BT-Drucksache 17/13864

Radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung

Vom 10. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13864
17. Wahlperiode 10. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
Sven-Christian Kindler, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung

Radioaktive Abfälle lassen sich unterschiedlich klassifizieren. Am bekanntes-
ten ist die Unterteilung in schwachradioaktive Abfälle (LAW), mittelradioak-
tive Abfälle (MAW) und hochradioaktive Abfälle (HAW). Hinsichtlich der
Endlagerung dieser Abfälle ist neben ihrer Aktivität jedoch noch ein weiterer
Aspekt relevant: die Wärme, die sie entwickeln. Sie hat Auswirkungen auf das
Endlager und darf daher je nach Standort und Endlagerkonzept ein bestimmtes
Maß nicht überschreiten.

Mit Blick auf seine Endlagerung wird der in Deutschland angefallene und noch
anfallende Atommüll in zwei Kategorien unterteilt: wärmeentwickelnde radio-
aktive Abfälle und radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwick-
lung. Bei letzteren handelt es sich im Wesentlichen um die schwachaktiven und
einen Großteil der mittelaktiven Abfälle und als ihr Endlager ist Schacht Konrad
vorgesehen.

Daneben gibt es eine Kategorie radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer
Wärmeentwicklung, die nicht im Schacht Konrad eingelagert werden dürfen. Es
handelt sich laut Bundesregierung „um Abfälle, deren Aktivitätskonzentrationen
an einzelnen Nukliden so hoch ist, dass sie die gemäß Planfeststellungs-
beschluss für das Endlager Konrad beschränkten Aktivitäten oder Stoffgehalte
nahezu ausschöpfen oder überschreiten würden“, vgl. hierzu Bundestagsdruck-
sachen 17/3627, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Fra-
ge 17 und 17/6954, Antwort auf die Schriftliche Frage 203. Ein Großteil dieser
Abfälle ist der in Deutschland betriebenen Urananreicherung geschuldet, bei der
abgereichertes Uran anfällt, sogenannte Urantails. Die hierzulande anfallende
Urantails-Menge wird unterschiedlich abgeschätzt, laut o. g. Bundestagsdruck-
sache 17/6954, Antwort auf die Schriftliche Frage 203, ging die Gesellschaft für
Anlagen- und Reaktorsicherheit im Jahr 2011 von immerhin rund 35 000 m3 aus,
das Bundesamt für Strahlenschutz sogar von rund 100 000 m3.

In Bezug auf die Endlagerung dieser nicht Konrad-gängigen radioaktiven Ab-

fälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung erscheinen noch diverse Fragen
offen, beispielsweise existieren noch keine Sicherheitsanforderungen für ihre
Endlagerung, vgl. Bundestagsdrucksache 17/7279, Antwort auf die Schriftliche
Frage 89. Dies wirft die grundlegende Frage auf, ob es vertretbar ist, in der
Bundesrepublik Deutschland weiterhin abgereichertes Uran in so erheblichen
Mengen anfallen zu lassen.

Drucksache 17/13864 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Diese Anfrage dient in erster Linie aber dazu, die Ursprünge bzw. wesentlichen
Anteile an der Gesamtmenge der in der Bundesrepublik Deutschland bis zum
Jahr 2080 schätzungsweise anfallenden Mengen an nicht wärmeentwickelnden
radioaktiven Abfällen zu erheben und den Anfall in zeitlicher Hinsicht zu be-
leuchten.

Eine wesentliche Motivation für diese Anfrage war, dass das Bundesministe-
rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) über die
Ursprünge/Anteile dieser Abfälle aus Sicht der Fragesteller völlig unzureichend
informieren will. Bei radioaktiven Abfällen ergibt sich aus ihrer besonderen Ge-
fährlichkeit auch eine besondere Verantwortung, umfassend zu informieren.
Hierzu steht die kürzliche Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdruck-
sache 17/13172, Schriftliche Frage 40, in klarem Widerspruch (die im Übrigen
aufgrund des geringen in der Rubrik „Sonstige Industrie“ angegebenen Volu-
mens auch die o. g. genannte Kategorie der nicht Konrad-gängigen Abfälle aus
der Urananreicherung nicht zu enthalten scheint).

