BT-Drucksache 17/13855

Zunahme rechtsextremistischer Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft

Vom 7. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13855
17. Wahlperiode 07. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Herbert Behrens, Heidrun Dittrich, Nicole Gohlke,
Petra Pau, Jens Petermann, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Zunahme rechtsextremistischer Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft

Trotz einer Häufung rechtsextremistischer Vorkommnisse innerhalb der Deut-
schen Burschenschaft (DB) hielt die Bundesregierung bislang an ihrer Position
fest, wonach es sich bei der DB um eine „demokratische Studentenorganisa-
tion“ handle (Bundestagsdrucksachen 16/4142, 17/6690, 17/10294, 17/11972).

Dagegen haben laut einer Aufzählung des Blogs Burschenschafterpacktaus nach
dem außerordentlichen Burschentag im November letzten Jahres, auf dem die
offen antisemitische Wiener akademische Burschenschaft Teutonia den Vorsitz
des Dachverbandes übernahm, bereits 31 der sich selbst als liberal verortenden
Bünde die DB aus Protest gegen die im Verband vertretenen rechtsextremen, völ-
kischen und rassistischen Positionen verlassen (www.burschenschafterpacktaus.
wordpress.com/ vom 5. Juni 2013).

So beschloss die älteste Münchner Burschenschaft Arminia-Rhenania, der auch
der innenpolitische Sprecher der Fraktion der CDU/CSU, Hans-Peter Uhl, ange-
hört, am 23. Februar 2013 ihren Austritt aus der DB. Mit der Burschenschaft
Franco-Bavaria (Hausverein Franco-Bavaria e. V.) aus München, der Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, angehört,
verlor die DB ebenfalls im Februar 2013 einen ihrer mit 300 aktiven und ehe-
maligen Studenten stärksten Mitgliedsbünde. Als Grund für den Austritt gab die
Franco-Bavaria an, dass es der DB nicht gelungen sei, sich von Mitgliedern zu
trennen, die sich rassistisch und rechtsextrem geäußert hatten (www.faz.net/
aktuell/politik/inland/deutsche-burschenschaft-kleiner-und-rechter-12101475.
html; www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/groesster-mitgliedsbund- verlaesst-
deutsche-burschenschaft-a-882680.html).

In Berlin entließ der Senator für Gesundheit und Soziales, Mario Czaja, im Mai
2013 seinen Staatssekretär Michael Büge, nachdem dieser sich dafür entschieden
hatte, weiterhin Mitglied der Berliner Burschenschaft Gothia zu bleiben. Die
Gothia, deren Haus auch „braune Wolfsschanze in Zehlendorf“ genannt wird,
gehört der Deutschen Burschenschaft an (www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/
staatssekretaer-buege-bleibt-in-burschenschaft-gothia-a-899565.html).

Auf dem Burschentag am 25. Mai 2013 in Eisenach setzte sich der bisherige

Rechtskurs der nach eigenen Angaben noch aus 94 Mitgliedsbünden bestehen-
den DB in entsprechenden Debatten und Anträgen fort. So beschlossen die De-
legierten ein Verbot für die Mitglieder der DB, mit dem Blog der Initiative „Bur-
schenschafter gegen Neonazis“ zusammenzuarbeiten, die rechtsextremistische
Tendenzen anprangert. Die Hamburger Burschenschaft Germania, die der offe-
nen völkischen Strömung der Burschenschaftlichen Gemeinschaft innerhalb der
DB angehört, beantragte eine Gleichbehandlung sämtlicher politischer Parteien

Drucksache 17/13855 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

durch die DB. Eine Distanzierung von der rechtsextremen NPD, gegen die der-
zeit ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorbereitet wird,
fehlt in dem Beschluss. Die bereits mehrfach vom Bayerischen Verfassungs-
schutz in seinem Jahresbericht als rechtsextremistisch genannte Münchner Bur-
schenschaft Danubia setzte sich mit ihrem Antrag durch, dass Strafverfolgungs-
behörden verbale oder gewalttätige Angriffe auf Deutsche in gleicher Weise
ahnden sollten, wie solche „gegen Juden“. Der erneut beantragte Ariernachweis,
wonach Studierenden nichtdeutscher Herkunft die Mitgliedschaft in einer Mit-
gliedsburschenschaft der DB verwehrt werden sollte, erhielt keine Mehrheit.
Der Burschentag beschloss, dass künftig ein Bekenntnis der Mitgliedschafts-
anwärter zum deutschen Volk ausreicht. In die Satzung der DB wurde der
Abstammungsbegriff, der die Zugehörigkeit zum deutschen Volk definiert,
allerdings in Anlehnung an den Wortlaut des Bundesvertriebenengesetzes
aufgenommen (www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-05/deutsche-
burschenschaft-dachverband-NPD-rechtsextremismus).

