BT-Drucksache 17/13573

Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus

Vom 14. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13573
17. Wahlperiode 14. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidrun Dittrich, Nicole Gohlke, Frank Tempel,
Petra Pau, Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE.

Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus

Islamfeindliche Internetportale wie der von mehreren zehntausend Besucherin-
nen und Besuchern täglich genutzte Web Blog „Politically Incorrect“ (PI) und
Parteien wie „Pro NRW/Pro Deutschland“ und „Die Freiheit“ warnen vor einer
angeblichen „Islamisierung Europas“. In Leserkommentaren werden auf PI
Musliminnen und Muslime in rassistischer, fremdenfeindlicher, beleidigender,
hasserfüllter und zum Teil gewaltverherrlichender Weise pauschal erniedrigt
und beschimpft.

Die Partei „Die Freiheit“ agitiert seit Monaten gegen den geplanten Bau des
Moscheeprojekts ZIEM in der Münchner Innenstadt. Dabei vergleicht der baye-
rische Landesvorsitzende der Partei, Michael Stürzenberger, den Koran mit Hit-
lers „Mein Kampf“. Auf Kundgebungen gegen das ZIEM werden Plakate mit
der Aufschrift „Christus ist die Wahrheit, Mohammed ist die Lüge“ gezeigt
(www.sueddeutsche.de/muenchen/islamgegner-michael-stuerzenberger-der-
grosse-agitator-1.1654428).

Das Bayerische Staatsministerium des Innern stuft den bayerischen Landesver-
band der Partei „Die Freiheit“ und die Münchner Ortsgruppe von PI seit März
2013 als verfassungsfeindlich ein. Der Blog verletze die Menschenwürde von
Musliminnen und Muslimen, schüre pauschale Ängste vor ihnen und bedrohe
das friedliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Reli-
gion (www.welt.de/politik/deutschland/article115250478/Verfassungsschutz-
beobachtet-Die-Freiheit-und-PI.html).

Auf Bundestagsdrucksache 17/6910 vom 5. September 2011 hatte die Bundes-
regierung erklärt, bei PI ließen sich keine rechtsextremistischen Bestrebungen
feststellen. Die überwiegende Mehrheit der Einträge bediene sich „keiner
klassischen rechtsextremistischen Argumentationsmuster“. Zudem seien islam-
kritische bis islamfeindliche Einstellungen insgesamt Ausdruck von Ängsten
vor Überfremdung und müssten nicht zwangsläufig Ausdruck einer verfas-
sungsschutzrelevanten Bestrebung sein. Im November 2011 erklärte die Bun-
desregierung auf Bundestagsdrucksache 17/7761, „ihre Sichtung und Auswer-
tung von mutmaßlichen islamfeindlichen und antimuslimischen Äußerungen
intensiviert“ zu haben, ohne dass dies zu einer Änderung ihrer Einschätzung

geführt habe. Zugleich erklärte sie, die weitere Entwicklung, „insbesondere im
Hinblick auf eine mögliche neue Form des Extremismus“ abzuwarten.

In der Bund-Länder-Statistik „Kriminalpolizeilicher Meldedienst – Politisch
motivierte Kriminalität“ werden muslim- bzw. islamfeindliche Straftaten bis-
lang nicht als solche spezifisch erfasst, sondern allgemein unter Hasskriminali-
tät oder als fremdenfeindlich eingestuft.