In der Vergangenheit wurden Fragen nach radioaktiven Abfällen deutlich präzi-
ser beantwortet – auch dann, wenn die Namen einzelner privatwirtschaftlicher
Mülleigentümer/-verursacher nicht offen gelegt wurden, vgl. hierzu beispiels-
weise Bundestagsdrucksache 17/4009, Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage zu den Fragen 1 und 4 sowie Bundestagsdrucksache 17/6954,
Antwort auf die Schriftliche Frage 203. Was den der öffentlichen Hand zuzuord-
nenden Atommüll betrifft, gibt es aus Sicht der Fragesteller keinerlei Recht-
fertigung für die Vertraulichkeit und Ablehnung präziser Auskünfte. Daneben ist
auch hier festzuhalten, dass die Bundesregierung in dieser Wahlperiode bereits
deutlich präzisere Angaben zu dem der öffentlichen Hand zuzuordnenden
Atommüll gemacht hat, vgl. Bundestagsdrucksache 17/3447, Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage zu den Fragen 6 bis 9.

Diese Anfrage zielt nun darauf ab, die Ursprünge bzw. Verursacheranteile an der
Gesamtmenge der radioaktiven Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwick-
lung in Deutschland möglichst präzise zu erheben. Dabei erscheint es aus Sicht
der Fragesteller möglich, auch in Bezug auf privatwirtschaftliche Unternehmen
präzise Angaben zu machen, ohne deren Namen zu nennen. Beispielsweise
könnte statt einer eindeutigen Bezifferung der den vier großen Atomkraftwerke
betreibenden Stromkonzernen E.ON Vertrieb Deutschland GmbH, RWE AG,
EnBW Energie Baden-Württemberg AG und Vattenfall jeweils zuzuordnenden
Müllmengen auch viermal eine Zuordnung zu dem anonymisierten Wort Ener-
gieversorgungsunternehmen (EVU) erfolgen, wenn die Bundesregierung eine
eindeutige Zuordnung absolut nicht für machbar hält. Bei der Verursacherkate-
gorie „Sonstige Industrie“ könnte eine ähnliche Anonymisierung erfolgen.

Die Fragesteller wollen aber darauf hinweisen, dass sie eine eindeutige Zuord-
nung für wünschenswert und sachgerecht halten und diese auch ohne Weiteres
möglich ist, wenn die Verursacher anlässlich dieser Anfrage um ihr Einverständ-
nis gebeten werden und dieses erklären. Die in den Fragen 1 bis 4 genannten
Volumina sind der Bundestagsdrucksache 17/13172, Antwort auf die Schrift-
liche Frage 40, entnommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie verteilt sich die EVU-Menge von 173 442 m3 jeweils auf die vier
großen EVU und bei diesen wiederum jeweils auf Abfallarten wie Betriebs-
abfälle, Stilllegungs- und Rückbauabfälle etc. (bitte wie in der Vorbemer-
kung der Fragesteller erläutert, möglichst eindeutige Zuordnung zu jeweils
E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall oder, falls zwingend nicht machbar, bitte
zumindest Aufschlüsselung für viermal „EVU“ )?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13864

2. Wie verteilt sich die Menge von 13 744 m3 der „Sonstigen Industrie“ jeweils
auf die betreffenden Unternehmen und bei diesen wiederum jeweils auf Ab-
fallarten wie Betriebsabfälle, Tails etc. (bitte wie in der Vorbemerkung der
Fragesteller erläutert, möglichst eindeutige Zuordnung zu den Unternehmen
oder, falls zwingend nicht machbar, bitte zumindest anonymisierte unterneh-
mensspezifische Aufschlüsselung)?

