BT-Drucksache 17/13982

Rechtsanspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung zügig realisieren - Qualitätsoffensive in Kitas und Tagespflege in Angriff nehmen

Vom 12. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13982
17. Wahlperiode 12. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Kai Gehring, Agnes Krumwiede,
Monika Lazar, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Krista Sager, Ulrich Schneider,
Arfst Wagner (Schleswig) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rechtsanspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung zügig realisieren –
Qualitätsoffensive in Kitas und Tagespflege in Angriff nehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 1. August 2013 tritt der Rechtsanspruch auf Förderung in Tageseinrichtun-
gen und in der Kindertagespflege für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebens-
jahr in Kraft. Das ist wichtig und richtig so. Denn nur so kann künftig die schon
lange bestehende gesetzliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines tatsächlich be-
darfsgerechten Krippenangebots endlich erfüllt werden. Diese Entwicklung
trägt einem gewachsenen Bewusstsein von dem Rechnung, was unter „Auf-
wachsen in öffentlicher Verantwortung“ (11. Kinder- und Jugendbericht) ver-
standen wird. Die bestmögliche Bildung aller Kinder von Anfang an, der
Wunsch nach verbesserter Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Siche-
rung der Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe aller Kinder sind die ausschlagge-
benden Faktoren für diesen Wandel.

Bis zur Erfüllung des Rechtsanspruchs drohen noch gewaltige Rückschläge.
Dessen zufriedenstellende Erfüllung ab diesem Herbst steht auf der Kippe. Und
auch für die Zeit danach ist mit beachtlichen Herausforderungen zu rechnen.
Auf der einen Seite ist davon auszugehen, dass die Anzahl der zur Verfügung
stehenden Kinderbetreuungsplätze für Unterdreijährige (U3) – insbesondere in
Großstädten und Ballungsgebieten – nicht die Nachfrage erfüllen wird. Auf der
anderen Seite sind diese U3-Plätze nicht immer von der Qualität, die notwendig
ist, damit die Kitas die von ihnen zu Recht erwarteten Aufgaben im Bereich
von Bildung, Erziehung und Betreuung tatsächlich erfüllen können. Im Rah-
men des längst überfälligen quantitativen Ausbaus droht die Qualität in der
Kindertagesbetreuung auf der Strecke zu bleiben. Um der erwarteten Nachfrage
gerecht zu werden, sind Kindergärten zum Teil gezwungen, ihre Kindergarten-
gruppen für Ein- und Zweijährige zu öffnen, ohne diese Öffnung durch entspre-
chend qualifiziertes Fachpersonal auszugleichen. Mancherorts müssen Grup-
pen vergrößert werden, ohne entsprechende Anpassung des Betreuungsschlüs-
sels. Einrichtungen werden „aus dem Boden gestampft“, deren Ausstattung und

Raumgröße den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht werden.

Wer Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe für alle Kinder sichern will, muss Kin-
der früh fördern. Denn eine frühzeitige, qualitativ hochwertige, individuelle
Förderung kann nicht nur Bildungsarmut verhindern, sondern wirkt sich lang-
fristig positiv auf die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung aus. Stu-
dien belegen, dass von einer qualitativ hochwertigen Förderung alle Kinder

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profitieren: Während Kinder mit günstigen familiären Voraussetzungen zusätz-
lich gefördert werden, können bei Kindern mit weniger guten Startbedingungen
Defizite ausgeglichen werden. Doch diese Vorteile der frühkindlichen Bildung
und Förderung drohen zu verpuffen, wenn bundesweit das Angebot und beson-
ders die Qualität der Angebote nicht ausreichen. Ein Umstand, auf den der
14. Kinder- und Jugendbericht mehrfach hinweist (u. a. in den Abschnitten 4.4
und 10.3). Konterkariert werden die positiven Fördermöglichkeiten frühkind-
licher Bildungseinrichtungen durch die Einführung des Betreuungsgeldes. Ins-
besondere für bildungsferne und zugleich einkommensschwache Eltern bietet
das Betreuungsgeld einen starken Anreiz, auf einen Kinderbetreuungsplatz zu
verzichten und stattdessen die Geldleistung in Anspruch zu nehmen.

