BT-Drucksache 17/13306

Illegaler Elektroschrottexport in Länder des Südens

Vom 23. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13306
17. Wahlperiode 23. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Ralph Lenkert, Dr. Barbara Höll, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Heike Hänsel,
Inge Höger, Harald Koch, Paul Schäfer (Köln), Sabine Stüber und der Fraktion
DIE LINKE.

Illegaler Elektroschrottexport in Länder des Südens

Aus Deutschland werden jährlich schätzungsweise bis zu 124 000 Tonnen (Prä-
sentation der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit – GIZ-
GmbH vom 30. November 2011, „Elektroschrott: Wertvoll und gefährlich – Die
Folgen der Wegwerfgesellschaft“), zum Teil gefährlicher Elektroschrott u. a.
nach Afrika und Asien exportiert. Nach Schätzungen von Greenpeace exportie-
ren die Länder des Nordens jährlich 50 bis 80 Prozent des weltweiten Elektro-
schrottes (40 bis 50 Millionen Tonnen) in die Länder des Südens. Die Elektro-
geräte werden als „Gebrauchsware“ deklariert, obwohl 75 bis 80 Prozent der
exportierten Elektrogeräte nicht funktionstüchtig sind oder nur noch eine kurze
Lebensdauer haben (s. Präsentation der GIZ).

Nach der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen ist
die Ausfuhr defekter Elektronikartikel in Länder mit nicht funktionierenden
Entsorgungsstrukturen illegal. Die laxe Handhabungs- bzw. mangelhafte Über-
wachungspraxis vieler exportierender Industriestaaten verstößt gegen die Basler
Konvention von 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung
gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung. 174 Staaten sind diesem Überein-
kommen, das ein umweltgerechtes Abfallmanagement sowie grenzüberschrei-
tende Transporte regelt, beigetreten. Demnach darf Abfall nur in Staaten einge-
führt werden, die über Einrichtungen zur fachgerechten Entsorgung verfügen.
Viele Unterzeichnerstaaten, darunter auch EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland,
brechen regelmäßig die Basler Konvention, obwohl auch in der EU der Export
von gefährlichen Abfällen seit 1997 verboten ist. Denn die bisherigen stich-
probenartigen Überprüfungen reichen nicht aus, um den illegalen Elektro-
schrottexport einzudämmen. So werden beispielsweise in Rotterdam zwar jähr-
lich ca. 300 Container mit illegalen Abfällen entdeckt, angesichts von mehr als
4,4 Millionen ausgeführten Transportboxen (Greenpeace Magazin 4/07, „Jagd
auf die Müllmafia“) ist dies vermutlich aber nur die Spitze des Eisbergs.

Den Importländern fehlen die technologischen Kapazitäten, um mit giftigen Ab-
fallimporten sachgemäß umzugehen. Insbesondere Nigeria und Ghana gelten

aufgrund mangelnder Kontrollen als ein Ziel für unerlaubt ausgeführten Elek-
troschrott. In Lagos landen jede Woche ca. 500 Container mit 400 000 gebrauch-
ten Computern (www.tagesschau.de/ausland/elektroschrott-ghana100.html). Die
illegale Verschiffung von Elektroschrott wirkt dort extrem entwicklungshem-
mend, da sie umweltschädliche Altlasten hinterlässt und gesundheitsschädlich
ist. Neben den begehrten Rohstoffen sind in den Geräten auch Schwermetalle
wie Blei, Kadmium und Quecksilber sowie giftige Substanzen wie PVC (Ver-

