BT-Drucksache 17/13603

Ausweisungen im Jahr 2012

Vom 17. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13603
17. Wahlperiode 17. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau, Jens Petermann,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Ausweisungen im Jahr 2012

Im März dieses Jahres hat der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter
Friedrich, erneut eine Ausweitung von Ausweisungstatbeständen gefordert. Im
Interview mit der Tageszeitung „DER TAGESSPIEGEL“ vom 24. März 2013
forderte er, bei „salafistischer Hasspropaganda“ die Ausweisungstatbestände zu
verschärfen. Die Kriterien für eine Ausweisung sollten klargestellt und ausge-
weitet werden. Nach Ansicht des Bundesinnenministers sei es bislang möglich,
politische Extremisten auszuweisen, nicht aber „gewaltbereite Extremisten, die
Religion für ihre Zwecke missbrauchen“. Diese Forderung erstaunt, nachdem
es in den vergangenen Jahren mehrfach eine Ausweitung von Ausweisungstat-
beständen gab, die sich gegen so genannte Hassprediger richteten und gegen
Personen, die dem Spektrum des „internationalen Terrorismus“, gemeint ist
hiermit zumeist islamistisch motivierte Gewalt, zugerechnet werden.

Dr. Andrea Kießling, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffent-
liches Recht der Ruhr-Universität Bochum hingegen zeigt in der „Zeitschrift für
Ausländerrecht und Ausländerpolitik“ (ZAR, 2/2013, S. 48ff) in einem Beitrag
mit dem Titel „Die Verschärfung des Ausweisungsrechts als symbolpolitisches
Mittel gegen extremistische Bestrebungen – dargestellt am Beispiel der Salafis-
ten“, dass es im deutschen Ausweisungsrecht bereits acht Ausweisungstat-
bestände gibt, die mit extremistischen und terroristischen Sachverhalten zu tun
haben. Gerade bezogen auf die zitierten „salafistischen Hassprediger“ habe der
Bundesinnenminister (zu einer früheren Gelegenheit) geradezu wörtlich auf eine
bereits bestehende Vorschrift Bezug genommen. Es sei nicht ersichtlich, welche
Anwendungsfälle der neue Ausweisungstatbestand erfassen solle. Er könne „nur
sehr unbestimmt formuliert sein und früh im Gefahrenvorfeld einsetzen“. Dann
wiederum bestehe die Gefahr, dass dieser neue Ausweisungstatbestand den
grundgesetzlichen Schutz der Meinungsfreiheit verletze, weil das bloße Verbrei-
ten von (wenn auch radikalen) Meinungen zur Voraussetzung einer Ausweisung
gemacht werde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 30. Juni 2012) im

Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist (bitte Ausweisungen der Jahre 2012, 2011 und 2010
gesondert angeben)?

Drucksache 17/13603 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie erklärt und bewertet die Bundesregierung den systematischen Rück-
gang der ausgesprochenen Ausweisungen seit dem Jahr 2000 (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 17/1367, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage zu Frage 1)?

3. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember
2011) im AZR gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen
ist (bitte differenziert nach Geschlecht angeben)?

4. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 30. Juni 2012) im
AZR gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist (bitte
differenziert nach Alter in den Schritten 0 bis 13 Jahre, 14 bis 17 Jahre,
18 bis 21 Jahre, 22 bis 26 Jahre, 27 bis 35 Jahre, 36 bis 60 Jahre, 60 Jahre
und älter angeben)?

5. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember
2011) im AZR gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergan-
gen ist, differenziert nach Bundesländern (bitte für Ausweisungen der Jahre
2010 und 2011 eine gesonderte Auflistung nach Bundesländern machen)?

6. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 30. Juni 2012) im
AZR gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, dif-
ferenziert nach den 15 wichtigsten Herkunftsstaaten (bitte für Ausweisun-
gen des Jahres 2011 eine gesonderte Auflistung machen)?

7. Über welchen Aufenthaltsstatus verfügten Ausländerinnen und Ausländer
laut AZR zum Stand 30. Juni 2012, gegen die eine noch nicht wirksame
Ausweisungsverfügung ergangen ist?

8. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 30. Juni 2012) im
AZR gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, dif-
ferenziert nach befristet und unbefristet, und wie viele dieser Ausweisun-
gen erfolgten in den Jahren 2010, 2011 und 2012?

9. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungsver-
fügung ergangen ist, sind (mit Stand 30. Juni 2012) im AZR als „aufhältig“
bzw. „nicht aufhältig“ gespeichert (bitte bei den noch aufhältigen Personen
nach Bundesländern, den 15 häufigsten Herkunftsstaaten und Jahr der Aus-
weisung differenzieren)?

10. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 30. Juni 2012) im
AZR gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, dif-
ferenziert nach „noch nicht vollziehbar“, „sofort vollziehbar“ und „unan-
fechtbar“, und wie viele dieser Ausweisungen erfolgten in den Jahren
2010, 2011 und 2012?

11. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen hat die Bundesregierung zur
jeweiligen Rechtsgrundlage bzw. den Gründen der erlassenen Auswei-
sungsverfügungen, und wenn sie keinerlei Kenntnisse oder Einschätzungen
haben sollte, wie will sie die Angemessenheit der gesetzlichen Regelungen
und die Notwendigkeit von Ausweitungen (siehe Vorbemerkung der Frage-
steller) jenseits spektakulärer Einzelfälle bewerten?

12. Wie viele der Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung erging,

a) reisten „freiwillig“ aus,

b) wurden abgeschoben,

c) konnten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben
werden
(bitte nach Herkunftsländern, den Jahren 2010 und 2011 und dem Stand der
Rechtskraft der Ausweisungsverfügung auflisten)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13603

13. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen liegen der Bundesregierung zu
der Frage vor, gegen wie viele Ausländerinnen und Ausländer auf der
Grundlage von § 54 Absatz 5, 5a, 6 und 7 und der Nummer 9 bis 11 in § 55
Absatz 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) seit Geltung der Rege-
lungen eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, und wie viele hiervon
rechtskräftig wurden?

14. In wie vielen Fällen hat die AG Status im vergangenen Jahr eine Überwa-
chungsanordnung nach § 54a AufenthG empfohlen, in wie vielen Fällen
wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis der Bundesregierung Folge ge-
leistet, und wie viele Überwachungsanordnungen gab es insgesamt (bitte
nach Jahren und Herkunftsstaat der Betroffenen aufschlüsseln)?

15. In wie vielen Fällen hat die AG Status im vergangenen Jahr eine Abschie-
bungsanordnung ohne vorherige Ausweisung nach § 58a AufenthG emp-
fohlen, in wie vielen Fällen wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis der
Bundesregierung Folge geleistet, und wie viele Abschiebungsanordnungen
gab es insgesamt (bitte nach Jahren und Herkunftsstaat der Betroffenen
aufschlüsseln)?

16. In wie vielen Fällen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im
vergangenen Jahr auf Empfehlung der AG Status ein Widerrufs- bzw. Rück-
nahmeverfahren gegen eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung eingeleitet
(bitte nach Jahren, Staatsangehörigkeit der Betroffenen und Ausgang des
Verfahrens aufschlüsseln)?

17. Was sind die von Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich vorgestell-
ten Überlegungen zur Ausweitung der Ausweisungstatbestände, über die er
im Interview mit der Tageszeitung „DER TAGESSPIEGEL“ vom 24. März
2013 (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) berichtet hat?

18. Welche konkreten Eckpunkte einer Neuregelung sehen aktuelle Entwürfe
im Bundesministerium des Innern vor?

19. In welchen (beispielhaften) Fallkonstellationen sind die seit 2001 geschaf-
fenen Ausweisungstatbestände im Bereich „Bekämpfung des politischen
Extremismus und Terrorismus“ nicht auch in Bezug auf religiös motivier-
ten Extremismus anwendbar, so dass sich die Notwendigkeit gesetzlicher
Neuregelungen ergibt?

Berlin, den 17. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.