Die Kindertagespflege hat einen wichtigen Anteil an der Erfüllung des Rechts-
anspruchs. Plätze in der Kindertagespflege sind schneller einzurichten als lang-
fristige Neu- und Umbaumaßnahmen für Kita-Plätze. Dabei muss auch hier be-
sonders auf die Qualität der Plätze geachtet werden. Die Kindertagespflege darf
im Rahmen des U3-Ausbaus nicht als „Billigvariante“ missbraucht werden.
Denn es muss klar sein: Kindertagesbetreuung muss sich an den Bedürfnissen
der Kinder ausrichten. Daher müssen hohe Qualitätsanforderungen an die An-
gebote der frühkindlichen Tagesbetreuung angelegt werden. Dies gilt gleicher-
maßen sowohl für institutionelle frühkindliche Bildungseinrichtungen als auch
für die private und die öffentlich geförderte Kindertagespflege. Seit der Verab-
schiedung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG) im Jahr 2005 werden Ta-
gespflege und Kindertageseinrichtungen im Kinder- und Jugendhilfegesetz als
normativ gleichrangig und mit demselben Bildungs-, Erziehungs- und Betreu-
ungsauftrag versehen beschrieben. Mit dem Kinderförderungsgesetz (KiFöG)
wurde diese Aufwertung der Kindertagespflege fortgeführt. Diese normative
Gleichrangigkeit muss durch eine Qualitätsoffensive für die Betreuungspraxis
befördert werden.

Wenn die Kindertagesbetreuung ihrem gesetzlichen Förderauftrag – gute Bil-
dung, Erziehung und Betreuung – und den gesellschaftlichen Erwartungen an
sie weiterhin gerecht werden soll, muss Kindern, Eltern und pädagogischem
Personal eine deutlich höhere Strukturqualität in den Einrichtungen und in der
Kindertagespflege zur Verfügung stehen. Daher ist neben der Konzentration auf
den Ausbau von Plätzen für Kinder unter drei Jahren eine Qualitätsoffensive in
der Kindertagesbetreuung notwendig. Hier sind Bund, Länder und Kommunen
gemeinsam in der Pflicht, in den kommenden Jahren Verbesserungen zu errei-
chen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

zur Realisierung des Rechtsanspruchs:

• umgehend ein Sofortprogramm für Kommunen aufzulegen, deren Bedarf an
Plätzen für unter Dreijährige deutlich über dem 2007 angenommenen
Durchschnittswert von 35 Prozent liegt und die in den vergangenen Jahren
nachweislich angemessen in den Kita-Ausbau investiert haben,

• gemeinsam mit den Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und freien
Trägern der Wohlfahrtspflege eine Taskforce einzurichten, die kreative
(Zwischen-)Lösungen für den Fachkräfte- und Platzmangel erarbeitet und
bislang ungenutzte Potentiale erschließt;

zur Förderung der Qualität in den Kindertageseinrichtungen:

• bundesweit einheitliche qualitative Mindeststandards im Achten Buch Sozial-
gesetzbuch (SGB VIII) festzuschreiben,
• einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in Kita und Tagespflege ab
dem vollendeten ersten Lebensjahr im SGB VIII zu verankern,

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• bei den Ländern darauf hinzuwirken, dass perspektivisch eine Fachkraft mit
Hochschulabschluss pro Gruppe tätig ist,

• zusammen mit den Ländern für eine ausbildungs- und tätigkeitsangemes-
sene Entlohnung der pädagogischen Fachkräfte Sorge zu tragen,

• zusammen mit den Ländern verbindliche, bundesweit einheitliche Ausbil-
dungsrichtlinien festzulegen, die auch Gesundheitsförderung, Prävention
und Ernährungsbildung beinhalten,

• eine Imagekampagne aufzulegen, in der die Bedeutung elementarpädagogi-
scher Tätigkeit betont wird, um mehr Männer und mehr Menschen mit Mi-
grationshintergrund für die Arbeit in der frühkindlichen Bildung zu gewin-
nen,

• die Länder bei der Weiterentwicklung und Evaluierung der Bildungspläne
zu unterstützen,

• bei den Ländern darauf hinzuwirken, dass flächendeckend Demokratie- und
Teilhabekonzepte Eingang in den frühpädagogischen Arbeitsalltag finden
und hierzu die Förderung der Qualifizierung von Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren für Partizipation in diesem Handlungsfeld auszuweiten;

zur Förderung der Qualität in der Kindertagespflege:

• zusammen mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass alle in der Kinderta-
gespflege tätigen Personen mindestens einen zertifizierten Qualifizierungs-
kurs nach dem KJI-Curriculum mit 160 Unterrichtsstunden abgeschlossen
haben bzw. einen solchen Kurs besuchen,

• bei den Ländern darauf hinzuwirken, dass Spezifika der Kindertagespflege
in die Bildungspläne und -empfehlungen aufgenommen werden,

• sich für bundesweit einheitliche Mindestqualitätsstandards in der Kinder-
tagespflege bezüglich Gruppen- und Raumgröße einzusetzen;

um den drohenden Fachkräftemangel in der Kindertagesbetreuung zu mildern:

• alle Möglichkeiten des Bundes zu nutzen, um die Länder bei der Ausbildung
und ggf. Nachqualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern zu unterstüt-
zen,

