BT-Drucksache 17/13698

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung - Drucksache 17/12115 - Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur

Vom 3. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13698
17. Wahlperiode 03. 06. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 17/12115 –

Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur

A. Problem

Die Bundesregierung hat einen Bericht vorgelegt, um die Leistungen der letzten
Jahre im Bereich der Aufarbeitung der SED-Diktatur umfassend zu doku-
mentieren, Bilanz zu ziehen und Perspektiven für die weitere Entwicklung auf-
zuzeigen. Der Bericht, an dessen Erstellung diverse Ressorts und die Länder be-
teiligt waren, geht zunächst auf Grundlagen und Entwicklung der Aufarbeitung
sowie Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer ein. Die Kapitel „Opfer“,
„Beratung“, „offene Vermögensfragen und Restitution in den neuen Ländern“
sowie „strafrechtliche Aufarbeitung“ schließen sich an. Es folgen Darstellungen
zu den Themenkomplexen „gesellschaftliche Aufarbeitung und politische Bil-
dung“, „wissenschaftliche Aufarbeitung“ und „Gedenkstätten und Erinnerungs-
orte“. Schließlich widmet sich der Bericht Museen und Archiven, Denkmälern
und Mahnmalen, ehe er mit einer Bilanz abgeschlossen wird. Darin heißt es, die
Aufarbeitung der SED-Diktatur habe in den beiden vergangenen Dekaden sehr
wichtige Erfolge erzielt und damit einen wesentlichen Beitrag zur inneren Ein-
heit geleistet. Inzwischen stünden die Freude über das Ende der SED-Diktatur
und die Wiedergewinnung der Einheit im Zentrum der Auseinandersetzung mit
dem kommunistischen Erbe.

B. Lösung

Annahme einer Entschließung, in der der Bericht als Bestandsaufnahme ge-
würdigt und die Bundesregierung aufgefordert wird, die Aufarbeitung der SED-
Diktatur fortzuführen. Sie soll die Förderung der Gedenkstätten und Erin-
nerungsorte beibehalten, auf die Tatsache reagieren, dass Anträge auf Akten-
einsicht bei der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen

teilweise erst nach sehr langer Wartezeit bearbeitet werden können und die
angestrebte Einrichtung eines „Campus für Demokratie“ in der ehemaligen
Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg positiv begleiten. Weitere Forderungen
sind unter anderem darauf gerichtet, die Ausstellung „Friedliche Revolution
1989“ der Robert-Havemann-Gesellschaft dauerhaft zugänglich zu machen, An-
passungen der SED-Opferrenten zu prüfen und zu überdenken, ob ein zentrales
Mahnmal für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft eingerichtet werden

Drucksache 17/13698 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sollte. Außerdem geht es um die wissenschaftliche Erforschung der SED-Dik-
tatur, den internationalen Austausch bei der Aufarbeitung von Diktaturen und
Förderprogramme, die das Demokratieverständnis von Kindern und Jugend-
lichen stärken.

Kenntnisnahme der Unterrichtung und Annahme einer Entschließung mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme einer Entschließung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

D. Kosten

Keine.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13698

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 17/12115 folgende Entschlie-
ßung anzunehmen:

„I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

– dass die Bundesregierung mit diesem Bericht eine Forderung der christlich-
liberalen Koalition aus dem Koalitionsvertrag und damit eine weitere Maß-
nahme zur Stärkung der Aufarbeitung der SED-Diktatur umsetzt. Ziel der
weiteren Aufarbeitung ist es, Interesse für Freiheit und Demokratie zu we-
cken und wachzuhalten, Wissen zu vertiefen und Gedenken zu fördern. Ge-
rade die junge Generation, die keine eigenen Erfahrungen mit der deutschen
Teilung gemacht hat, muss anhand der Diktaturgeschichte Deutschlands ver-
stärkt für den Wert von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sensibilisiert werden.
Die Urteilsfähigkeit junger Menschen ist von herausragender Bedeutung für
die demokratische Kultur und Freiheit in Deutschland – gerade auch, um an-
tidemokratischen Kräften und Tendenzen zur Verharmlosung und Verklärung
der DDR-Diktatur entgegentreten zu können. Es darf keinen Schlussstrich
unter die Aufarbeitung des SED-Unrechts geben!;

– dass mit diesem Bericht erstmals eine Bestandsaufnahme aller bisherigen
Maßnahmen zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur vorgelegt wird und dabei
die enormen Erfolge bei der politischen, rechtlichen und wissenschaftlichen
Aufarbeitung aufgezeigt werden;

– dass alle entscheidenden Akteure in die Erarbeitung des Berichtes eingebun-
den waren: die Opferverbände, die Aufarbeitungseinrichtungen, die Stiftun-
gen, die Gedenkstätten, alle Länder und die betroffenen Bundesressorts;

