BT-Drucksache 17/1332

Haltung der Bundesregierung zur "Heldenfeier" des Kameradenkreises der Gebirgstruppen in Mittenwald und zur Geschichte der deutschen Gebirgstruppen

Vom 6. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1332
17. Wahlperiode 06. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, Harald Koch,
Jens Petermann, Raju Sharma und der Fraktion DIE LINKE.

Haltung der Bundesregierung zur „Heldenfeier“ des Kameradenkreises
der Gebirgstruppen in Mittenwald und zur Geschichte der deutschen Gebirgs-
truppen

Im oberbayerischen Mittenwald wurde im März dieses Jahres ein Mahnmal ein-
geweiht, das an die Menschen erinnert, die während des Zweiten Weltkrieges
von Gebirgstruppen der Wehrmacht ermordet worden sind. Den Gebirgstruppen
waren in Dutzenden von Massakern Tausende von Menschen zum Opfer ge-
fallen. Der antifaschistische Arbeitskreis „Angreifbare Traditionspflege“ hatte
das Mahnmal im vergangenen Jahr aufgestellt und der Gemeinde gestiftet.

An der Einweihungsfeier nahm auch eine Abordnung der Mittenwalder Ge-
birgstruppengarnison teil. Anfangs war auch der Präsident des umstrittenen Ka-
meradenkreises der Gebirgstruppen, Oberst a. D. Manfred Benkel, anwesend.
Während der Rede des Arbeitskreises „Angreifbare Traditionspflege“ verließ
dieser allerdings die Veranstaltung.

Der Kameradenkreis organisiert alljährlich eine „Gefallenen“-Feier auf dem
Hohen Brendten nahe Mittenwald. Die Fragesteller haben schon mehrfach
thematisiert und dokumentiert, dass der Kameradenkreis keine eigenen Beiträge
zur Aufarbeitung der Kriegsverbrechen leistet, die von den Gebirgstruppen
begangen wurden, sondern vielmehr um eine ungebrochene Traditionslinie
bemüht ist. Das zeigt sich unter anderem darin, dass er sich nie von seinem
Ehrenpräsidenten General Hubert Lanz distanziert hat, einem im Kriegsver-
brecherprozess in Nürnberg verurteilten faschistischen Massenmörder. Dessen
Aussage, die deutschen Gebirgsjäger hätten zur „Elite“ der Wehrmacht gehört,
wird vom Verein heute noch hochgehalten. Zu den Mitgliedern des Kamera-
denkreises wie auch zu den Besuchern seiner „Heldenfeier“ gehörten und ge-
hören nachweislich Kriegsverbrecher (so wurde erst im Vorjahr der J. S. wegen
Massenmordes vom Landgericht München zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe
verurteilt).

Auch die Bundesregierung hat auf Nachfrage der Fraktion DIE LINKE. immer
wieder und entgegen dem historischen Forschungsstand (vgl. etwa Hermann
Frank Meyer, „Blutiges Edelweiß“) behauptet, es gebe keine verbrecherische
Geschichte der Gebirgstruppen.

Der Kameradenkreis will auch nach Einweihung des Denkmals nicht von seinen
Veranstaltungen lassen. Die nächste Feier auf dem Hohen Brendten findet am
9. Mai 2010 statt – am 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Die
Bundeswehr gehört seit Jahrzehnten zu den verlässlichen Unterstützern des
Kameradenkreises. Sie gewährt ihm logistische und materielle Unterstützung,

Drucksache 17/1332 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

öffnet ihm ihre Kasernentore zu Mitgliederversammlungen und anderen Ver-
anstaltungen und unterstützt auch seine Feier auf dem Hohen Brendten.

Was sich dort abspielt, steht in Widerspruch zu den geltenden Traditionsricht-
linien. Auch höchste Generale ergehen sich dort in Äußerungen, die dem Prinzip
der Inneren Führung nicht entsprechen.

So pries der Inspekteur des Heeres Generalleutnant Hans-Otto Budde in seiner
Ansprache im Vorjahr die angeblich „zeitlosen soldatischen Tugenden“, die den
„Einsatzgeist von Bundeswehrsoldaten“ auszeichnen sollten (junge Welt, 18. Mai
2009). Die Fragesteller haben die Prinzipien der Inneren Führung bislang so ver-
standen, dass es „zeitlose“ soldatische Tugenden nicht gebe, dass derlei
„Tugenden“ vielmehr nicht losgelöst von dem Zweck, dem sie dienen, bewertet
werden dürften. Von „zeitlosen“ Tugenden zu sprechen, gehört zu den beliebten
Codes von Wehrmachts-Nostalgikern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält es auch diese Bundesregierung für angemessen, mit einem Verein zusam-
menzuarbeiten, dessen Vertreter sich auf den Kriegsverbrecher und Massen-
mörder Hubert Lanz berufen und die Gebirgstruppen der Wehrmacht zur
„Elite des Herzens und des Geistes“ zählen, und falls ja, welchen Vorteil für
die Bundeswehr und die Angehörigen der Gebirgstruppen verspricht sie sich
davon?