• die Länder beim Ausbau der Ausbildungskapazitäten an den Fachschulen zu
unterstützen, um den Fachkräftemangel in den frühkindlichen Bildungsein-
richtungen bestmöglich auszugleichen;

für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf:

• sich dafür einzusetzen, dass die Kita-Öffnungszeiten an die Gegebenheiten
der modernen Arbeitswelt angepasst werden,

• die Erweiterung von Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren als
Regelangebot anzustreben;

zur Sicherstellung von Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe:

• die Förderung einer alltagsintegrierten Sprachbildung fortzusetzen und die
Bundesmittel dafür aufzustocken,

• bei den Ländern darauf hinzuwirken, dass Fort- und Weiterbildung der päd-
agogischen Fachkräfte sowie Sprachbildung in den Bildungsplänen der Län-
der und den pädagogischen Konzepten jeder frühkindlichen Bildungsein-
richtung verankert werden,

• zusammen mit den Ländern die Anschlussfähigkeit der Sprachbildung und
der Maßnahmen der Sprachförderung beim Wechsel von der Kita in die

Schule zu gewährleisten,

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• eine Überprüfung des Kinder- und Jugendhilferechts vorzunehmen mit dem
Ziel, eine durchgehend gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne
Behinderung zu ermöglichen, die gesetzlichen Grundlagen insbesondere für
Kindertageseinrichtungen zu überarbeiten, um eine generelle inklusive För-
derung aller Kinder zu erreichen, sowie die Bildung trägerübergreifender
Arbeitskreise der Fachkräfte zum Austausch der aktuellen Erfahrungen bei
der Umsetzung der inklusiven Erziehung, Bildung und Betreuung anzure-
gen,

• eine Kampagne aufzulegen, die durch eine gezielte Ansprache der Eltern
(u. a. in ihrer Muttersprache) über die Angebote und Vorteile frühkindlicher
Bildungseinrichtungen informiert und so dazu beiträgt, dass Kinder, die be-
sonders von frühkindlichen Bildungsangeboten profitieren, diese auch wahr-
nehmen,

• bei den Ländern auf eine nichtstigmatisierende Kostenübernahme für das
Mittagessen für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen hinzuwir-
ken,

• bei den Ländern darauf hinzuwirken, dass die Kita-Gebühren sozial gestaf-
felt sind und langfristig ganz entfallen;

zur Finanzierung des quantitativen und qualitativen Ausbaus von Kitas und
Kindertagespflege:

• das Ehegattensplitting durch eine Individualbesteuerung mit übertragbarem
Existenzminimum zu ersetzen und die freiwerdenden Mittel u. a. zur Finan-
zierung guter Kitas zu nutzen,

• das Betreuungsgeld abzuschaffen und die für das Betreuungsgeld im Bun-
deshaushalt eingeplanten Bundesmittel umgehend in den Kita-Ausbau zu in-
vestieren.

Berlin, den 12. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Ab dem 1. August 2013 haben Kinder ab dem vollendeten 1. Lebensjahr einen
Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in Tageseinrichtungen und in der
Kindertagespflege. Durch ein Leistungsangebot in Kindertageseinrichtungen
und bei Tageseltern, das lediglich eine Betreuung der Kinder umfasst, wird die-
ser Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung nicht erfüllt. Somit stehen wir
bei der Realisierung des Rechtsanspruchs vor einer doppelten Herausforderung.
Zum einen müssen Bund, Länder und Kommunen dafür Sorge tragen, dass zu
Beginn des Kindergartenjahres 2013/2014 ausreichend U3-Plätze zur Verfü-
gung stehen. Und zum anderen müssen diese Plätze hohen Qualitätsanforderun-
gen genügen, damit Kindertagesstätten den an sie gestellten Anforderungen mit
Blick auf frühe Förderung tatsächlich entsprechen können.

Quantitativer U3-Ausbau

Beim so genannten Krippengipfel im April 2007 einigten sich Bund, Länder
und Kommunen auf einen Ausbau der Kinderbetreuung für 35 Prozent der Kin-
der unter drei Jahren. Das entsprach zum damaligen Zeitpunkt etwa 750 000

U3-Plätzen. Man hoffte, so die geschätzte Nachfrage der Eltern erfüllen zu kön-

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nen. Neuere Elternbefragungen haben jedoch einen deutlich höheren Bedarf
ergeben. Auf Initiative des Bundesrates vereinbarten Bund und Länder daher
den Ausbau von weiteren 30 000 U3-Plätzen.

