BT-Drucksache 17/13645

Stromnetzausbau im rheinischen Braunkohlerevier und die Doppelkonverter-Anlage in Meerbusch-Osterath

Vom 23. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13645
17. Wahlperiode 23. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Johanna Voß, Ralph Lenkert, Eva Bulling-Schröter, Werner
Dreibus, Andrej Hunko, Sabine Stüber, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Stromnetzausbau im rheinischen Braunkohlerevier und die Doppelkonverter-
Anlage in Meerbusch-Osterath

Die Konzentration des Netzausbaus um die Kraftwerke des rheinischen Braun-
kohlereviers ist nach Auffassung von Umweltverbänden in Nordrhein-West-
falen (NRW) ein auffälliger Aspekt der Netzentwicklungsplanung (Landesbüro
der Naturschutzverbände NRW GbR, Stellungnahme zum Netzentwicklungs-
plan – NEP – 2012 vom 2. November 2012). Die Stadt Meerbusch in NRW ist
von den im Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) vorgesehenen Netzausbaumaß-
nahmen besonders stark betroffen. Der Ortsteil Osterath wird dort als Anfangs-
bzw. Endpunkt zweier Vorhaben (Vorhaben 1 Emden/Borßum-Osterath und
Vorhaben 2 Osterath-Philippsburg) genannt, die Bestandteil einer Hochspan-
nungs-Gleichstrom-Leitung von Nord- nach Süddeutschland sind. Planungen
der Übertragungsnetzbetreiberin Amprion GmbH zufolge soll am Netzverknüp-
fungspunkt Osterath in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten auf einer Grund-
fläche von 100 m × 200 m und mit einer Höhe von mindestens 20 m eine Doppel-
konverter-Anlage errichtet werden, die samt Außenanlagen ein Territorium von
36 Hektar umfassen könnte (www.wdr.de vom 25. April 2013 „Osterath und das
,Schutzgut Mensch‘“). Die damit verbundenen Gefahren für Mensch und Natur
sind unklar. Denn in der Umweltprüfung zum Netzentwicklungsplan Strom
2012 ist eine Alternativenprüfung mit Vergleich von Umweltrisiken unterblieben
und die von Nebenanlagen wie Konvertern ausgehenden Gefahren sind nicht be-
trachtet worden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Strom mit welchen Erzeugungscharakteristika (eingeteilt in erneuerbare
Energien, Atom- und Kohlekraft) soll nach Kenntnis der Bundesregierung
über die HGÜ-Leitung A (Vorhaben 1 Emden/Borßum-Osterath und Vor-
haben 2 Osterath-Philippsburg aus der Anlage zu § 1 Absatz 1 BBPlG) trans-
portiert werden?

2. Wie viele Maßnahmen zum Netzausbau, zur Netzverstärkung und -opti-
mierung (bezogen auf die Gesamtheit der im Energieleitungsausbaugesetz
– EnLAG – und BBPlG vorgesehenen Maßnahmen) dienen dem Einspeise-
bedarf konventioneller Kraftwerke im rheinischen Braunkohlerevier?
3. Wie viele davon dienen dem Einspeisebedarf neuer konventioneller Kraft-
werke?

Um welche Kraftwerke handelt es sich im Einzelnen?

Drucksache 17/13645 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Welchen Bedarf an fossilen Stromtransporten, ausgedrückt in Strommengen
und in Übertragungsleistung, erkennt die Bundesregierung für den Zeitraum
von 2015 bis 2030 aus

a) dem rheinischen Braunkohlerevier und

b) anderen Regionen Deutschlands nach Süddeutschland?

Aus welcher Bilanzierung bzw. Studie leitet sie diesen Bedarf ab?

5. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung vor dem Hintergrund der
Äußerungen von Umweltverbänden in NRW (vgl. Stellungnahme des Lan-
desbüros der Naturschutzverbände NRW zum Netzentwicklungsplan vom
2. November 2012), dass der Bau des HGÜ-Korridors A „unschwer mit der
Vermarktung von Braunkohlestrom ins Ausland“ erklärt werden kann, dem
HGÜ-Korridor A für den europäischen Stromhandel zu?

