BT-Drucksache 17/13572

Gesundheitsgefährdung durch die Mehrfachbelastung mit Schwermetallen sowie weiteren potentiell toxischen Metallen

Vom 15. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13572
17. Wahlperiode 15. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Dr. Barbara Höll,
Harald Koch, Dorothee Menzner, Sabine Stüber, Harald Weinberg und der
Fraktion DIE LINKE.

Gesundheitsgefährdung durch die Mehrfachbelastung mit Schwermetallen sowie
weiteren potentiell toxischen Metallen

Die Parlamentarische Versammlung (PV) des Europarates hat in der Resolution
1816 am 27. Mai 2011 auf die Gesundheitsgefährdung durch Schwermetalle
und weitere Metalle aufmerksam gemacht. Die PV äußert sich darin besorgt
darüber, dass die Mitgliedstaaten des Europarates in ihrer Gesundheitspolitik
der Gesundheitsgefährdung durch Metalle unzureichende Aufmerksamkeit
widmen. Nach Auffassung der PV gibt es immer mehr Beweise dafür, dass die
ständige Exposition des Menschen mit kleinen Mengen von Substanzen wie
Aluminium, Cadmium, Quecksilber oder Blei eine der Co-Determinanten von
bestimmten neurologischen, Herz-Kreislauf- oder Autoimmunerkrankungen
sein könnte.

Die PV stellt fest, dass ausreichend wissenschaftliche und medizinische Kennt-
nisse vorliegen, die Maßnahmen rechtfertigen, Schwermetalle aus der mensch-
lichen Umwelt zu reduzieren oder zu eliminieren und damit ihre Auswirkungen
auf die menschliche Gesundheit zu verringern. Alle Mitgliedstaaten werden zu
einer innovativen politischen Herangehensweise aufgefordert. Schwermetalle
und die von ihnen ausgehende Gesundheitsgefährdung sollen als vorrangige An-
liegen der Gesundheits- und Umweltpolitik erkannt werden. Die Mitgliedstaaten
sollen sich darauf konzentrieren, so viele Schwermetalle wie möglich aus der
menschlichen Umwelt zu entfernen sowie ihre Bioakkumulation in der natür-
lichen Umwelt, der Nahrungskette und schließlich im menschlichen Körper zu
verhindern.

Schwermetalle und weitere potentiell toxische Metalle sind nicht abbaubar. Sie
akkumulieren in der Umwelt und führen zur Belastung von Pflanzen, Men-
schen und Tieren. Es ist bekannt, dass inzwischen bei allen Menschen in
Deutschland und Europa eine Mehrfachbelastung mit Schwermetallen und an-
deren Metallen, bedingt durch Ernährung und Umwelteinflüsse, vorliegt. Bis-
lang ist man davon ausgegangen, dass die Menge an toxischen Metallen, die
allein durch Aufnahme aus Lebensmitteln, Luft, Wasser und Gebrauchsgegen-
ständen des täglichen Lebens aufgenommen wird, nicht ausreicht, um Gesund-

heitsschäden auszulösen. Dabei wird nach Ansicht von Kritikern aber zu wenig
berücksichtigt, dass es sich bei toxischen Metallen in der Regel um Summa-
tionsgifte handelt, die nicht isoliert, sondern als Mehrfachbelastung im Men-
schen vorliegen.

Ob Expositionsgrenzwerte bei Exposition gegenüber einer Kombination von
Metallen wirkungsvoll sind, wird verschiedentlich infrage gestellt, etwa von

Drucksache 17/13572 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Institoris L, Kovacs D, Kecskemeti-Kovacs I, et al. Immunotoxicological inves-
tigation of subacute combined exposure with low doses of Pb, Hg and Cd in rats.
Acta Biol Hung (Hungary), Dec 2006, 57(4) p433-9.

Aufgrund ihrer vielfältigen schädlichen Einflüsse auf den menschlichen Körper
kommen potentiell toxische Metalle als Co-Faktoren für die wichtigsten Zivili-
sationskrankheiten in Frage. (Jennrich P. Schwermetalle – Ursache für Zivilisa-
tionskrankheiten, Hochheim Deutschland: CO´MED Verlagsgesellschaft mbH,
2007). Arsen, anorganische Arsenverbindungen, Beryllium und Berylliumver-
bindungen, Cadmium und Cadmiumverbindungen, Chrom-VI-Verbindungen
und Nickelverbindungen werden als krebserregend für den Menschen einge-
stuft. Anorganische Bleiverbindungen werden als wahrscheinlich krebserregend
eingestuft, Kobalt und Kobaltverbindungen, Methylquecksilber und Titandioxid
als möglicherweise krebserregend (Klassifikation der IARC/WHO). Blei kann
zu einer Verminderung des Intelligenzquotienten, Verminderung von Lern- und
Gedächtnisleistungen, Erhöhung der Hörschwelle, Blutarmut und Nieren-
funktionsstörungen führen. Eine erhöhte Bleibelastung in der Schwangerschaft
kann zudem zu vermehrten Früh- und Totgeburten, vermindertem Geburtsge-
wicht und Fehlbildungen führen (Bayerisches Staatsministerium für Verbraucher-
schutz, www.vis.bayern.de/ernaehrung/lebensmittelsicherheit/unerwuenschte
_stoffe/schwermetalle.htm).