Das Statistische Bundesamt hat im November 2012 Zahlen (Stichtag 1. März
2012) zum Kita-Ausbau veröffentlicht, wonach noch 220 000 U3-Plätze fehlen,
um das selbstgesteckte Ziel von 780 000 Plätzen zu erreichen. Es ist daher da-
von auszugehen, dass die Ausbaubemühungen, die Bund, Länder und Kommu-
nen in den vergangenen Jahren gezeigt haben, nicht ausreichen werden, um die
Nachfrage nach U3-Plätzen (und damit den Rechtsanspruch) zu erfüllen. Ge-
rade in Großstädten und Ballungszentren ist damit zu rechnen, dass die Nach-
frage deutlich über 50 Prozent liegen wird. Besonders für diese zum Teil auch
überschuldeten Kommunen wird es trotz der getätigten Anstrengungen schwer,
im August dieses Jahres ein ausreichendes Angebot an U3-Plätzen vorzuhalten.
Notwendig ist daher ein Sonderprogramm, das diese Kommunen schnell, un-
bürokratisch und zielgerichtet beim U3-Ausbau finanziell unterstützt.

Qualitätsoffensive in den Kitas

In den vergangenen Monaten haben Bund, Länder und viele Kommunen ihre
Anstrengung beim quantitativen U3-Ausbau verstärkt. Dies zum Teil auf Kos-
ten der Qualität der frühkindlichen Bildungsangebote. Um möglichst vielen
Eltern einen Betreuungsplatz für ihre ein- und zweijährigen Kinder zur Verfü-
gung zu stellen, wurden in einigen Ländern z. B. Kita-Gruppen ohne Anpassung
des Personaleinsatzschlüssels vergrößert oder die Qualitätsstandards bezogen
auf die räumliche Ausstattung abgesenkt. Diese Konzentration auf den quanti-
tativen Ausbau zeigt sich deutlich im Vierten Zwischenbericht der Bundes-
regierung zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes, in dem die Qualität in
den Einrichtungen und in der Kindertagespflege lediglich eine untergeordnete
Rolle spielt. Damit die Kindertagesstätten die an sie zu Recht gerichteten Er-
wartungen mit Blick auf frühe Förderung tatsächlich erfüllen können, muss
aber auch die Qualität der Kinderbetreuungsplätze stimmen.

Insbesondere die Fachkraft-Kind-Relation ist wichtig, um die Qualität in den
Kitas zu verbessern. Sowohl der Erste als auch der Zweite Zwischenbericht zur
Evaluation des Kinderförderungsgesetzes der Bundesregierung stellen fest,
dass der Personaleinsatzschlüssel vielerorts als „unter fachlichen Gesichts-
punkten als bedenklich“ und „verbesserungswürdig“ einzustufen ist. Aufgrund
einer fehlenden bundeseinheitlichen Regelung variiert die Fachkraft-Kind-
Relation zwischen den Bundesländern sehr.

Daher soll ein auf die Fachkraft-Kind-Relation bezogener Standard im
SGB VIII verankert werden, um einen deutlichen Qualitätsschub in den Ein-
richtungen zu ermöglichen und um sicherzustellen, dass Eltern bundesweit ein
vergleichbares Bildungs- und Betreuungsangebot für ihre Kinder zur Verfü-
gung steht. Die festgeschriebene Fachkraft-Kind-Relation soll sich – als Maxi-
malgröße – an 1:4 für unter Dreijährige und 1:10 für über Dreijährige orientie-
ren. Eine Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation muss aber auch Verfü-
gungszeiten beinhalten. Das in einer Kindertageseinrichtung tätige Fachperso-
nal benötigt für eine qualitativ hochwertige Arbeit Vor- und Nachbereitungszei-
ten. Diese sollten 25 Prozent der vereinbarten Arbeitszeit nicht unterschreiten.

Frühkindliche Bildung braucht Zeit. Der Ganztagsbetrieb ermöglicht einen
neuen Tagesrhythmus in den Einrichtungen und bietet mehr Zeit für die Förde-
rung insbesondere der Kinder, denen in ihren Familien wenig Förderung zuteil-
wird und ist somit ein wichtiger Qualitätsfaktor. Daher ist eine Klarstellung im
Bundesgesetz notwendig, dass es sich beim Rechtsanspruch auf einen Betreu-
ungsplatz um einen Ganztagsplatz handelt – für alle Kinder ab dem vollendeten

1. Lebensjahr bis zur Einschulung.

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Laut dem 4. KiföG-Bericht arbeiten in Deutschland insgesamt fast 464 000
Personen in einer Kindertageseinrichtung. Davon sind 72 Prozent ausgebildete
Erzieherinnen bzw. Erzieher und 13 Prozent Kinderpflegerinnen bzw. -pfleger.
Lediglich 5 Prozent des eingesetzten Personals verfügt heute über einen Hoch-
schulabschluss. Mit der Qualifikation des pädagogischen Fachpersonals steigt
auch die Qualität der geleisteten Arbeit. Die Arbeit in den Kindertagesstätten
ist in den vergangenen Jahren deutlich anspruchsvoller geworden. Um das
breite Aufgabenspektrum zu bewältigen bedarf es einer erweiterten Personal-
struktur. Für einen Teil des Personals ist eine entsprechend höherqualifizierte
Ausbildung notwendig. Mittelfristig streben wir eine Fachkraft mit Hochschul-
abschluss in jeder Gruppe an.