– die Maßnahmen zur Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer der SED-
Diktatur als Wiedergutmachung des ihnen in der DDR zugefügten Schadens
und als Würdigung ihres Einsatzes für Freiheit und Demokratie sowie als he-
rausragende Solidaritätsleistung aller Deutschen, darunter das Strafrechtliche
Rehabilitierungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz,
das Berufliche Rehabilitierungsgesetz, die Beschädigtenversorgung nach
dem Bundesversorgungsgesetz, der von der christlich-liberalen Bundesregie-
rung 2012 eingerichtete Hilfsfonds „Heimerziehung in der DDR in den Jah-
ren 1949 bis 1990“ und die sogenannte SED-Opferrente. Die Gedenkstätten-
förderung des Bundes und ihren Beitrag für Erhalt und Nutzung vieler
authentischer Stätten des SED-Unrechts, die auf der Grundlage der Gedenk-
stättenkonzeption unter dem Titel „Verantwortung wahrnehmen, Aufarbei-
tung verstärken, Gedenken vertiefen“ vom Deutschen Bundestag verabschie-
det wurde. Die authentischen Orte, die von Verfolgung und Unterdrückung in
der DDR Zeugnis ablegen, sind von herausragender Bedeutung als Orte des
Gedenkens, der Mahnung und der unmittelbaren Vermittlung historischer
Kenntnisse;

– dass im Ergebnis der zwei Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundesta-
ges zur Geschichte und den Folgen der SED-Diktatur im Jahre 1998 die Stif-
tung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gegründet wurde, um so die Ausei-
nandersetzung mit der zweiten deutschen Diktatur dauerhaft anzuregen und
zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag hat ihr den Auftrag gegeben, die
Auseinandersetzung mit den Ursachen, der Geschichte und den Folgen der
kommunistischen Diktatur und der deutschen und europäischen Teilung dau-

erhaft zu gewährleisten. Sie tut dies einerseits auf dem Wege der Projektför-
derung, sowie andererseits durch Impulse, die sie mit ihren eigenen Veran-

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staltungen, Bildungsangeboten und Publikationen gibt. Hierzu gehört auch
eine intensive Netzwerkarbeit innerhalb und außerhalb Deutschlands. Seit
1998 konnten so mehr als 2 500 Projekte – Dokumentarfilme, Ausstellungen,
Bildungsangebote, Veranstaltungen aller Art, Erschließung von Archivbe-
ständen, Doktorarbeiten, Publikationen – gefördert und oftmals erst ermög-
licht werden. Damit ist die Bundesstiftung Aufarbeitung im Zusammenwir-
ken mit anderen Akteuren, wie z. B. der Stiftung Berliner Mauer, ein Garant
der bundesweiten Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur. Mit einer
wachsenden Zahl von Angeboten befördert sie zudem die internationale
Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung von Diktaturen;

– und würdigt die Leistungen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU). Der Zugang zu den
Unterlagen des MfS sowie ihre anhaltende Erschließung und Bestandserhal-
tung sind nach wie vor wichtige Voraussetzungen für die Aufarbeitung der
SED-Diktatur und weltweit Vorbild. Seit 1990 wurden fast drei Millionen
Bürgeranträge auf Akteneinsicht gestellt, dabei ist die Zahl der Anträge auf
private Akteneinsicht unerwartet gleichbleibend hoch und stieg im Jahr 2012
nochmals deutlich an. Auch die Antragszahlen von Medien und Forschung
sind konstant hoch und dokumentieren das breite öffentliche Interesse an der
Aufarbeitung. In vorbildlicher Weise erfüllt der BStU darüber hinaus seinen
im Stasi-Unterlagengesetz verankerten Auftrag, die Öffentlichkeit über
Arbeit und Wirkungsweise des MfS zu unterrichten. Hervorzuheben sind
hierbei insbesondere die Projekte des BStU zur Ansprache jüngerer Genera-
tionen – beispielsweise durch die Ausrichtung von Schülerprojekttagen. Im
Ausland erfährt die fachliche Beratung des BStU zur Aufarbeitung der jewei-
ligen Diktaturgeschichte besondere Anerkennung und stellt damit einen
wichtigen Baustein unserer wertegebundenen Außenpolitik dar;

– die 8. Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes, mit der die Möglichkeit
der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf eine frühere
Stasi-Tätigkeit bis zum 31. Dezember 2019 verlängert, der überprüfbare Per-
sonenkreis ausgeweitet und der Zugang zu den Stasi-Akten erleichtert wird.
Überprüfungen müssen auch in Zukunft möglich bleiben, solange sich Täter
und Opfer des Stasi-Regimes im Berufsleben begegnen können. Außerdem
ermöglicht es die Novellierung durch die christlich-liberale Koalition jetzt
auch nahen Angehörigen, Einsicht in die Akten ihrer Verwandten zu nehmen.
Akteneinsicht muss solange möglich sein, wie der Bedarf an dieser besteht.
Mutmaßungen über eventuelle Veränderungen der Behörde, des Aktenzu-
gangs und der Aktenverwaltung verunsichern derzeit nur die Opfer und die
sie vertretenden Verbände. Vor diesem Hintergrund hält es die christlich-libe-
rale Koalition für richtig, in der kommenden Legislatur eine Expertenkom-
mission, die über die zukünftige Struktur des BStU beraten soll, einzusetzen;