Drucksache 17/13573 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Angesichts einer wissenschaftlich belegten Zunahme von antimuslimischen
Einstellungen innerhalb der deutschen Bevölkerung (vgl. „Die Mitte im
Umbruch – Rechtsextremistische Einstellungen in Deutschland 2012“ der
Friedrich-Ebert-Stiftung) fordern muslimische Verbände, wie das „Netzwerk
gegen Diskriminierung von Muslimen“ aber auch Kriminalwissenschaftler
eine solche separate Erfassung muslim- bzw. islamfeindlicher Straftaten analog
zur seit 1993 vorgenommenen separaten Erfassung antisemitischer Straftaten.
(www.inssan.de/Download/PressemitteilungWorkshop-3-2013.03.pdf)

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung an ihrer auf den Bundestagsdrucksachen 17/6910
und 17/7761 getroffenen Einschätzung des Web Blogs Politically Incorrect
und anderer islamfeindlicher und antimuslimischer Websites und Organisa-
tionen fest?

a) Wenn ja, mit welcher Begründung?

b) Wenn nein, wie lautet die neue Einschätzung der Bundesregierung, und
worauf stützt sich diese Einordnung?

c) Wie beurteilt die Bundesregierung die weitere Entwicklung der muslim-
bzw. islamfeindlichen Websites seit Ende 2011 „insbesondere im Hin-
blick auf eine mögliche neue Form des Extremismus“?

2. In welchen Bundesländern werden nach Kenntnis der Bundesregierung wel-
che islam- bzw. muslimfeindlichen Websites und Gruppierungen als verfas-
sungsfeindlich (auch: Verdachtsfälle) eingestuft bzw. von Landesämtern für
Verfassungsschutz überwacht?

3. Inwiefern liegen der Bundesregierung Anhaltspunkte für die Verfassungs-
feindlichkeit des Web Blogs „Politically Incorrect“ und seiner Ortsgruppen
vor?

4. Inwieweit gedenkt das Bundesamt für Verfassungsschutz nach der Einstu-
fung des bayerischen Landesverbandes der Partei „Die Freiheit“ und der
Münchner Ortsgruppe des Web-Blogs „Politically Incorrect“, als verfas-
sungsfeindlich diese beiden Gruppierungen auch überwachen zu lassen?

5. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-
rung über die Partei „Die Freiheit“ vor?

a) Wie viele Mitglieder gehören der Partei „Die Freiheit“ nach Kenntnis der
Bundesregierung an?

b) Welche Aktivitäten der Partei „Die Freiheit“ sind der Bundesregierung
bekannt (bitte nach Ort, Zeitpunkt, Art der Veranstaltung, Teilnehmerzahl
aufschlüsseln)?

c) Sind der Bundesregierung Äußerungen rassistischen, fremdenfeindlichen
oder volksverhetzenden Charakters durch Vertreterinnen und Vertreter der
Partei „Die Freiheit“ oder deren Veröffentlichungen bekannt, und wenn ja,
welche, wann und von wem?

d) Inwieweit bestehen nach Erkenntnissen der Bundesregierung Kontakte
der Partei „Die Freiheit“ zu rechtsextremen Organisationen oder rechts-
extremen Einzelpersonen im In- und Ausland?

e) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine Übernahme von
Funktionärsposten von Mitgliedern oder ehemaligen Mitgliedern der Par-
tei „Die Freiheit“ in der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13573

6. Inwieweit haben Polizeibehörden von Bund und nach Kenntnis der Bundes-
regierung der Länder seit Ende 2011 Überlegungen über eine Erweiterung
des Themenfeldkatalogs beim Begriff „Hasskriminalität“ um ein Unter-
thema „islamfeindlich“ oder „muslimfeindlich“ angestellt?

a) Wann, bei welcher Gelegenheit und mit welchem Ergebnis wurde diese
Thematik erörtert?

b) Welche diesbezüglichen Forderungen von Behörden, muslimischen Ver-
bänden oder aus der Kriminologie sind der Bundesregierung bekannt?

c) Inwieweit wurden von Seiten internationaler Organisationen und Gre-
mien diesbezügliche Erwartungen an die Bundesregierung geäußert, und
wie reagierte diese darauf?

d) Wie begründet die Bundesregierung, dass bislang keine derartige erwei-
terte Unterteilung des Themenfeldkatalogs „Hasskriminalität“ um ein
Unterthema „islamfeindlich“ oder muslimfeindlich erfolgt ist?

Berlin, den 13. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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