Angesichts der Tatsache, dass der Studiengang der Frühpädagogik eine sehr
neue Disziplin an den deutschen Hochschulen ist, ist es bis dahin allerdings
noch ein weiter Weg. Wir setzen uns für verbindliche, bundesweite Ausbil-
dungsrichtlinien ein, damit die berufliche Identität der Absolventinnen und Ab-
solventen erleichtert und den Anstellungsträgern mehr Sicherheit bei der An-
stellung von (Fach-)Hochschulabsolventen gegeben wird.

Bislang wird den in der frühkindlichen Bildung tätigen Pädgogen nicht die not-
wendige Anerkennung für ihre wichtige Arbeit zuteil. Eklatantestes Zeichen
dieser mangelnden Wertschätzung ist die Vergütung: eine Entlohnung, die we-
der der Ausbildung noch dem Aufgabenbild in einer Kita entspricht. Ange-
sichts der enorm gestiegenen Anforderungen müssen Pädagoginnen und Päd-
agogen endlich leistungsgerecht bezahlt und ihre Arbeitsbedingungen verbes-
sert werden.

Außerdem müssen mehr Männer und mehr Menschen mit Migrationshinter-
grund für eine Tätigkeit in den Kitas gewonnen werden. Dazu braucht es auf
der einen Seite eine gezielte Imagekampagne, in der die Bedeutung elementar-
pädagogischer Tätigkeit betont wird. Und auf der anderen Seite braucht es end-
lich eine ausbildungs- und tätigkeitsangemessene Besoldung.

Auf Anregung der Kinder- und Familienministerkonferenz haben mittlerweile
alle Bundesländer Bildungspläne bzw. Bildungsvereinbarungen erarbeitet und
verabschiedet. Mit landesspezifischen Bildungsplänen wird in den meisten
Ländern erstmals das pädagogische Geschehen in den Einrichtungen durch all-
gemein gültige inhaltliche Vorgaben gesteuert. Ferner gibt es aus dem Jahr
2004 den Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kinderta-
geseinrichtungen. Diesen Prozess gilt es weiter voranzutreiben, damit allen
Kindern in Deutschland gute Chancen auf Bildungsteilhabe zuteilwerden. Drin-
gend notwendig ist eine Evaluierung der Bildungspläne.

Fehlende Bewegung, ungesunde und einseitige Ernährung und Leistungsdruck,
aber auch ein zunehmender Verlust von Sicherheit und sozialer Einbindung gel-
ten als wesentliche Faktoren für die Herausbildung von chronischen Erkran-
kungen bereits im jüngeren Lebensalter. Gesundheitsförderung und Prävention
sollten als fester Bestandteil im Kita-Alltag verankert werden. Dabei soll Ge-
sundheit nicht nur durch partielle Angebote in den Bereichen Ernährung und
Bewegung, sondern als Leitmotiv der Organisation Kita integriert werden.

Eine gesunde Ernährung und die Einhaltung der DGE-Qualitätsstandards soll-
ten in der Kindertagesbetreuung selbstverständlich sein. Dabei ist auf die Ver-
wendung regionaler Qualitätsprodukte mit einem hohen Bio-Anteil zu achten.
Um dies pädagogisch zu verankern, muss die Ernährungsbildung als Teil der
Ausbildung von Fachkräften in der Kindertagesbetreuung weiter ausgebaut
werden. Auch unter pädagogischen Gesichtspunkten sind gemeinsame Mahl-
zeiten von Bedeutung, da sie nicht nur das soziale Miteinander fördern, sondern
auch wichtige Kulturtechniken vermitteln.

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Der Partizipation und Demokratieförderung von Kindern kommt eine beson-
dere Bedeutung zu. Demokratisches Lernen fängt im Kindergartenalter an. Be-
reits in der Kindertagesbetreuung können Kinder erste Partizipationserfahrun-
gen außerhalb des Elternhauses sammeln – mit Gleichaltrigen sowie Erziehe-
rinnen und Erziehern. Partizipation ist Kern einer bildungs- und demokratie-
orientierten pädagogischen Arbeit. Viele Bundesländer haben in ihren
Landesverfassungen oder in den Ausführungsgesetzen zum Kinder- und Ju-
gendhilfegesetz vorbildliche Regelungen zur Beteiligung von Kindern und El-
tern verankert. Kinder lernen alltagspraktisch ihre eigenen und die Rechte an-
derer Kinder kennen. Kindertagesstätten brauchen daher ein Demokratie- und
Teilhabekonzept. Die Qualifizierung von Multiplikatorinnen und Multiplikato-
ren für Partizipation im Handlungsfeld der frühkindlichen Bildung muss jedoch
dringend bundesweit gefördert werden.