– das Projekt zur „Virtuellen Rekonstruktion vernichteter Stasi-Unterlagen“ als
einen wichtigen Beitrag zur weiteren Aufarbeitung der DDR-Diktatur und
des Staatssicherheitsapparates. Bürger bei der Akteneinsicht, Journalisten bei
ihren Recherchen und Forscher bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit sowie
andere Forschungsbereiche, z. B. die Kriminalitätsbekämpfung, profitieren
von den dadurch neu gewonnenen Erkenntnissen;

– die Einrichtung eines Koordinierenden Zeitzeugenbüros unter Federführung
der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen durch die christlich-liberale Ko-
alition. Die Vermittlung von Zeitzeugen der SED-Diktatur an Schulen und
andere Bildungseinrichtungen ist ein wichtiges Instrument der politischen
Bildung, da sie Unrecht und Verfolgung konkret und anschaulich machen.
Sie ermöglichen einen unmittelbaren und sehr persönlichen Zugang zu

Geschichte. Insbesondere bei jungen Menschen kann so Interesse an der
jüngeren Geschichte geweckt werden, mit dem Ziel, dass diese sich niemals

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wiederholt. Das Koordinierende Zeitzeugenbüro hat seit Start des Projekts im
Juni 2011 ca. 1 000 Zeitzeugenveranstaltungen durchgeführt und mehr als
50 000 Teilnehmer erreicht. Der Deutsche Bundestag erkennt dies positiv an
und sichert dem Koordinierenden Zeitzeugenbüro auch weiterhin seine
Unterstützung zu;

– die Anstrengungen bei der politischen Bildungsarbeit durch universitäre und
außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Diese Träger wenden sich nicht
nur an Schülerinnen und Schüler, sondern auch an Lehrkräfte und alle inte-
ressierten Bürgerinnen und Bürger. DDR-Aufarbeitung darf nicht nur in der
Forschungswelt stattfinden oder akademisieren, sondern muss die gesamte
Gesellschaft durch zielgruppengerechte Vermittlung erreichen. Der Deutsche
Bundestag würdigt den großen Anteil, den die politischen Bildungsträger in
der öffentlichen Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur haben. Studien
haben mehrfach belegt, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler zu
wenig über die deutsche Teilung und DDR-Unrecht wissen und deutliche
Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Diktatur und Demokratie
haben;

– die Vielfalt der täglichen Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit aller gesell-
schaftlichen Ebenen. Aufarbeitungsarbeit darf sich nicht nur auf staatliche
Institutionen stützen. Bürgerschaftliches und staatliches Engagement ergän-
zen in Deutschland einander und bringen gemeinsam den antitotalitären Kon-
sens der Bundesrepublik zum Ausdruck. Der Deutsche Bundestag begrüßt
deshalb den ehrenamtlichen Einsatz von Bürgern, Initiativen und Vereinen,
die Erinnerung an die kommunistische Diktatur in der DDR aufrechtzuerhal-
ten und an die kommenden Generationen weiterzugeben. Der Deutsche Bun-
destag dankt den zahlreichen bürgerschaftlichen Initiativen, ohne die die
Aufarbeitung der Vergangenheit nach dem Ende der SED-Diktatur einen
anderen Verlauf genommen hätte. Er weiß um die hohe Bedeutung und den
unerlässlichen Beitrag der Zivilgesellschaft gerade in diesem Bereich;

– die Mitwirkung zahlreicher Jugendlicher und Erwachsener in Organisatio-
nen, Parteien, Kirchen und Verbänden, die sich für Demokratie und Men-
schenrechte einsetzen sowie das aktive und couragierte Engagement vieler
Menschen in der Zivilgesellschaft gegen jede Form des Extremismus. Jeder,
der sich für Freiheit und Demokratie einsetzt, trägt maßgeblich zum Erhalt
unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bei und hat eine Vorbild-
wirkung für andere;

– dass die Bundesregierung verschiedene Programme und Projekte wie „Tole-
ranz fördern – Kompetenz stärken“ und „Initiative Demokratie stärken“ fi-
nanziell fördert, um Kinder und Jugendliche frühzeitig an demokratische
Grundwerte heranzuführen, vor extremistischem Gedankengut zu bewahren
und für ein vielfältiges und demokratisches Miteinander zu begeistern;

– und würdigt, dass sich viele Staaten in Osteuropa und aktuell auch in Nordaf-
rika und anderen Teilen der Welt in den aktuellen politischen Umbruchsitua-
tionen an den Erfahrungen und Instrumenten in Deutschland orientieren.
Dies spricht dafür, dass die politische und wissenschaftliche Aufarbeitungs-
leistung insgesamt beispielhaft ist. Deutschland ist eines der wenigen Länder
der westlichen Welt, das eine Transformationserfahrung aufweist. Damit ver-
fügen wir gerade im Umgang mit anderen post-diktatorischen Staaten über
eine besondere Glaubwürdigkeit;

– dass allein der Bund mit weit über 100 Millionen Euro jährlich die geschicht-
liche Aufarbeitung der SED-Diktatur fördert.