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brennungsprodukte) und bromierte Flammschutzmittel verarbeitet. Auf offenen
Feuern wird zum Beispiel aus PVC-haltigen Kabeln Kupfer gewonnen, dabei
entsteht giftiges Dioxin. Computerplatinen werden in Plastikwannen voll ge-
fährlicher Säure gelegt, um einen Teil der Edelmetalle wie Gold oder Platin von
den Platinen zu lösen. Den dabei entstehenden giftigen Dämpfen und Rauch-
gasen sind die Arbeiterinnen und Arbeiter oft schutzlos ausgesetzt. Insbesondere
Kinder sind dafür zuständig, die ausgeschlachteten Fernseher und Computer
weiter auseinanderzunehmen, um an ein paar Gramm Kupfer zu kommen. Dazu
werden die Geräte mit Hämmern zerschlagen, was oft zu schweren Schnittver-
letzungen führt. Einige der giftigen Stoffe sind in der EU inzwischen bei Neu-
geräten verboten, aber alte Computer enthalten diese Substanzen. Die unsach-
gemäßen Recyclingmethoden führen zudem dazu, dass die in den Geräten ent-
haltenen Schwermetalle und sonstigen giftigen Substanzen Grundwasser und
Boden verseuchen.

Das Geschäft mit dem Elektroschrott ist lukrativ und aufgrund der mangelhaften
Kontrollen verhältnismäßig wenig riskant. Eine Tonne Kupfer, das beispiels-
weise in Kabeln und alten Kompressoren enthalten ist, bringt am Weltmarkt bis
zu 7 000 Euro. Geldstrafen fallen im Vergleich zum Gewinn niedrig aus. Hinzu
kommt, dass oft das fachgerechte Recyceln teurer ist als der Export. So kostet
das fachgerechte Recyceln eines Röhrenbildschirms in Deutschland etwa 4 Euro,
während der Export sogar noch bis zu 3 Euro Gewinn abwirft. Entlang der
Recyclingkette fehlt es an einer transparenten Struktur, welchen Weg die ab-
gegebenen Geräte von der kommunalen Sammelstelle bis zum Endrecycler
nehmen. Am Anfang der Kette werden die Geräte nach verschiedenen Gruppen
getrennt gesammelt. Für die Sortierung, Zerlegung und Aufbereitung sind im
Regelfall eine Vielzahl spezialisierter Unternehmen zuständig, die den eigent-
lichen Recyclingfirmen vorgeschaltet sind. Sie sortieren die Altgeräte, demon-
tieren sie und bereiten die Weiterverarbeitung vor. Die Rückgewinnung von Me-
tallen findet dann im letzten Schritt beim Materialrecycling bzw. der Edelmetall-
scheidung statt, wo sich im Idealfall Rückgewinnungsraten für Edelmetalle von
über 95 Prozent erzielen lassen. In Deutschland gibt es mehrere hundert Sam-
melplätze: einige große und viele kleine Exporteure, zum Teil einzelne Per-
sonen, die in Deutschland Geräte für einen Container kaufen und diesen im
Empfängerland wieder in Empfang nehmen. Die Geräte, die auf den Sammel-
plätzen für den Export bereitstehen, gelangen aber immer wieder über dubiose
Wege auch von den Recyclinghöfen oder kommunalen Sammelstellen dorthin.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung die Prüfung, ob Vertrags-
staaten die Basler Konvention einhalten, und wie ist die Bundesrepublik
Deutschland an diesen Prüfungen beteiligt?

2. Wie viel Personal steht in deutschen Häfen bereit, um Schiffe hinsichtlich
illegaler Elektromüllexporte zu kontrollieren?

a) Wie war die Personalentwicklung in diesem Bereich in den letzten 10 Jah-
ren?

b) Gibt es Planungen, das Personal in naher Zukunft aufzustocken?

3. Wie viele Kontrollen werden jährlich durchgeführt?

a) In welchem Verhältnis stehen die Kontrollzahlen zu den Ausfuhrzahlen,
d. h. wie viel Prozent der Ausfuhrartikel, die als verwendbare Elektronik-
artikel deklariert werden, werden kontrolliert?

b) In welcher Art werden die als verwendbar deklarierten Geräte geprüft (bitte

angeben, ob Sichtprüfungen, Prüfungen von Begleitpapieren, Funktions-
kontrollen o. Ä. stattfinden)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13306

c) Wie viel Prozent der als verwendbar deklarierten Geräte werden auf Funk-
tionsfähigkeit geprüft?

d) Wie häufig gibt es Funde von illegalem Elektronikschrott im Rahmen die-
ser Kontrollen?