Qualitätsoffensive in der Kindertagespflege

Der Vereinbarung des so genannten Krippengipfels zufolge soll ein Drittel der
zusätzlichen U3-Plätze in der Kindertagespflege entstehen. Auch hier brauchen
wir eine Qualitätsoffensive. Auch für in der Kindertagespflege tätige Personen
muss eine fundierte, pädagogische Qualifikation Grundvoraussetzung sein, um
frühkindliche Bildung und Förderung zu gewährleisten. Qualifizierungsmaß-
nahmen für Tageseltern dürfen eine Mindestdauer von 160 Stunden nicht unter-
schreiten. Nur so kann auch die Kindertagespflege den gestiegenen Ansprüchen
an eine qualitativ hochwertige familienergänzende Erziehung, Bildung und Be-
treuung gerecht werden. Tagesmütter und -väter müssen angemessen entlohnt
werden.

Obwohl die meisten Bildungspläne keine Ausführungen zur Betreuung von
Kindern in häuslicher Umgebung beinhalten, arbeiten qualifizierte Tagespfle-
gepersonen häufiger nach einem pädagogischen Konzept oder beziehen die Bil-
dungspläne der Länder in ihr pädagogisches Handeln ein als Tageseltern ohne
entsprechende Qualifizierung. Daher sollten Spezifika der Kindertagespflege in
die Bildungspläne und -empfehlungen der Länder aufgenommen werden.

Aus Sicht der Frühpädagogik und mit Blick auf die familienähnlichen Rahmen-
bedingungen sollte eine pädagogische Obergrenze von fünf Kindern, wie es in
§ 43 SGB VIII festgeschrieben ist, nicht überschritten werden. Bei der Ertei-
lung der Pflegeerlaubnis sind aus pädagogischen Gründen die eigenen Kinder
der Tagespflegeperson unter sechs Jahren sowie eine Altersmischung der Kin-
dertagespflegegruppe zu berücksichtigen. Notwendig ist auch eine Festlegung
des Tagespflegeperson-Kind-Schlüssels in Abhängigkeit vom Alter der Kinder.
Je jünger die Kinder sind und je altershomogener die Gruppe zusammengesetzt
ist, desto kleiner sollte die Gruppe sein: Bei Kindern mit besonderen Bedürfnis-
sen (z. B. einer Behinderung) sollte die Zahl der Kinder pro Tagespflegeperson
reduziert werden.

Für ein qualitativ hochwertiges Tagespflegeangebot sind kindgerechte Räum-
lichkeiten mit Spielflächen und ruhigen Schlafmöglichkeiten sowie für die Kin-
der nutzbaren Sanitärräumen unabdingbar. Angemessene Sicherheits- und Hy-
gienestandards, die – sofern noch nicht geschehen – von den Ländern zu entwi-
ckeln sind, müssen eingehalten und regelmäßig überprüft werden. Überzogene
und mit erheblichem bürokratischem Aufwand behaftete Anforderungen sind
aber nicht zielführend. Eine leichte Erreichbarkeit von kindgerechten Außen-
spielgeländen sollte gewährleistet sein, die regelmäßig mit den Kindern besucht
werden. Um den Kindern vielfältige Sinneserfahrung zu ermöglichen und ih-
rem hohen motorischen Aktivitätslevel gerecht zu werden, sollten die Räum-
lichkeiten ausreichend Freiflächen sowie Ausruh- und Rückzugsbereiche vor-

halten. Für eine angemessene Förderung der Kinder sollte das Spielmaterial al-
tersangemessen und entwicklungsfördernd sein.