Drucksache 17/13698 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– in der Aufarbeitung der SED-Diktatur nicht nachzulassen, die bisherigen
politischen Maßnahmen konsequent fortzuführen und den Bericht an alle
wichtigen Multiplikatoren zu verteilen. Die Aufarbeitung bedarf nicht nur
des Erhalts des Bestehenden, sondern lebt vielmehr von einem ständigen
Wandel. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger besitzen aufgrund ihres jungen
Alters keine eigenen Erfahrungen mit der deutschen Teilung. Es gilt, sie mit
geeigneten Mitteln anzusprechen und ihr Interesse für Demokratie und Frei-
heit zu wecken bzw. zu stärken;

– die finanzielle Förderung für die Gedenkstätten und Erinnerungsorte auch
weiterhin im bestehenden Rahmen aufrecht zu erhalten, sie als herausragende
Gedenk-, Lern- und Begegnungsorte zu begreifen und – wo nötig – neuen
Gegebenheiten anzupassen. Der Deutsche Bundestag appelliert an alle staat-
lichen Ebenen, authentische Erinnerungsorte für das SED-Unrecht als Mahn-
male zu bewahren und zugänglich zu machen;

– weiterhin angemessen auf die Tatsache zu reagieren, dass beim Bundesbeauf-
tragten für die Stasi-Unterlagen die Zahl der privaten Anträge und die Warte-
zeit auf Einsicht in die Stasi-Akte nach wie vor unerwartet hoch ist;

– die vom BStU angestrebte Errichtung eines „Campus für Demokratie“ in der
ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg positiv zu würdigen und zu
begleiten;

– die Arbeit des Koordinierenden Zeitzeugenbüros unter Federführung der Ge-
denkstätte Berlin-Hohenschönhausen weiter zu unterstützen und bei den Ver-
antwortlichen für schulische und politische Bildung dafür zu werben, dass die
Geschichte der SED-Diktatur noch stärker in den schulischen Lehrplänen
sowie im Unterricht und in der Aus- und Fortbildung von Lehrern verankert
wird, entsprechende Fortbildungsangebote und Unterrichtsmaterialien für
Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung gestellt werden und allen Schülerin-
nen und Schülern die Möglichkeit zu Zeitzeugengesprächen bzw. Gedenk-
stättenbesuchen gegeben wird;

– die sehr erfolgreiche Open-Air-Ausstellung „Friedliche Revolution 1989“
der Robert-Havemann-Gesellschaft auf dem Berliner Alexanderplatz von
2009/2010 der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen und damit die
Bedeutung der Widerstands- und Oppositionsbewegung der DDR festzuhal-
ten sowie einem breiten Publikum zu vermitteln;

– zu prüfen, inwieweit – z. B. im Rahmen der Rentenanpassungen – eine
Anpassung der seit Beginn der Einführung im Jahr 2007 gleichhohen SED-
Opferrente möglich ist;

– sich dafür einzusetzen, dass die Opfer des SED-Unrechts als Vorkämpfer für
Freiheit, Demokratie und ein vereinigtes Deutschland politisch und gesell-
schaftlich stärker gewürdigt werden;

– die Realisierung des Projektes „Virtuelle Rekonstruktion vernichteter Stasi-
Unterlagen“ weiterhin voranzutreiben und bei der zeitnahen Realisierung zu
unterstützen;

– die enormen Defizite beim Wissen von Jugendlichen über die SED-Diktatur
zum Anlass für verstärkte Bildungsarbeit in diesem Bereich in den geförder-
ten Institutionen zu nehmen und an die Länder zu appellieren, im Schulunter-
richt verstärkt Wissen über die DDR zu vermitteln;

– dafür zu werben, dass an historischen Jahrestagen wie dem 17. Juni, dem

13. August und dem 9. November bundesweit an die kommunistische Dikta-
tur in Ostdeutschland und ihre Opfer erinnert wird und der 23. August entspre-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/13698

chend der Entschließung des EU-Parlamentes vom 2. April 2009 als Europä-
ischer Tag der Erinnerung für die Opfer des Totalitarismus begangen wird;

– die Einrichtung eines zentralen Mahnmals für die Opfer kommunistischer
Gewaltherrschaft zu prüfen;

