BT-Drucksache 17/13894

zu der Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen, transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft genannt, zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika KOM (2013) 136 endg.; Ratsdok. 7396/13 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Keine weitere Liberalisierung über ein EU-Freihandelsabkommen mit den USA

Vom 11. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13894
17. Wahlperiode 11. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Barbara Höll und der
Fraktion DIE LINKE.

zu der Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung
zur Aufnahme von Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und
Investitionsabkommen, transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft
genannt, zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten
von Amerika
(KOM(2013) 136 endg.; Ratsdok. 7396/13)

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit
von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten
der Europäischen Union

Keine weitere Liberalisierung über ein EU-Freihandelsabkommen mit den USA

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zölle spielen im Handel zwischen der EU und den USA bis auf wenige Bereiche
(z. B. Landwirtschaft) eine geringe Rolle. Deshalb stehen im Zentrum des Ver-
handlungsmandates der Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse sowie die
Verhinderung des Aufbaus neuer Hemmnisse. Diese „nichttarifären Handels-
hemmnisse“ sind jedoch im Wesentlichen nichts anderes als Gesetze und Vor-
schriften, die zum Nutzen der Gesellschaft erlassen worden sind. Mit dem vor-
liegenden, extrem weitgehenden Verhandlungsmandat können nationale soziale
und ökologische Standards als handelshemmend interpretiert und beseitigt wer-
den, zugunsten des Profitinteresses der Konzerne und zum Schaden von Mensch
und Umwelt.

Die vorgesehene Erweiterung bzw. Vertiefung der „regulatorischen Disziplinen“
führt zu einer grundlegenden Einschränkung nationaler und lokaler Regulie-
rungsautonomie. Bereits frühzeitig, also vor dem Erlassen von Regeln und Ge-
setzen für den Waren- und Dienstleistungsbereich soll mittels Konsultationen

verhindert werden, dass den Unternehmen „mehr Lasten als möglich“ auferlegt
werden.

Was die Verhandlungen über ein Allgemeines Abkommen über den Handel mit
Dienstleistungen (GATS) und die EU-Kommission nicht schaffen, soll dieses Ab-
kommen bringen: Den Abbau jeglichen Schutzes des Dienstleistungssektors vor
dem Profitstreben privater Unternehmen. Richtschnur ist das höchste Liberali-
sierungsniveau eines Vertragspartners. Im Abkommen zwischen der USA und Ka-

Drucksache 17/13894 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nada wurde der Negativlistenansatz gewählt, das heißt, eine Dienstleistung, die
nicht explizit von der Liberalisierung und Privatisierung ausgenommen wurde,
ist für ausländische Investoren frei gegeben. Dies würde dann auch für die Eu-
ropäische Union drohen.

Sensible Bereiche wie kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen sind nicht
grundsätzlich aus den Verhandlungen ausgenommen. Damit widerspricht das Man-
dat dem UNESCO-Abkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt
kultureller Ausdrucksformen, das die Bundesregierung am 12. März 2007 rati-
fiziert hat. Nach vielfacher Expertenmeinung steht zu befürchten, dass die Kul-
turförderung in der Bundesrepublik Deutschland durch Bund, Länder und Kom-
munen gefährdet ist. Mit ihrer Zustimmung würde die Bundesregierung gegen
ihre Verpflichtungen aus dem UNESCO-Abkommen verstoßen.

Während soziale und ökologische Regulierungen beiderseits des Atlantiks abge-
baut werden, sollen im Gegenzug die Rechte der Konzerne durch ungehinderte
Niederlassungsfreiheit und umfangreichem Investitionsschutz gestärkt werden.
Durch ein erweitertes Klagerecht (Investor-to-State-Verfahren) könnten Kon-
zerne unter anderem gegen europäische Fracking-Verbote vor Schiedsgerichte
ziehen und hohe Schadensersatzforderungen einklagen. Der Schiedsspruch selbst
ist einer Überprüfung durch nationale Stellen entzogen. So werden demokratisch
gewählte Parlamente ihrer Gesetzgebungsgewalt beraubt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

das Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission für die Transatlanti-
sche Handels- und Investmentpartnerschaft (TTIP) im Rat abzulehnen, weil:

a) es einen Angriff auf die unterschiedlichen sozialen und ökologischen Stan-
dards sowohl in der EU als auch den USA bedeutet,

b) der Dienstleistungssektor sowie das öffentliche Beschaffungswesen einer um-
fassenden Liberalisierung und Privatisierung ausgesetzt würden,

c) audiovisuelle und kulturelle Dienstleistungen aus dem Verhandlungsmandat
nicht ausgenommen sind,

d) die Landwirtschaft nicht aus dem Verhandlungsmandat ausgenommen ist und
der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa z. B. vor gen-
technisch veränderten Pflanzen oder mit Chlor und Hormonen behandeltem
Fleisch abgebaut würde,

e) mit der Erweiterung bzw. Vertiefung der „regulatorischen Disziplinen“ eine
grundlegende Einschränkung nationaler und lokaler Regulierungsautonomie
droht und

f) mit einem Investor-to-State-Schiedsgerichtsverfahren ausländische Investoren
nationale Gesetzgebungen und Vorschriften umgehen oder aushebeln können.

Berlin, den 11. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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