BT-Drucksache 17/1343

Ausbildung von Sicherheitskräften der somalischen Übergangsregierung durch die Europäische Union

Vom 9. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1343
17. Wahlperiode 09. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Katja Keul, Omid Nouripour, Volker Beck
(Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausbildung von Sicherheitskräften der somalischen Übergangsregierung durch
die Europäische Union

Im November 2009 hat der Rat der EU-Außenminister ein Krisenmanagement-
konzept (CMC) für eine mögliche EU-Mission zur Ausbildung der somalischen
Sicherheitskräfte als Beitrag zur Unterstützung der somalischen Übergangsre-
gierung (TFG) mit dem Ziel der Stabilisierung des Landes gebilligt. Das Politi-
sche und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) ernannte daraufhin Spanien als
die federführende Nation für die weiterführenden Planungen. Am 25. Januar
2010 beschlossen die europäischen Außenminister, eine entsprechende Militär-
operation einzusetzen. Am 15. Februar 2010 folgte der offizielle Beschluss der
EU-Außenminister, die EU Somalia Training Mission (EUTM-Somalia) zu ent-
senden. Am 31. März 2010 hat der Rat den Missions-Beginn zum 7. April 2010
beschlossen. Im Rahmen der Operation sollen 2000 somalische Soldaten inklu-
sive Ausbilder ausgebildet werden. Das Hauptquartier der EUTM-Somalia soll
in Uganda eingerichtet werden, wo bereits somalische Sicherheitskräfte ausge-
bildet werden. Darüber hinaus ist die Einrichtung eines Verbindungsbüros in
Nairobi und eine Unterstützungszelle in Brüssel vorgesehen. Sie soll Teil einer
umfassenden Somalia-Politik der EU sein und sich kohärent in die Zusammen-
arbeit mit anderen internationalen Akteuren, insbesondere der Afrikanischen
Union (AU), den Vereinten Nationen und den USA einfügen. Eine besondere
Rolle kommt hierbei der Operation AMISOM der Afrikanischen Union in
Somalia zu, die bereits somalische Sicherheitskräfte ausbildet.

Wir fragen die Bundesregierung:

Im Hinblick auf die Umsetzung der EUTM-Somalia:

1. Wann genau beginnt die Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte durch die
EUTM-Somalia in Uganda?

2. Wie viel Personal, aus welchen EU-Mitgliedsländern und aus welchem Si-
cherheitsbereich (Militär/Polizei/Gendarmerie) wird für die EUTM-Somalia
bereitgestellt?

3. In welchem Umfang, mit welcher Art von Personal und Ausrüstung ist eine
deutsche Beteiligung vorgesehen?
4. Welche Art von Kosten, und in welcher Höhe plant die Bundesregierung für
welchen Zeitraum zu übernehmen?

5. Welche Art an Waffen und Munition dürfen die Soldaten der EUTM-Somalia
mit sich führen, und zu welchem Zweck?

Drucksache 17/1343 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Welche Art von somalischen Sicherheitskräften sollen im Rahmen der
EUTM-Somalia ausgebildet werden?

7. Welche konkreten Ausbildungsinhalte sollen vermittelt werden, und inwie-
fern wird dabei die Trennung von militärischen und polizeilichen Inhalten
gewährleistet?

8. Welche Inhalte, wie beispielsweise Menschenrechte und das humanitäre
Völkerrecht soll das Trainingsprogramm zu welchen Anteilen enthalten?

9. Mit welchen Geldmitteln sollen die Gehälter der ausgebildeten somalischen
Soldaten zurück in Mogadischu finanziert werden?

Ist eine Finanzierung über das EU-Instrument der Peace Facility for Africa
geplant, und wenn ja, in welchem Umfang?

10. Ist im Rahmen der EUTM-Somalia auch die Ausrüstung der somalischen
Sicherheitskräfte mit Waffen und militärischem Material vorgesehen?

Wenn ja, mit welcher Art von Waffen und Ausrüstung, und zu welchem
Zweck?