– die wissenschaftliche Erforschung der SED-Diktatur weiterhin zu unterstüt-
zen und bei Forschungseinrichtungen dafür zu werben, sich nicht allein auf
das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR zu beschränken,
sondern verstärkt auch die führende Rolle der SED, den DDR-Alltag sowie
die Einflüsse der DDR auf die Bundesrepublik in den Blick zu nehmen. Zu-
nehmend wird deutlich, dass die Themen DDR, SED und Stasi eine gesamt-
deutsche Herausforderung sind. Beispielsweise die Zwangsarbeit politischer
Häftlinge in DDR-Gefängnissen und die Pharmatests in DDR-Kliniken –
wovon jeweils auch westdeutsche Unternehmen profitierten. Die politisch
vorangetriebene Einwirkung der DDR auf die alte Bundesrepublik zeigt, dass
auch die Verantwortung des Westens stärker in den wissenschaftlichen und
gesellschaftlichen Fokus gerückt werden muss;

– den internationalen Austausch im Bereich Aufarbeitung von Diktaturen zu
verstärken, die Zusammenarbeit insbesondere mit den mittel- und osteuropä-
ischen sowie arabischen Staaten zu intensivieren und innerhalb der Europä-
ischen Union darauf hinzuwirken, dass die Aufarbeitung der kommunis-
tischen Diktaturen auch auf europäischer Ebene vorangetrieben wird, um
damit auch das europäische Bewusstsein für den Wert von Freiheit und
Demokratie zu stärken;

– das Engagement gegen jegliche Form des politischen Extremismus und damit
verbunden die präventiven Förderprogramme fortzusetzen, die das Demokra-
tieverständnis von Kindern und Jugendlichen stärken.“

Berlin, den 3. Juni 2013

Der Ausschuss für Kultur und Medien

Monika Grütters
Vorsitzende

Beatrix Philipp
Berichterstatterin

Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Berichterstatter

Patrick Kurth (Kyffhäuser)
Berichterstatter

Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Wolfgang Wieland
Berichterstatter

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
von DDR-Bürgerrechtlern und Oppositionellen zurück. Die-
ses Engagement verdient besondere Würdigung. Der Deut-
Fraktion DIE LINKE. ab.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
empfahl in seiner Sitzung am 15. Mai 2013 Kenntnisnahme
und die Annahme einer Entschließung der Fraktionen der

sche Bundestag bekennt sich zu der Verantwortung, Einrich-
tungen, Gedenkstätten und Museen zur Aufarbeitung zu för-
dern, das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen
und die Aufklärung über SED-Unrecht weiter voranzutrei-
Drucksache 17/13698 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Beatrix Philipp, Dr. h. c. Wolfgang Thierse,
Patrick Kurth (Kyffhäuser), Dr. Lukrezia Jochimsen und Wolfgang Wieland

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Unterrichtung auf Druck-
sache 17/12115 in seiner 232. Sitzung am 22. März 2013 zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für Kultur und
Medien überwiesen und zur Mitberatung an den Innen-
ausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Bundesregierung hat einen Bericht vorgelegt, um die
Leistungen der letzten Jahre im Bereich der Aufarbeitung
der SED-Diktatur umfassend zu dokumentieren, Bilanz zu
ziehen und Perspektiven für die weitere Entwicklung aufzu-
zeigen. Der Bericht, an dessen Erstellung diverse Ressorts
und die Länder beteiligt waren, geht zunächst auf Grund-
lagen und Entwicklung der Aufarbeitung sowie Rehabili-
tierung und Entschädigung der Opfer ein. Die Kapitel „Op-
fer“, „Beratung“, „offene Vermögensfragen und Restitution
in den neuen Ländern“ sowie „strafrechtliche Aufarbeitung“
schließen sich an. Es folgen Darstellungen zu den Themen-
komplexen „gesellschaftliche Aufarbeitung und politische
Bildung“, „wissenschaftliche Aufarbeitung“ und „Gedenk-
stätten und Erinnerungsorte“.

Schließlich widmet sich der Bericht Museen und Archiven,
Denkmälern und Mahnmalen, ehe er mit einer Bilanz abge-
schlossen wird. Darin heißt es, die Aufarbeitung der SED-
Diktatur habe in den beiden vergangenen Dekaden sehr
wichtige Erfolge erzielt und damit einen wesentlichen Bei-
trag zur inneren Einheit geleistet. Inzwischen stehe die
Freude über das Ende der SED-Diktatur und die Wiederge-
winnung der Einheit im Zentrum der Auseinandersetzung
mit dem kommunistischen Erbe.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss empfahl in seiner Sitzung am 15. Mai
2013 Kenntnisnahme.