2. Wird die Bundeswehr die diesjährige Veranstaltung des Kameradenkreises
auf dem Hohen Brendten unterstützen, und wenn ja,

a) welche konkreten Unterstützungsleistungen sind geplant,

b) wie viele Soldaten sollen insgesamt zum Einsatz kommen,

c) mit welchen konkreten Aufgaben sollen diese betreut werden,

d) wird wieder ein Shuttle-Service für Besucherinnen und Besucher der Ver-
anstaltung angeboten,

e) werden Musikgruppen der Bundeswehr auftreten, und wenn ja, welche,

f) welche materiellen Unterstützungsleistungen werden erbracht,

g) welche weiteren Vergünstigungen werden dem Kameradenkreis gewährt,

h) welche Kosten entstehen für die Unterstützungsleistungen (bitte einzeln
aufgliedern), und wer kommt für diese auf,

i) werden im Vorfeld Unterstützungsleistungen für die Organisation und Vor-
bereitung (incl. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) gewährt, und wenn ja,
welche?

3. Wird, wie in den Vorjahren, ein Angehöriger der Bundeswehr und/oder der
Bundesregierung eine Ansprache halten, und wenn ja, wer?

4. Wird Soldaten bzw. Reservisten eine Uniformtrageerlaubnis für die Teil-
nahme an der Feier gewährt, oder wird sie, wie dies im österreichischen
Bundesheer mittlerweile Regel ist, verweigert?

5. Hat die Bundesregierung nach der Ansprache im Vorjahr den Heeresinspek-
teur darauf hingewiesen, dass die Rede von vermeintlich „zeitlosen“ solda-
tischen Tugenden nicht mit dem dynamischen Traditionsbegriff der Bundes-
wehr zu vereinbaren ist und soldatische „Tugenden“ niemals losgelöst von
dem Zweck gewürdigt werden dürfen, zu dem sie eingesetzt werden, und
wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1332

6. Teilt diese Bundesregierung, wie ihre Vorgängerin, die Auffassung, es sei
ungeachtet zahlreicher Nachweise über Kriegsverbrechen der Gebirgstruppe
– die mittlerweile auch von der Gemeinde Mittenwald nicht mehr geleugnet
werden – „historisch falsch“, „von einer verbrecherischen Geschichte der
Gebirgstruppen zu sprechen“ (vgl. Bundestagsdrucksache 16/13064)?

7. Inwiefern ist beabsichtigt, das nun in Mittenwald errichtete Mahnmal für die
Opfer der Gebirgstruppen in die politische Bildung und/oder die Traditions-
pflege am Standort einzubeziehen?

a) Inwiefern ist beabsichtigt, Angehörige der Gebirgstruppen der Bundes-
wehr über die Verbrechen ihrer Vorgängertruppen aufzuklären?

b) Mit welchen Methoden und welchem zeitlichem Umfang soll das gesche-
hen?

c) Inwiefern werden dabei externe, historisch versierte, Referentinnen und
Referenten eingeladen?

d) Inwiefern erachtet die Bundesregierung es angesichts von Berichten über
„Aufnahmerituale“ (Verzehr roher Schweineleber usw.), den „Toten-
kopfskandal“ und andere Ereignisse für notwendig, speziell die Gebirgs-
truppen verstärkt auf die Prinzipien der Inneren Führung hinzuweisen?

8. Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen dem Kameradenkreis und der
Bundeswehr im Jahr 2009 entwickelt?

a) Welche Formen der Zusammenarbeit bestehen zwischen dem Kamera-
denkreis und der Bundeswehr?

b) Wie oft hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr der Zeitschrift des Ka-
meradenkreises Artikel und/oder Bildmaterial überlassen (bitte als An-
lage beifügen)?

c) Welche Veranstaltungen und Zusammenkünfte hat der Kameradenkreis
im vergangenen Jahr innerhalb von militärischen Liegenschaften durch-
geführt (bitte Anlass, Ort und Datum nennen)?

9. Hat die Bundesregierung bei der österreichischen Regierung Erkundigungen
darüber eingeholt, warum das österreichische Bundesheer eine ähnlich gela-
gerte Wehrmachts- und SS-„Helden“-Feier auf dem Ulrichsberg nicht mehr
unterstützt und es seinen Soldaten verbietet, an der Veranstaltung in Mitten-
wald in Uniform teilzunehmen?

10. Ist der Bundesminister der Verteidigung in der Vergangenheit Mitglied des
Kameradenkreises der Gebirgstruppe gewesen oder ist er gegenwärtig Mit-
glied (bitte ggf. Zeitraum bzw. Beginn der Mitgliedschaft angeben)?

11. Wurde auch diese Kleine Anfrage wie in den Vorjahren von einem Mitglied
des Kameradenkreises beantwortet, und geht die Bundesregierung weiterhin
davon aus, es gebe hierbei keinen Interessenkonflikt?

Berlin, den 6. April 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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