Hauptzielorgan der Toxizität organischer Quecksilberverbindungen ist demnach
sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen das zentrale Nervensystem. Ent-
wicklungs- und Verhaltensstörungen sind Zeichen einer Schädigung dieses
Organs bei Kindern, die bereits vor der Geburt einer Quecksilberbelastung aus-
gesetzt waren. Beim Erwachsenen treten z. B. Missempfindungen an der Haut
wie Kribbeln oder ein pelziges Gefühl, Gangunsicherheit, Sprach- und Hörstö-
rungen sowie Gesichtsfeldeinschränkungen als frühe Zeichen einer Schädigung
des zentralen Nervensystems durch organische Quecksilberverbindungen auf.

In englischsprachiger Fachliteratur wird der Einfluss einer chronischen um-
weltbedingten Bleibelastung als Auslöser von Bluthochdruck und Herz-Kreis-
lauferkrankungen dargelegt, etwa bei Navas-Acien A, Guallar E, Silbergeld
EK, Rothenberg SE. Lead exposure and cardiovascular disease – a systematic
review, Environ Health Perspect 2007.

Die US-amerikanischen Environmental Protection Agency (EPA) und die
Agency for Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR) bewerten beim
Ranking im Rahmen des Comprehensive Environmental Response, Compensa-
tion and Liability Act (CERCLA) Arsen, Blei und Quecksilber aufgrund ihrer
Häufigkeit, ihrer Toxizität und ihres Expositionspotentials für den Menschen
als die gefährlichsten Substanzen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung von der Resolution 1816 der PV des Europarates
Kenntnis genommen?

2. Welchen Stellenwert räumt die Bundesregierung der Gesundheitsgefähr-
dung durch Schwermetalle und weitere potentiell toxische Metalle ein?

3. Erachtet die Bundesregierung bestehende Expositionsgrenzwerte für Metalle
bei der Exposition gegenüber einer Mehrfachbelastung von Metallen wie
Blei und Quecksilber für ausreichend und wirkungsvoll?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13572

4. Folgt die Bundesregierung der Einschätzung der PV des Europarates, dass
Schwermetalle und die von ihnen ausgehende Gesundheitsgefährdung als
vorrangige Anliegen der Gesundheits- und Umweltpolitik erkannt und be-
handelt werden sollen, und wenn nein, warum nicht?

5. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung kurz-, mittel- und langfris-
tig, um so viele Schwermetalle wie möglich aus der menschlichen Umwelt
zu entfernen, ihre Bioakkumulation in der natürlichen Umwelt, der Nah-
rungskette und schließlich im menschlichen Körper zu verhindern und da-
mit ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu verringern?

6. Plant die Bundesregierung kurz-, mittel- oder langfristig eine Einschrän-
kung bzw. ein Verbot von bleihaltiger Jagdmunition, und wenn nein,
warum nicht?

7. Plant die Bundesregierung kurz-, mittel- oder langfristig eine Einschrän-
kung bzw. ein Verbot oder zumindest eine Kennzeichnungspflicht von
Schwermetallen und weiteren potentiell toxischen Metallen in Tonern von
Laserdruckern, und wenn nein, warum nicht?

8. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung kurz-, mittel- und langfris-
tig zur Verbesserung der Vorsorge und der Behandlung von Krebserkran-
kungen, die durch Schwermetalle verursacht werden können?

9. Erkennt die Bundesregierung den Einfluss einer chronischen umweltbe-
dingten Bleibelastung als Auslöser von Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-
erkrankungen an, und wenn ja, welche diagnostischen und therapeutischen
Konsequenzen ergeben sich daraus?

Wenn nein, was veranlasst die Bundesregierung zu dieser Einschätzung,
die entgegen der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten medizi-
nischen Literatur stünde?

10. Schließt sich die Bundesregierung dem Ranking der US-amerikanischen
EPA und ATSDR an, die Arsen, Blei und Quecksilber für den Menschen
als die gefährlichsten Substanzen bewerten, und wenn nein, welche
Substanzen bewertet die Bundesregierung als für den Menschen am gefähr-
lichsten unter Berücksichtigung ihrer Häufigkeit, ihrer Toxizität und ihres
Expositionspotentials für den Menschen?

11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung kurz-, mittel- und langfris-
tig zur verbesserten Vorsorge und Behandlung chronischer Erkrankungen,
die durch Schwermetalle verursacht werden?

12. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung diesbezüglich kurz-, mit-
tel- und langfristig zum speziellen Schutz für die Schwächsten, etwa Klein-
kinder und chronisch Kranke?

13. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung diesbezüglich kurz-, mit-
tel- und langfristig zum speziellen Schutz für Frauen im gebärfähigen Alter
und für Schwangere?

14. Plant die Bundesregierung kurz-, mittel- oder langfristig eine Reduzierung
bzw. ein Verbot von Aluminium, das vom Umweltbundesamt als neuro-
toxisch bewertet wird, in Impfstoffen für Säuglinge, Kleinkinder und
Schulkinder?

15. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung kurz-, mittel- und langfris-
tig zum speziellen Schutz und zur verbesserten Behandlung von Menschen,
die an einer Krankheit leiden, die durch Schwermetalle und andere Metalle
vorwiegend oder teilweise ausgelöst oder verschlechtert werden kann?

Drucksache 17/13572 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
16. Wie begründet die Bundesregierung, dass in Deutschland ab dem Jahr 2016
noch 3 µg Quecksilber/Nm3 von Kraftwerken emittiert werden dürfen,
während die USA ab dem Jahr 2016 einen Grenzwert von nur 0,025 µg
HG/Nm3 vorsehen?

Berlin, den 15. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.