Der Rechtsausschuss empfahl in seiner Sitzung am 15. Mai
2013 Kenntnisnahme und die Annahme einer Entschließung
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (Ausschussdruck-
sache 17(22)118) mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Einen Ent-
schließungsantrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN (Ausschussdrucksache 17(22)119) lehnte der
Ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und

die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe empfahl in seiner Sitzung am 15. Mai 2013 Kenntnis-
nahme.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat die Unterrich-
tung in seiner Sitzung am 15. Mai 2013 beraten und empfahl
im Ergebnis Kenntnisnahme sowie Annahme einer Ent-
schließung der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (Aus-
schussdrucksache 17(22)118) mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Einen Entschlie-
ßungsantrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN (Ausschussdrucksache 17(22)119) lehnte der
Ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

Der Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Ausschussdrucksache
17(22)119) hatte folgenden Wortlaut:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
In den über zwanzig Jahren seit der Friedlichen Revolution
und dem Fall der Mauer von 1989/90 ist in Deutschland eine
vielfältige „Aufarbeitungslandschaft“ zur Aufklärung über
die Strukturen und die Wirkungsweise des DDR-Staates und
das SED-Unrecht entstanden. Der „Bericht der Bundes-
regierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur“
(Drucksache 17/12115) dokumentiert eine Vielzahl von Insti-
tutionen und Initiativen, die zur Auseinandersetzung mit der
DDR-Geschichte und dem SED-Unrecht beitragen. Sie alle
machen deutlich: Aufklärung und Aufarbeitung sind bei wei-
tem nicht abgeschlossen und werden es auf absehbare Zeit
nicht sein.
Heute herrscht ein breiter gesellschaftlicher Konsens darü-
ber, dass Opferhilfe, Gedenken, Aufklärung und Aufarbei-
tung nicht nur für die persönlich Betroffenen von großer Be-
deutung sind, sondern für den gesellschaftlichen Diskurs so-
wie das kulturelle und politische Selbstverständnis unserer
Gesellschaft insgesamt. Aufarbeitung gelingt nur, weil sich
neben Bund und Ländern engagierte Bürgerinnen und Bür-
ger in ehrenamtlichen Initiativen und privaten Vereinen, auf
lokaler und regionaler Ebene aktiv dafür einsetzen. Nicht
wenige Vereine und Einrichtungen gehen auf die Initiative
CDU/CSU und FDP (Ausschussdrucksache 17(13)275) mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen

ben. Mit der 2008 beschlossenen „Fortschreibung der Ge-
denkstättenkonzeption des Bundes“ (Drucksache 16/9875)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/13698

trägt er dem Rechnung. Er verpflichtet sich darin, „den
dezentralen und pluralen Charakter der Gedenkstättenland-
schaft zu festigen, der sich durch ein Neben- und Miteinander
von ehrenamtlicher und professioneller Arbeit, lokaler, regio-
naler und überregionaler Verantwortungsübernahme sowie
individuellem und kollektivem Engagement auszeichnet“.
In Anerkennung der gesellschaftlichen Verpflichtung für
Aufklärung und Aufarbeitung des SED-Unrechts sowie der
Verpflichtung gegenüber den Geschädigten sieht der Deut-
sche Bundestag in zwei Bereichen dringenden Handlungsbe-
darf: in der Opferhilfe und bei der Stasi-Unterlagenbehörde.
1. Opferhilfe
Die SED-Diktatur hat viele Menschen ihrer Freiheit beraubt
und ihnen schweres seelisches und körperliches Leid zu-
gefügt. Menschen, die sich gegen den Staat auflehnten und
Widerstand leisteten, wurden politisch verfolgt und in ihrer
Lebensführung erheblich beeinträchtigt. Auch mehr als
zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer leiden Opfer staat-
licher Willkür in der DDR unter den Folgen des erfahrenen
Unrechts. Zwar können das Unrecht und seine Folgen für die
Betroffenen und ihre Familien kaum je korrigiert oder gar
wieder gut gemacht werden. Die Rehabilitierungsgesetz-
gebung des Bundes soll aber dazu beitragen, den Einsatz je-
ner Menschen, die sich gegen das System aufgelehnt haben
sowie das Los derer, die Zwangsmaßnahmen erdulden muss-
ten, zu würdigen und sie dafür zu entschädigen, um die ma-
teriellen Folgen der Verfolgungsmaßnahmen abzumildern.
Die Rehabilitierungsgesetzgebung weist jedoch noch immer
Gerechtigkeitslücken auf – sowohl in der Praxis seiner Um-
setzung als auch bei den gesetzlichen Regelungen selbst. Be-
schwerden von Opfern und Opferverbänden machen dies
deutlich.
Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Überprüfung
des behördlichen Umgangs mit den Opfern. Über zwanzig
Jahre nach dem Ende der DDR ist es an der Zeit, sich noch
einmal eingehend mit der Antragspraxis und den gesetzli-
chen Regelungen zur Rehabilitierung zu befassen, um die
Opferhilfe für die Betroffenen zu verbessern. Bei verfol-
gungsbedingten Gesundheitsschäden ist die Begutachtungs-
und Anerkennungspraxis zu überprüfen und sind Lösungen
im Sinne der Opfer zu suchen.
2. Stasi-Unterlagenbehörde
Die Stasi-Unterlagenbehörde ist eine großartige Einrich-
tung: Erstmalig hat sich ein Volk der Akten seiner Unterdrü-
cker bemächtigt. Mit der Gewährung von Akteneinsicht, der
Erschließung des Stasi-Archivs sowie ihrer Forschungs- und
Bildungsarbeit leistet die Behörde seit über zwanzig Jahren
wichtige Arbeit und verfügt zu Recht – auch international –
über hohes Ansehen. Damit dies auch in Zukunft so bleibt,
sind ihre Aufgabenstellungen und Strukturen weiterzuentwi-
ckeln.
Der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für
die Stasi-Unterlagen (BStU) (Drucksache 17/12600) weist
offen auf aktuelle strukturelle Probleme hin. Der Perso-
nalabbau in der Behörde führt dazu, dass sich die Bearbei-
tungsfristen zur Akteneinsicht für Betroffene auf bis zu drei
Jahre verlängert haben. Hier ist dringend über Korrekturen