Teilt sie die Auffassung der Umweltverbände (bitte begründen)?

6. Mit welchen Strommengen aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen ist bei Er-
zeugungsspitzen gemäß des Leitszenarios B 2022 im Netzentwicklungs-
planung 2012 (NEP 2012) für den HGÜ-Korridor A maximal zu rechnen?

Wie oft im Jahr und über welche Zeiträume treten solche Erzeugungsspitzen
schätzungsweise auf?

Welche Leitungskapazitäten verbleiben in der HGÜ-Trasse A bei maxi-
maler Einspeisung der erneuerbaren Energien?

7. Ist die Leitungskapazität der HGÜ-Trasse A so ausgelegt, dass auch bei star-
kem Aufkommen an erneuerbaren Energien gleichzeitig der Transport
hoher Strommengen aus konventionellen Kraftwerken, auch für den Export,
möglich ist?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass laut wissenschaftlichen Be-
rechnungen unter Verwendung des Strommodells ELMOD die zu erwarten-
den Leitungsflüsse in der HGÜ-Trasse A, Abschnitt Osterath-Philippsburg,
im Jahr 2022 voraussichtlich stark von Kohlestrom geprägt sein und damit
eine hohe CO2-Intensität aufweisen werden (vgl. Leuthold/Weigt/Hirsch-
hausen 2012: A Large-Scale Spatial Optimization Model of the European
Electricity Market)?

a) Wenn ja, wie ist dies mit den Klimazielen der Bundesregierung zu ver-
einbaren?

b) Wenn nein, wie schätzt die Bundesregierung die zu erwartenden Strom-
flüsse aus unterschiedlichen Erzeugungsformen in der HGÜ-Trasse A
ein?

9. Welche Übertragungskapazitäten im HGÜ-Korridor A sind jeweils für den
Transport von Onshore-Windenergie und Offshore-Windenergie eingeplant?

10. Wenn, wie es die Erläuterungen zu Vorhaben 1 Emden/Borßum-Osterath
und Vorhaben 2 Osterath-Philippsburg in der Anlage zu § 1 Absatz 1 BBPlG
nahelegen, der HGÜ-Korridor A allein dem Transport von Strom aus Wind-
kraft von Nord- nach Süddeutschland dienen würde, könnte dafür der Strom
auch direkt von Emden nach Philippsburg geleitet werden?

Wenn nicht, wäre dann statt eines Doppelkonverters ein einfacher Konverter
ausreichend?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Unterbrechung der Leitung, wenn im
NEP 2012 darauf hingewiesen wird, dass die Wirtschaftlichkeit von HGÜ-
Systemen erst bei Übertragungsentfernungen ab 400 km gegeben sei, das

Vorhaben 1 Emden/Borßum-Osterath wie auch das Vorhaben 2 Osterath-
Philippsburg im BBPlG aber eine kürzere Trassenlänge aufweisen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13645

Aus welchen Gründen ist die Wirtschaftlichkeit von HGÜ-Leitungen über
kurze Distanzen eingeschränkt?

12. Welche Abstandsregelungen im Hinblick auf gesunde Wohn- und Arbeits-
verhältnisse sind nach Auffassung der Bundesregierung bei Doppelkonver-
ter-Anlagen wie der in Meerbusch-Osterath geplanten ausreichend?

Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hierzu nach Kenntnis
der Bundesregierung vor?

13. Welche Abstandsregelungen im Hinblick auf gesunde Wohn- und Arbeits-
verhältnisse sind nach Auffassung der Bundesregierung bei HGÜ-Leitun-
gen ausreichend?

Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hierzu nach Kenntnis
der Bundesregierung vor?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung (angesichts fehlender diesbezüglicher
Untersuchungen in der strategischen Umweltprüfung zum NEP 2012) die
von Anwohnern und Anwohnerinnen befürchteten Gesundheitsgefahren
durch elektromagnetische Felder infolge des Betriebs großtechnischer An-
lagen wie einer Doppelkonverterstation?

Wie will sie den Schutz der Anwohner und Anwohnerinnen sicherstellen?

Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hierzu nach Kenntnis
der Bundesregierung vor?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung befürchtete Beeinträchtigungen und Ge-
sundheitsgefahren durch Lärmemissionen?

Wie soll der Schutz der Anwohner und Anwohnerinnen sichergestellt wer-
den?

Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hierzu nach Kenntnis
der Bundesregierung vor?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung befürchtete Beeinträchtigungen und Ge-
sundheitsgefahren durch Lichtreizüberflutung infolge des Anstrahlens und
Beleuchtens der Konverterhalle in der Nacht?

Wie soll der Schutz der Anwohner und Anwohnerinnen sichergestellt wer-
den?

Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hierzu nach Kenntnis
der Bundesregierung vor?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung befürchtete Beeinträchtigungen und Ge-
sundheitsgefahren durch Geruchsemissionen infolge der Anwendung von
Kühlungs- und Klimatechnik?

Wie soll der Schutz der Anwohner und Anwohnerinnen sichergestellt wer-
den?

Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hierzu nach Kenntnis
der Bundesregierung vor?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung befürchtete Beeinträchtigungen und Ge-
sundheitsgefahren durch Schadstoffemissionen, insbesondere Dioxine,
beim Normalbetrieb der Konverteranlage bzw. bei Störungen und Unfällen?

Wie soll der Schutz der Anwohner und Anwohnerinnen sichergestellt wer-
den?

Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hierzu nach Kenntnis
der Bundesregierung vor?

Drucksache 17/13645 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
19. Ist nach Meinung der Bundesregierung bei Realisierung der Konvertersta-
tion in Meerbusch-Osterath, mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen zu
rechnen?

20. Ist der Doppelkonverter als kritische Infrastruktur im Sinne der Gefahren-
vorsorge einzustufen (bitte begründen)?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Sicherheitsrisiken solcher großtech-
nischer Anlagen in Wohngebieten, etwa was Brand- und Terrorgefahr anbe-
langt?

Wie soll der Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner sichergestellt wer-
den?

Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hierzu nach Kenntnis
der Bundesregierung vor?

22. Welche Auswirkungen hätte ein Ausfall der geplanten Doppelkonverter-
Anlage auf die Versorgungssicherheit mit Strom?

23. Mit welchen Gefahren für Mensch und Umwelt ist bei einem Störfall im nä-
heren Umkreis der Anlage zu rechnen?

24. Ist die Bevölkerung von Meerbusch-Osterath nach Meinung der Bundes-
regierung ausreichend in die konkreten Planungen zum Doppelkonverter
seitens der Übertragungsnetzbetreiberin Amprion GmbH eingebunden wor-
den?

25. Wie will die Bundesregierung (jenseits der öffentlichen Konsultationen zum
Netzentwicklungsplan) in Meerbusch-Osterath und darüber hinaus Transpa-
renz und Mitsprache der betroffenen Bevölkerung bei Planung und Realisie-
rung der im BBPlG vorgesehenen Netzbauten sicherstellen?

26. Wird die Bundesregierung, entsprechend der Äußerungen des Präsidenten
der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, zur geplanten Doppelkonverter-
Anlage in Meerbusch-Osterath anlässlich der öffentlichen Anhörung vom
15. April 2012 im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen
Bundestages, dass „man mit einer Stichleitung etliche Kilometer – und nicht
nur die 10 Kilometer, die da gelegentlich im Gespräch sind – entfernt vom
Umspannwerk diesen Konverter hinstellen“ kann, auf eine solche Lösung
hinwirken?

Wenn nein, warum nicht?

Welche Entfernungen sind mit einer Stichleitung zu überbrücken?

27. Welche alternativen Standorte kommen nach Kenntnis der Bundesregierung
infrage?

Werden alternative Standorte geprüft?

28. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Aussage von Jochen Homann (ebd.), dass „man sich in Meerbusch-
Osterath möglicherweise darüber unterhalten muss, ob man noch ein zwei-
tes Umspannwerk außer dem Konverter hinstellt“, wenn den Forderungen
nach einer flexiblen Handhabung der Netzverknüpfungspunkte im BBPlG
stattgegeben würde?

Berlin, den 23. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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