3. Wie verteilt sich die Menge von 107 430 m3, die der öffentlichen Hand zu-
geordnet werden, jeweils auf die konkreten Anlagen und Einrichtungen
und bei diesen wiederum jeweils auf Abfallarten, wie Betriebsabfälle, Still-
legungs- und Rückbauabfälle etc. (bitte wie in der Vorbemerkung der Fra-
gesteller erläutert, eindeutige Zuordnung und bitte getrennte tabellarische
Angabe für alle Abfälle, die den bundeseigenen Energiewerken Nord oblie-
gen bzw. zugerechnet werden)?

4. Wie verteilt sich die Menge von 10 700 m3 jeweils auf die einzelnen Landes-
sammelstellen und dabei jeweils auf Verursacherkategorien und Abfallarten
(bitte Angaben zu Verursacherkategorien und Abfallarten, sofern unkom-
pliziert, machbar)?

Wie groß ist die Gesamtmenge, die der Medizin zuzuordnen ist?

5. Welche Datenarten wurden bei der in der Antwort auf Bundestagsdruck-
sache 17/13172 auf die Schriftliche Frage 40 genannten Erhebung im Jahr
2011 erfasst (bitte möglichst vollständige generische Angabe und Erläute-
rung der erhobenen Aspekte)?

6. Was wurde mit den erhobenen Daten von wem gemacht, und insbesondere
zu was wurden sie verarbeitet, und/oder in was wurden sie eingepflegt
(also schriftlicher Berichte, Datenbanken usw.; ggf. bitte mit Angabe des
Berichtstitels, der Datenbankbezeichnung etc.)?

7. Welche Mengen welchen Ursprungs sind bislang bzw. bis 2010 angefallen
(bitte möglichst aussagekräftige tabellarische Aufschlüsselung mit Angabe
von mindestens Verursacher, Menge und Abfallart, wie Betriebs-, Still-
legungsabfälle etc., sofern nicht durch die Antworten zu den Fragen 1 bis 4
bereits vollständig abgedeckt)?

8. Von welchen noch anfallenden Mengen welchen Ursprungs geht die
Bundesregierung für das aktuelle Jahrzehnt bis 2020 sowie jeweils für die
kommenden Jahrzehnte bis 2080 aus (bitte möglichst aussagekräftige tabel-
larische Aufschlüsselung differenziert nach jeweiligem Jahrzehnt und mit
Angabe von mindestens Verursacher, Menge und Abfallart, wie Betriebs-,
Stilllegungsabfälle etc., sofern nicht durch die Antworten zu den Fragen 1
bis 4 bereits vollständig abgedeckt)?

9. Geht die Bundesregierung nach wie vor von einer vierzigjährigen Betriebs-
zeit des Endlagers Konrad aus?

10. Welches Entsorgungs- bzw. Endlagerkonzept ist für die radioaktiven
Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung, die nach Ende der
Betriebszeit des Endlagers Konrad laut Bundesregierung noch bis 2080 an-
fallen werden, vorgesehen?

Falls es noch kein konkretes Konzept gibt, welche verschiedenen wesent-
lichen Optionen kommen infrage oder werden betrachtet bzw. diskutiert?

11. Bei welchen anderen vom Bund finanzierten oder mitfinanzierten Atom-
anlagen gab es ähnliche oder vergleichbare vertragliche Verbindungen zu
privatwirtschaftlichen Unternehmen wie bei der vom Bund finanzierten und
errichteten Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe WAK, der Kompakten

Natriumgekühlten Kernreaktoranlage Karlsruhe KNK und dem Mehrzweck-
forschungsreaktor Karlsruhe MZFR (jeweils privatwirtschaftliche Betriebs-

Drucksache 17/13864 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
führungsgesellschaften, die Tochterunternehmen von Energieversorgungs-
unternehmen waren) oder auch beim AVR (Arbeitsgemeinschaft Versuchs-
reaktor Jülich) und Thorium Hochtemperaturreaktor THTR?

Welche Verbindungen waren dies genau, und von wann bis wann bestanden
sie?

Berlin, den 10. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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