Behörde insgesamt. Der Deutsche Bundestag muss sich jetzt
mit dieser Thematik beschäftigen, denn aktuelle Probleme
der BStU-Behörde lassen sich nicht isoliert, sondern nur im
Kontext der Gesamtperspektive der Behörde in der Zukunft
– und damit im Kontext der weiteren Entwicklung der „Auf-
arbeitungslandschaft“ insgesamt – sinnvoll lösen.
Der Deutsche Bundestag fordert daher die Einsetzung einer
Kommission zur Zukunft des BStU noch in dieser Legislatur-
periode. So hat es der Deutsche Bundestag in der Fort-
schreibung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes 2008
beschlossen: „In der nächsten Legislaturperiode wird der
Deutsche Bundestag eine unabhängige Expertenkommission
einsetzen, die die Entwicklung der Aufgaben, die der BStU
gesetzlich zugewiesen sind, analysiert und Vorschläge
macht, ob und in welcher Form diese mittel- und langfristig
zu erfüllen sind.“ Dieser Beschluss wurde im geltenden
Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP zwar aufgegrif-
fen, bis heute allerdings nicht umgesetzt.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,


die gesetzlichen Regelungen zur Rehabilitierung und die
Antragspraxis auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und
Gerechtigkeitslücken zu schließen. Gemeinsam mit den
Ländern ist sicherzustellen, dass eine qualifizierte Begut-
achtung der Verfolgungsopfer hinsichtlich der Gesund-
heitsschäden erfolgt. Insbesondere sind eine gesetzliche
Vermutungsregelung bei der Anerkennung von verfol-
gungsbedingten Gesundheitsschäden und eine Erhöhung
der monatlichen Zuwendung für Opfer politischer Haft in
der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone bzw. der
ehemaligen DDR anzustreben;

• die unabhängige Expertenkommission zur Zukunft des
BStU gemäß Beschlusslage des Deutschen Bundestages
einzusetzen;

• in der weiteren Umsetzung der Gedenkstättenkonzeption
des Bundes besonders auch die Themenfelder Opposition
und Widerstand sowie Alltag in der DDR zu berücksich-
tigen.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstrich, mit dem von den
Fraktionen der CDU/CSU und FDP vorgelegten Entschlie-
ßungsantrag (Ausschussdrucksache 17(22)118) werde die
Bedeutung der Aufarbeitung deutlich unterstrichen. Ein
Schlusspunkt werde nicht gesetzt, stattdessen werde be-
nannt, was künftig zu tun bleibe. Die Vielfalt der Erinne-
rungs- und Gedenkstättenarbeit bzw. der mit ihr verwobenen
Institutionen werde deutlich. In die Aufarbeitung sei nicht
nur die Stasi-Unterlagenbehörde einbezogen, sie reiche weit
darüber hinaus. Der Entschließungsantrag greife auch ganz
aktuelle Aspekte wie die von westdeutschen Pharmafirmen
in der DDR durchgeführten medizinischen Tests auf.
Deshalb seien die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingeladen, sich dem Antrag anzuschließen.

