rechtsauffassung, Dienstanweisung und/oder Entscheidungs-
praxis des BAMF in Bezug auf die Bewertung ernsthafter individueller
Gefährdungen bei allgemeiner Bedrohungslage, etwa in Bürgerkriegs-
situationen, zu erklären?
5. Wie viele Verfahren im Rahmen der Dublin-II-Verordnung wurden im
dritten Quartal 2009 und in den ersten drei Quartalen des Jahres 2009 ein-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14

geleitet, und wie lauten die Vergleichswerte für das Jahr 2008 (bitte in ab-
soluten Zahlen und in Prozentzahlen die Relation zu allen Asylerstanträ-
gen sowie die Quote der auf EURODAC-Treffern basierenden Verfahren
angeben)?

a) Welches waren in den benannten Zeiträumen die zehn am stärksten be-
troffenen Herkunftsländer, und welches die zehn am stärksten ange-
fragten EU-Mitgliedstaaten (bitte in absoluten Werten und in Prozent-
zahlen angeben)?

b) Wie viele Dublin-Entscheidungen mit welchem Ergebnis (Zustän-
digkeit eines anderen EU-Mitgliedstaats bzw. der Bundesrepublik
Deutschland, Selbsteintritt nach Artikel 3 Absatz 2 der Dublin-II-Ver-
ordnung, humanitäre Fälle nach Artikel 15 der Dublin-II-Verordnung)
gab es in den benannten Zeiträumen?

c) Wie viele Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung wurden in
den benannten Zeiträumen vollzogen (bitte in absoluten Werten und in
Prozentzahlen angeben und auch nach den zehn wichtigsten Herkunfts-
ländern und EU-Mitgliedstaaten differenzieren)?

6. Wie viele Asylanträge wurden im dritten Quartal 2009, in den ersten drei
Quartalen des Jahres 2009 und in den Vergleichszeiträumen des Jahres 2008
nach § 14a Absatz 2 des Asylverfahrensgesetzes von Amts wegen für hier
geborene (oder eingereiste) Kinder von Asylsuchenden gestellt, wie viele
Asylanträge wurden in den genannten Zeiträumen von bzw. für Kinder(n)
unter 16 Jahren bzw. von Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren bzw. von
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gestellt (bitte jeweils in absolu-
ten Zahlen und in Prozentzahlen in Relation zur Gesamtzahl der Asylanträge
sowie die Gesamtzahl der Anträge unter 18-Jähriger und sich überschnei-
dende Teilmengen angeben)?

Berlin, den 3. November 2009

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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