Wenn nein, woher erhalten die somalischen Sicherheitskräfte dann ihre
Waffen und Ausrüstung?

11. Hält die Bundesregierung eine Beteiligung des Deutschen Bundestages
nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz zur Entsendung deutscher Sicher-
heitskräfte für erforderlich?

Wenn nein, mit welcher Begründung?

12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sie den Deutschen Bundestag
ausreichend an dem Entscheidungsprozess über einen deutschen Beitrag an
der EUTM-Somalia beteiligt hat?

Wenn ja, mit welchen konkreten Maßnahmen wurde der Beteiligung des
Deutschen Bundestages nach Ansicht der Bundesregierung Genüge getan?

Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit EUTM-Somalia für Frieden und Stabilität in
Somalia:

13. Welchen Mehrwert für den Staatsaufbau Somalias verspricht sich die Bun-
desregierung durch die EUTM-Somalia?

14. Wie bewertet die Bundesregierung den Bericht der Somalia Monitoring
Group der Vereinten Nationen (VN) vom 10. März 2010?

15. Wie schätzt die Bundesregierung die Erfolgsaussichten der EUTM-Somalia
vor dem Hintergrund des Berichts der Somalia Monitoring Group der VN
vom 10. März 2010 ein, welcher es für ausgeschlossen hält, dass die Sicher-
heitskräfte der Übergangsregierung auf absehbare Zeit die Oberhand über
die Milizen gewinnen könnten und sie trotz ausländischer Trainingspro-
gramme ineffektiv, unorganisiert und auf allen Ebenen korrupt seien?

16. Wie will die EU verhindern, dass die Krise nicht durch den möglichen Ver-
kauf von Waffen durch die ausgebildeten somalischen Sicherheitskräfte,
wie er nach dem Bericht der Somalia Monitoring Group der VN vom
10. März 2010 üblich ist, verstärkt wird, und inwiefern berücksichtigt die
EU hierbei das VN-Waffenembargo (UNSCR 733 (1992), 1356 (2001) und
1425 (2002)) gegen Somalia, auf die sich die EU in ihrem Gemeinsamen
Standpunkt 2002/960/GASP bezieht?

17. Welche Vorkehrungen wurden seitens der EU konkret getroffen, damit
sichergestellt ist, dass die ausgebildeten und ausgerüsteten somalischen

Sicherheitskräfte nicht zu Warlords, islamistischen Milizen wie al-Shabaab,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1343

Hizbul Islam oder Piraten überlaufen, insbesondere vor dem Hintergrund,
dass die Somalia Monitoring Group der VN in ihrem jüngsten Bericht davon
ausgeht, dass die somalischen Sicherheitskräfte nicht der somalischen Über-
gangsregierung, sondern nur einzelnen Mitgliedern gegenüber loyal seien?

18. Welche Maßnahmen werden seitens der Bundesregierung und der EU er-
griffen, so dass – wie in dem Ratsbeschluss vom 25. Januar 2010 und der
Ratsentscheidung vom 15. Februar 2010 (2010/96/GASP) ausgeführt –
sichergestellt ist, dass

– die Ausbildung Teil eines breiteren internationalen Engagements ist,

– ein transparentes Überprüfungsverfahren der Auszubildenden gewähr-
leistet ist,

– das Monitoring und Mentoring der zurückgekehrten somalischen Sicher-
heitskräfte in Mogadischu gewährleistet ist,

– die Finanzierung des Sicherheitssektors im Allgemeinen und des Soldes
der Soldaten im Speziellen gewährleistet ist und

– die Sicherheitskräfte dauerhaft rechtsstaatlichen Prinzipien und inter-
nationalen Menschenrechtsstandards folgen?

19. Wie genau soll die Bezahlung der somalischen Sicherheitskräfte in Uganda
und zurück in Mogadischu technisch sichergestellt und überwacht werden?

20. Wer soll das Monitoring und Mentoring der Sicherheitskräfte, die nach
Mogadischu zurückgekehrt sind, durchführen?

Wo und wie soll dies mit welchem Personal geschehen?