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Fachkräftemangel

Durch den Ausbau der Platzzahlen in den Einrichtungen sind zusätzliche Fach-
kräfte erforderlich. Bis 2013 werden ca. 56 500 zusätzliche Fachkräfte gebraucht.
Ein erheblicher Teil des Bedarfs (47 000) kann im Rahmen der bestehenden Aus-
bildungskapazitäten abgedeckt werden. Ein kleinerer Teil wird durch Erzieherin-
nen und Erzieher abgedeckt, die aufgrund des demografischen Wandels von der
Ü3- in die U3-Betreuung wechseln. (s. Personalbedarfsberechnung für den Be-
reich Kindertagesbetreuung für den Zeitraum von März 2011 bis August 2013 –
Aktualisierung und Erweiterung der Publikation „Der U3-Ausbau und seine
personellen Folgen“ von Th. Rauschenbach und M. Schilling, München 2010.
Erstellt von der Dortmunder Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendhilfestatistik,
Dr. Matthias Schilling, Dortumd 2012.) Diese Zahlen gelten allerdings nur, wenn
die Fachkraft-Kind-Relation nicht verbessert wird. Berücksichtigt man weiter-
hin, dass nur ein geringer Teil der pädagogischen Fachkräfte Vollzeit arbeitet,
liegt der Bedarf an zusätzlichen pädagogischen Fachkräften in den Kitas noch
höher. Daher müssen die Ausbildungskapazitäten an den Fachschulen dringend
ausgebaut und ein Wieder- und Quereinstieg erleichtert werden. Dies muss auch
geschehen, damit auch die Eltern von morgen ihre Kinder gut gefördert wissen.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Trotz des Kita-Ausbaus stellt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele
Eltern eine alltägliche Herausforderung dar. Wenngleich auch immer mehr
Männer bereit sind, Sorge- und Familienarbeit zu übernehmen oder in Eltern-
zeit zu gehen, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bislang gerade für
Frauen eine große Herausforderung. Wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber
auf Familienbedarfe keine Rücksicht nehmen und keine flexiblen Arbeitszeit-
modelle anbieten, kann dabei die Berufstätigkeit schnell auf der Strecke blei-
ben.

Daher ist der zügige Ausbau einer qualitativ hochwertigen Betreuungs- und
Bildungsinfrastruktur ein wesentliches Element, um nichtreversible Brüche im
Lebensverlauf vor allem von Frauen zu vermeiden. Denn damit wird eine Er-
werbstätigkeit von Frauen oftmals erst ermöglicht. Zu diesem Ergebnis kommt
auch eine Studie zur Evaluation der familienpolitischen Leistungen, die das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gege-
ben hat. Ein qualitativ hochwertiges und bedarfsorientiertes Betreuungsangebot
nützt beiden Geschlechtern.

Wenn wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern wollen, darf sich
die Betreuungszeit nicht auf den Zeitraum von 8.00 bis 16.00 Uhr erschöpfen.
Kindertagesstätten müssen ihre Öffnungszeiten an die Gegebenheiten der mo-
dernen Arbeitswelt anpassen.

Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe

Gemeinschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen durch gemeinsame
Bildung und Erziehung.

Besonders Kinder potentiell benachteiligter Familien, z. B. aus bildungsfernen
oder sozial schwachen Familien, können besonders von einer frühkindlichen
Förderung profitieren. Doch gerade diese Kinder sind in Kindertageseinrich-
tungen unterrepräsentiert. Laut dem 14. Kinder- und Jugendbericht führe dies
dazu, „dass nicht alle Potenziale der frühen Kindheit ausgeschöpft werden und
Teilhabechancen von Kindern bereits in den ersten Lebensjahren ungleich ver-
teilt sind“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/12200, S. 115).

Ziel muss eine Pädagogik ohne Aussonderung sein. Inklusive Betreuung, Er-

ziehung und Bildung gehen vom Grundsatz der uneingeschränkten Teilhabe
aller Kinder aus – mit oder ohne Behinderung, mit oder ohne Migrationshinter-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/13982

grund. Alle Kinder sollen in der Kita eine auf ihre individuellen Bedürfnisse
ausgerichtete spezifische Förderung und Unterstützung erhalten. Dazu bedarf
es des inklusiven Angebots im strukturellen und inhaltlichen Bereich der Kin-
dertagesstätten.

Bei der Sprachbildung und Sprachförderung in den Kindertagesstätten setzen
wir auf Chancengleichheit, Integration und Sprachförderung von Anfang an.
Hierfür müssen die Bundesmittel für die Sprachbildung aufgestockt werden,
um deutlich mehr Kinder zu erreichen. Studien zeigen, dass selbst eine gezielte
Sprachförderung von 4- und 5-Jährigen nicht ausreicht, um eventuell beste-
hende Sprachdefizite bis zum Schuleintritt aufzuholen (s. www.zeit.de/2010/
43/B-Sprachtests). Viel effektiver als Sprachtrainings vor dem Schuleintritt ist
eine Sprachbildung im Kita-Alltag.