Die Fraktion der SPD konstatierte, in einer Reihe von
Grundfragen sei man sich einig. Die Aufarbeitung sei eine
fortdauernde, gesamtdeutsche Aufgabe, daran erinnerten ak-
tuell die Pharmatests. Kritisch anzumerken sei, dass die
Stasi-Unterlagenbehörde ihrer eigentlichen Aufgabe, näm-
lich die Akten Betroffenen zur Einsicht zur Verfügung zu
nachzudenken. Einer Debatte bedarf es überdies zum Stand-
ort Normannenstraße und der Aufgabenstruktur der BStU-

stellen, nicht in ausreichendem Maß nachkomme. Die Warte-
zeiten belegten dies. Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/

den 1990er-Jahren sei es zunächst um die strafrechtliche
Aufarbeitung gegangen, das erste Jahrzehnt der 2000er-
Jahre sei durch die wissenschaftliche Aufarbeitung geprägt
gewesen. Heute kämen neue Aspekte hinzu. Die Pharmatests
belegten die ganze Absurdität des Systems. Auch die Dimen-
sion der Häftlingsarbeit in DDR-Gefängnissen für West-
firmen werde jetzt erst in vollem Umfang bekannt.

Die Fraktion DIE LINKE. gab an, der Bericht über die
Aufarbeitung der SED-Diktatur biete zwar eine Würdigung
des Erreichten und skizziere Aktivitäten, benenne aber Pro-
bleme und Perspektiven nur unzureichend. Es bleibe zu kri-

Insgesamt sei der Bericht zur Aufarbeitung beeindruckend.
Die Aufarbeitungslandschaft, die sich aus der Arbeit der
Ehrenamtlichen, der Länder und des Bundes zusammen-
setze, könne sich wirklich sehen lassen. Mit Blick auf die
weitere Arbeit werde zunächst die Expertenkommission ge-
braucht, die Empfehlungen für die Zukunft der Stasi-Unter-
lagenbehörde erarbeite. Leider sei bereits eine Wahlperiode
ungenutzt verstrichen. Erst wenn die Perspektive der Be-
hörde des BStU geklärt sei, ließen sich Fragen nach Ge-
bäude, Umfeld und Finanzierung beantworten, sonst werde
der zweite Schritt vor dem ersten gemacht.

Berlin, den 3. Juni 2013

Beatrix Philipp
Berichterstatterin

Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Berichterstatter

Patrick Kurth (Kyffhäuser)
Berichterstatter

Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Wolfgang Wieland
Berichterstatter
Drucksache 17/13698 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DIE GRÜNEN legten einen eigenen Entschließungsantrag
(Ausschussdrucksache 17(22)119) vor, weil die Fraktionen
an einer Reihe von Punkten nicht mit dem einverstanden
seien, was die Koalition formuliert habe. So sei ein stärkerer
Akzent auf die Opferhilfe zu legen. Hier herrsche zu viel
Bürokratie, Opfer würden zu oft hingehalten. Außerdem sei
eine Debatte über die Zukunft der Behörde des Bundes-
beauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) überfällig. Wie
welche Aufgabe in Zukunft institutionell wahrgenommen
werden solle, sei zu untersuchen, weil zwar die Aufgabe des
BStU, nicht jedoch die Gestalt der Behörde zwingend fest-
geschrieben sei.

Die Fraktion der FDP erklärte, im Bericht der Bundesregie-
rung über die Aufarbeitung der SED-Diktatur werde deut-
lich, dass es nicht nur um Vergangenheitsbewältigung gehe.
Vielmehr komme es darauf an, den folgenden Generationen
zu vermitteln, was in einem zivilisierten Staat geschehen
könne. Viel bleibe noch zu tun, so sei es leider noch immer
nicht gelungen, ein Uniformverbot durchzusetzen. Soldaten
der Bundeswehr dürften ohne dienstlichen Anlass ihre Uni-
form nicht tragen, NVA- oder andere DDR-Uniformen zu
tragen sei dagegen zulässig. So dürfe es nicht weitergehen.

Die Geschichte der DDR sei längst nicht zu Ende erzählt. In

tisieren, dass Regierung und Koalitionsfraktionen zwar stets
behaupteten, SED- und NS-Unrecht nicht gleichsetzen zu
wollen, dies faktisch dann aber doch machten. Solche Wider-
sprüchlichkeit ziehe sich durch den Bericht. An einer Ent-
schließung interessiere, auf die Zukunft, auf Perspektiven
und ein Konzept für die weitere Aufarbeitung einzugehen.
Die Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde bleibe im Antrag
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP jedoch eine Leer-
stelle. Deshalb werde die Fraktion DIE LINKE. diesem Ent-
schließungsantrag nicht zustimmen, wohl aber für den An-
trag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
stimmen. Deren Forderungskatalog gehe nämlich auf die
unabhängige Expertenkommission ein und mahne für die
weitere Entwicklung der Gedenkstättenkonzeption die
Themenfelder Opposition, Widerstand und Alltag in der
DDR an.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN argumentierte,
wenn die Koalition die Opposition dazu einlade, einer Ent-
schließung beizutreten, in der zunächst wortreich die eige-
nen Verdienste gefeiert würden, sei das kaum als ernsthaftes
Angebot zu verstehen. In der Sache gebe es zwar viele Über-
schneidungen, angesichts der Form der Koalitionsentschlie-
ßung sei Einvernehmen jedoch nicht herstellbar.

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