21. Ist der Aufenthalt von Sicherheitskräften der EUTM-Somalia in Somalia/
Mogadischu selbst geplant?

Wenn ja, wer soll für deren Sicherheit sorgen, und wo genau in Somalia
sollen diese Sicherheitskräfte sich aufhalten, und wären auch deutsche Sol-
daten betroffen?

22. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich einer erfolg-
reichen Ausbildung von somalischen Sicherheitskräften durch französische
Sicherheitskräfte in Djibuti vor?

23. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, dass bisher
ausgebildete Sicherheitskräfte der somalischen Übergangsregierung zu geg-
nerischen Kräften übergelaufen sind?

24. Welche Initiativen zur Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte gibt es
derzeit seitens der Bundesregierung sowie der EU und deren Mitgliedstaa-
ten insgesamt?

25. Wie wird die koordinierte und kohärente Abstimmung der EUTM-Somalia
mit anderen Ausbildungsprogrammen für somalische Sicherheitskräfte
sichergestellt, um die von der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und
Sicherheitspolitik Catherine Ashton beschriebene Gefahr einer Duplizie-
rung von Initiativen zu verhindern?

26. Wie und mit welchem Ergebnis hat sich die EU mit der AU und AMISOM
abgesprochen, auch um den Eindruck eines europäischen Alleingangs aus-
zuräumen?

27. Warum entsendet die EU eine eigene Ausbildungsmission und unterstützt
und stärkt nicht ausschließlich die bestehenden Ausbildungsprogramme der
AMISOM?
28. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung Programme der äthiopischen
Regierung zur Ausbildung somalischer Polizisten?

Drucksache 17/1343 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Warum unterstützt die Bundesregierung die äthiopische Ausbildungs-
mission, obwohl sie nach Aussage von VN-Mitarbeitern nicht den VN-
Standards entspricht und Äthiopien zudem nach dem Bericht der Somalia
Monitoring Group der VN vom 10. März 2010 Konfliktpartei und Waffen-
lieferant in der Somalia-Krise ist?

30. Inwieweit ergänzt die EUTM-Somalia andere Initiativen zum Aufbau soma-
lischer Sicherheitskräfte und schafft so einen Mehrwert?

Im Hinblick auf ein politisches Gesamtkonzept für Somalia:

31. Wie sieht das Gesamtkonzept der EU für eine nachhaltige Befriedung
Somalias konkret aus, in das die EUTM-Somalia eingebettet sein soll, und
inwieweit findet dabei das EU-Konzept für die Region rund um das Horn
von Afrika vom Dezember 2009 Berücksichtigung?

32. Welches Gesamtkonzept verfolgt die Bundesregierung für eine nachhaltige
Befriedung Somalias, und welche weiterführenden Maßnahmen über die
EUTM-Somalia hinaus plant die Bundesregierung, und inwieweit fügen
sich solche Maßnahmen ergänzend in das politische Gesamtkonzept der EU
ein?

33. Wie schätzt die Bundesregierung die Stabilität der somalischen Übergangs-
regierung angesichts der Tatsache ein, dass ihre Staatsgewalt sich auf
wenige Stadtteile Mogadischus beschränkt, Regierungsmitglieder häufig
Opfer von Attentaten werden, sie von Seiten der AU-Mission AMISOM
nicht wirksam geschützt werden kann und die gegnerischen Kräfte immer
stärker werden?

34. Welche konkreten Maßnahmen verfolgen die Bundesregierung und die EU,
um die Friedensverhandlungen zwischen der Übergangsregierung und op-
positionellen Gruppen, sowie den Aufbau von Rechtsstaats-, Verwaltungs-
und Wirtschaftsstrukturen zu fördern?

35. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des spanischen Außen-
ministers Miguel Ángel Moratinos, eine internationale Somalia-Konferenz
im Rahmen der VN einzuberufen, die von der EU proaktiv begleitet und
umgesetzt werden soll?

Was sollte eine solche Initiative nach Auffassung der Bundesregierung kon-
kret beinhalten?

Berlin, den 9. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.