4. Wie viele der Kontrollen finden mit Vorankündigung, und wie viele ohne
Vorankündigung statt?

a) Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob Kontrollen angekündigt
werden oder nicht?

b) Wie lange vorher werden Kontrollen angekündigt?

c) Gibt es evidente zahlenmäßige Unterschiede im Bereich des Fundes von
illegalem Elektroschrott je nachdem, ob eine angekündigte oder unange-
kündigte Kontrolle stattfindet?

5. Welche Bundes-, oder nach Kenntnis der Bundesregierung Landes- oder
Kommunalbehörden sind für derartige Kontrollen zuständig, und wie arbei-
ten die verschiedenen Behörden zusammen?

6. Wo sieht die Bundesregierung im Bereich der Zuständigkeiten Klärungs-
und Verbesserungsbedarf?

7. Welche deutschen Unternehmen sind mit welchen Verstößen in Bezug auf
den illegalen Export von Elektromüll auffällig geworden?

8. Welche juristischen Sanktionen haben Unternehmen im Allgemeinen zu
befürchten, die auffällig geworden sind?

a) Wie hoch waren die Bußgeldzahlungen deutscher Unternehmen, die Elek-
tromüll illegal ausführen wollten, in den letzten fünf Jahren?

b) Hält die Bundesregierung die derzeitigen Sanktionsmöglichkeiten für
ausreichend?

9. Stellt die Bundesregierung die Informationen bezüglich deutscher Unterneh-
men, die illegal Elektroschrott ausführen, den Behörden anderer Staaten zur
Verfügung?

10. In welchen Häfen in Deutschland und der EU sind besonders häufig Fälle
versuchten illegalen Exports von Elektromüll aufgetaucht?

11. Inwiefern sieht die Bundesregierung den massenhaften Export teils toxi-
schen Elektromülls aus Deutschland und der EU in Nicht-OECD-Länder
als entwicklungs- und umweltpolitisches Problem?

12. Welche Initiativen der Bundesregierung, auch auf EU-Ebene, gibt es aktu-
ell im Bereich des Stopps von Elektroschrottexporten in die Länder des Sü-
dens, und welche sind geplant?

13. Welche Kooperationen auf EU-Ebene gibt es, den Export von illegalem
Elektroschrott zu stoppen?

14. Inwiefern steht die Bundesregierung in Kontakt und/oder Kooperation mit
den Regierungen potenzieller Empfängerstaaten von europäischem Elek-
troschrott?

15. Welche Nicht-OECD-Staaten nehmen nach Kenntnis der Bundesregierung
Elektroschrott entgegen (bitte nach den aktuellen jährlichen Mengen auf-
schlüsseln)?

16. Wie groß sind die Mengen an Elektroschrott aus

a) Deutschland,
b) der Europäischen Union?

Drucksache 17/13306 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
17. Wie viele Computer werden von der EU und der Bundesrepublik Deutsch-
land eingeführt (bitte aufschlüsseln)?

18. Wie viele Computer werden nach Kenntnis der Bundesregierung in der EU
und in der Bundesrepublik Deutschland recycelt (bitte aufschlüsseln)?

19. Welchen Anteil an der Gesamtmenge von Elektronikschrott haben nach
Kenntnis der Bundesregierung die Stoffe Platin, Gold, Silber, Kupfer und
Seltene Erden (bitte in Prozent und Kilogramm pro Jahr aufschlüsseln)?

20. Wie viele Unternehmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der
Bundesrepublik Deutschland mit Recycling von Elektronikschrott befasst?

a) Wie viele Arbeitsplätze haben diese Unternehmen?

b) Wie groß ist der Gesamtumsatz dieser Unternehmen?

c) Wie oft werden diese Unternehmen überwacht?

21. Inwieweit ist nach Meinung der Bundesregierung in dem Bereich Elektro-
schrottrecycling prinzipiell ein entwicklungspolitisches Engagement sinn-
voll?

22. Welche Projekte fördert die GIZ in diesem Bereich (bitte nach Ländern und
Projekten aufschlüsseln)?

Berlin, den 23. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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