Anlässlich des Burschentages in Eisennach forderte der 1. Stellv. Bundesvorsit-
zende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Hermann Benker, eine stärkere Be-
obachtung der Deutschen Burschenschaft durch den Verfassungsschutz. „Die
derzeitige Diskussion in der Burschenschaft über die Einführung eines soge-
nannten Ariernachweises ist ein erschreckendes Beispiel für die ausgeprägten
extremistischen und rassistischen Tendenzen in dieser Burschenschaft“, so
Hermann Benker (www.rtl.de/rtl-nachrichtenarchiv/1514912/polizei-fuer-
staerkere- beobachtung-von-burschenschaften.html).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer bisherigen Einschätzung, wonach es
sich bei der DB um einen „demokratischen Studentenverband“ handelt?

a) Wenn ja, wie begründet sie diesen Standpunkt angesichts der Tatsache,
dass innerhalb eines halben Jahres fast 30 sich als liberal einordnende
Bünde, die DB aufgrund der darin vorherrschenden Werte verlassen haben?

b) Wenn nein, wie lautet die neue Beurteilung der DB durch die Bundes-
regierung, und wie begründet die Bundesregierung diese neue Einschät-
zung?

2. Kann die Bundesregierung Veränderungen in der politischen Ausrichtung
der DB aufgrund des Austritts von fast 30 sich als liberal verstehenden
Bünden seit dem außerordentlichen Burschentag im November 2012 erken-
nen, und wenn ja, welche?

3. Sieht die Bundesregierung in der erneuten Debatte um einen sogenannten
Ariernachweis als Aufnahmekriterium in die DB auf dem Eisenacher Bur-
schentag im Mai 2013 Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen,
und wenn nein, wie begründet sie diese Haltung?

4. Inwieweit sieht die Bundesregierung in der Weigerung des Burschentages,
sich im beschlossenen Antrag über eine Gleichbehandlung aller Parteien
durch die DB von rechtsextremen Parteien wie der NPD und Pro NRW ab-
zugrenzen, Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen?

5. Sieht die Bundesregierung in dem auf dem Burschentag in Eisennach an-
genommenen Antrag der Burschenschaft Danubia München, wonach Straf-
verfolgungsbehörden verbale oder gewalttätige Angriffe auf Deutsche in
gleicher Weise ahnden sollten, wie solche „gegen Juden“, Anhaltspunkte für
verfassungsfeindliche Bestrebungen, und wenn nein, wie begründet sie diese
Haltung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13855

6. Inwieweit sieht die Bundesregierung in dem Beschluss des Eisenacher
Burschentages, Mitgliedern der DB die Zusammenarbeit mit dem Blog der
auch vom Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer unterstützten „Initia-
tive Burschenschafter gegen Neonazis“ zu verbieten, Anhaltspunkte für ver-
fassungsfeindliche Bestrebungen?

7. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung des 1. Stellv. Bundes-
vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Hermann Benker, dass
aufgrund der „ausgeprägten extremistischen und rassistischen Tendenzen in
dieser Burschenschaft“ eine stärkere Beobachtung der DB durch den Ver-
fassungsschutz nötig sei?

8. Waren die Entwicklungen innerhalb der DB seit dem außerordentlichen
Burschentag im November 2013 Thema von Erörterungen im Gemeinsamen
Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR), und wenn ja, mit wel-
chem Ergebnis?

9. Welche Beiträge in ausländischen Medien, die sich mit der Entwicklung in
der Deutschen Burschenschaft befassen, sind der Bundesregierung bekannt,
und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus diesen?

Berlin, den 7. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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