Sprachförderung muss möglichst früh ansetzen und richtet daher den Fokus auch
auf die Unterdreijährigen. Notwendig dafür ist u. a. eine gezielte Ansprache der
Eltern in ihrer Muttersprache, um alle jungen Familien über ihren Rechts-
anspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten 1. Lebensjahr und die
Vorteile frühkindlicher Bildungsangebote zu informieren. So sollen Kindern aus
Familien, in denen nicht deutsch gesprochen wird, schon frühzeitig über den
Kontakt mit anderen Kindern und Erwachsenen im Alltag Deutschkenntnisse
vermittelt werden. Von besonderer Bedeutung bei der Sprachbildung ist eine ak-
tivierende Elternarbeit, die auch die Muttersprache anerkennt.

Faire Chancen für alle Kinder – dazu gehört auch die Herausforderung gemein-
samer Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung. Zwar gibt es Unter-
schiede zwischen den einzelnen Bundesländern, aber mit Blick auf das gesamte
Bundesgebiet wurden im Jahr 2006 von allen Kindern mit Behinderung, die
eine Kindertagesstätte in Anspruch nahmen, 76,8 Prozent „integrativ“ betreut.
Kinder mit und ohne Behinderungen sollen von Anfang an in ihrer Entwick-
lung gefördert und gestärkt werden. Viele Kindertageseinrichtungen fühlen sich
den besonderen Bedürfnissen und Problemen der Kinder weder fachlich, zeit-
lich noch räumlich gewachsen. Zudem bestehen Probleme an den Schnittstellen
zum Gesundheitsbereich beispielsweise bei der Zusammenarbeit mit Frühpäd-
agogikeinrichtungen. Eine umfassende Unterstützung in den Kindertagesstätten
ist daher ebenso unerlässlich wie die Beseitigung der Probleme bei den Kom-
plexleistungen zur Frühförderung. Elementarpädagogische Sondereinrichtun-
gen sollen überwunden und die inklusive Betreuung für alle Kinder mit Behin-
derung ermöglicht werden.

Inklusion ist auch ein Thema für Benachteiligungen von Kindern aufgrund ih-
rer sozialen Herkunft oder ihres Migrationshintergrundes. Kinder mit Migra-
tionshintergrund profitieren noch nicht ausreichend vom Ausbau des Platzange-
bots in der Kindertagesbetreuung. Frühkindliche Bildung und Förderung kann
dieser Benachteiligung entgegenwirken. In Westdeutschland ist die Betreu-
ungsquote von unter Dreijährigen mit Migrationshintergrund nur halb so hoch
wie die von Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund. Oftmals liegt dies in
der nicht ausreichenden Information über bestehende Betreuungsangebote oder
in der Schwierigkeit, die Leistungen auf dem vorgesehenen Weg einzufordern,
begründet. Mit einer gezielten Ansprache der Eltern nichtdeutscher Herkunft,
z. B. in ihrer Muttersprache, kann diesem Informationsdefizit entgegengewirkt
werden. In vielen Fällen kann auch eine Erzieherin bzw. ein Erzieher mit Mi-
grationshintergrund die Hemmschwelle für Eltern von Kindern nichtdeutscher
Abstammung senken.

Bildung gehört zu jedem Lebensalter, der Grundstein wird aber in der frühen
Kindheit gelegt. Daher sollte auch frühkindliche Bildung nicht durch Gebühren
(teil-)finanziert werden. Perspektivisch ist daher eine Gebührenfreiheit anzu-

streben. Bis dahin muss sichergestellt werden, dass Kita-Gebühren sozial ge-

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staffelt und so gestaltet sind, dass Eltern nicht aufgrund der Gebühren ihre Kin-
der nicht in einer Kita anmelden.

Finanzierung

Die notwendige Qualitätsoffensive in der Kindertagesbetreuung ist als nächster
Schritt ebenso wie der Ausbau der Plätze eine gesamtgesellschaftliche Auf-
gabe. Die Kommunen alleine werden eine deutliche Verbesserung der Betreu-
ungsrelation in den Einrichtungen nicht finanzieren können. Daher müssen
Bund, Länder und Kommunen auch über 2013 hinaus eine faire Kostenauftei-
lung mit klarer Zweckbindung vereinbaren. Zur Finanzierung des qualitativen
wie quantitativen Kita-Ausbaus soll das Ehegattensplitting durch eine Indivi-
dualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag ersetzt werden. Nicht die
Ehe, sondern Kinder müssen im Mittelpunkt der Förderung stehen.

Das Instrument des Betreuungsgelds zielt bildungs- und gleichstellungspoli-
tisch in eine völlig falsche Richtung und setzt deutliche Fehlanreize. Gerade für
bildungsferne und zugleich einkommensschwache Eltern bietet es einen star-
ken Anreiz, ihre Kinder zu Hause zu betreuen. Dadurch entgehen den Kindern
die frühen Förderangebote in einer Kinderbetreuungseinrichtung. Die für das
Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel fehlen für den qualitativen und quantitati-
ven Ausbau der Kitas.

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