BT-Drucksache 17/13297

Rechtsextreme Betätigung im Strafvollzug (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/12979)

Vom 23. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13297
17. Wahlperiode 23. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidrun Dittrich, Petra Pau, Jens Petermann,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Betätigung im Strafvollzug (Nachfrage zur Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/12979)

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/12979
erklärte die Bundesregierung am 2. April 2013 auf die Frage nach möglichen
Nachfolge- oder Ersatzstrukturen für die im Jahr 2011 vom Bundesministerium
des Innern verbotene Hilfsorganisation für nationale Gefangene und deren
Angehörige e. V., die rechtsextremistische Szene sei weiterhin bestrebt, die
Betreuung inhaftierter Gesinnungskameraden aufrechtzuerhalten. Doch weiter
heißt es: „Die durch das Verbot der HNG entstandene organisatorische Lücke
konnte durch andere rechtsextremistische Gefangenenhilfsorganisationen nicht
geschlossen werden. Bislang konnte sich noch keine Nachfolge- oder Ersatz-
organisation etablieren“. Zu diesem Zeitpunkt war zumindest den hessischen
Justizbehörden bereits die Existenz eines neuen Hilfsnetzwerkes rechtsextremer
Gefangener bekannt, das ausgehend von hessischen Justizvollzugsanstalten
bundesweit agierte. Zumindest ein Teil dieses Netzwerkes agierte unter dem
Codenamen „AD Jail Crew (14er)“, wobei „AD“ für „Aryan Defense“ und
„14er“ für das insbesondere unter Rechtsextremisten in den USA beliebte
Glaubensbekenntnis „14 Words“ zur „weißen Rasse“ steht. Der einschlägig
unter anderem wegen Mordes an einem Obdachlosen vorbestrafte und zurzeit in
der osthessischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Hünfeld inhaftierte Neonazi B. T.
warb in der Rockerzeitschrift „Biker News“ vom Oktober 2012 namentlich auf
der Seite „Jail Mail für die Jail Crew“, deren Gründungsdatum er mit dem
20. April 2012 – dem Geburtstag Adolf Hitlers – angab. Nach Angaben des hes-
sischen Justizministers Jörg-Uwe Hahn (FDP) vom 9. April 2013 wurden „in
den vergangenen Wochen seine Zellen durchsucht und Postsendungen über-
prüft.“ (www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?
rubrik=34954&key=standard_ document_48042089).

Nach Informationen der „FAZ“ hatte ein hoher Beamter des hessischen Justiz-
ministeriums bereits Mitte März die Behörden in acht betroffenen Bundes-
ländern über den Verdacht auf ein rechtsextremes Netzwerk informiert und die
Lage in der JVA Hünfeld mitgeteilt (www.faz.net/aktuell/politik/inland/
rechtsextremismus/rechtsextremes-gefaengnisnetzwerk-als-haette-es-den-nsu-

nie-gegeben-12147807.html).

Drucksache 17/13297 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Zu welchem Zeitpunkt, in welcher Form und bei welcher Gelegenheit hat
die Bundesregierung Kenntnis über das von der JVA Hünfeld ausgehende
rechtsextremistische Gefängnisnetzwerk erlangt?

a) Haben hessische Behörden das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen
Rechtsextremismus (GAR) über die Existenz des rechtsextremistischen
Gefängnisnetzwerkes informiert, und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

b) Wann wurde die Bundesregierung von hessischen Justizbehörden über
die Aufdeckung des rechtsextremistischen Gefängnisnetzwerkes offiziell
in Kenntnis gesetzt?

c) Hatte die Bundesregierung zum Zeitpunkt der Beantwortung auf die
Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/12797 schon irgendwelche
Kenntnisse über dieses Gefängnisnetzwerk, und wenn ja, warum wurden
diese in der Antwort nicht erwähnt?

2. Zu welchem Zeitpunkt und wie hat die Bundesregierung von dem in den
„Biker News“ (Heft Oktober 2012) veröffentlichten Aufruf des in der JVA
Hünfeld einsitzenden Rechtsextremisten B. T. zur Unterstützung einer „AD
Jail Crew (14er)“ erfahren?

a) Gehören die „Biker News“ zu den regelmäßig vom Bundesamt für Ver-
fassungsschutz oder dem Bundeskriminalamt (auch im Hinblick auf die
organisierte Kriminalität im Rockermilieu) ausgewerteten Zeitschriften?

b) Haben Bundesbehörden den Aufruf in den „Biker News“ vor Aufdeckung
des rechtsextremen Gefängnisnetzwerkes gelesen, und wenn ja, welche
Reaktionen erfolgten darauf?

c) Wann und wie hat die Bundesregierung Kenntnis über eine am 17. Januar
2013 an die sächsische Landesregierung gestellte Kleine Anfrage der
Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (DIE LINKE.) über die „AD Jail
Crew (14er)“ erlangt?

d) Hat sich das GAR jemals mit dieser Anfrage beschäftigt, und wenn ja, zu
welchem Zeitpunkt und in welcher Form, und welche Schlussfolgerun-
gen wurden dabei gezogen?

e) Wann und durch wen hat die Bundesregierung Kenntnis von dem Artikel
„Briefe aus dem Knast“ in der Tageszeitung „Neues Deutschland“ vom
18. Februar 2013 bekommen, in dem über den Aufruf des Neonazis B. T.
zur Unterstützung der „AD Jail Crew (14er)“ berichtet wurde?

3. Ist die Bundesregierung immer noch der in ihrer Antwort auf die Kleine An-
frage zu Frage 8b auf Bundestagsdrucksache 17/12979 geäußerten Auf-
fassung, die durch das HNG-Verbot (HNG = Hilfsorganisation für nationale
politische Gefangene und deren Angehörige e. V.) entstandene organisatori-
sche Lücke sei durch keine andere rechtsextremistische Gefangenenhilfs-
organisation geschlossen worden, und es habe sich bislang noch keine Nach-
folge- oder Ersatzorganisation etabliert?

a) Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung trotz Auf-
deckung eines neuen bundesweit aktiven rechtsextremistischen Gefäng-
nisnetzwerkes durch hessische Behörden?

b) Wenn nein, wie lautet die aktuelle Einschätzung der Bundesregierung auf
die Frage, ob nach Kenntnis der Bundesregierung Strukturen der verbotenen
HNG fortbestehen oder Nachfolge- oder Ersatzorganisationen gebildet
wurden?

4. Welche generellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über gemeinsame

Gefängnisnetzwerke von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten und
Rockern und Rockerinnen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13297

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die „AD Jail Crew
(14er)“ ?

a) Wie viele Gefangene in wie vielen JVAs in welchen Bundesländern
waren nach bisherigen Erkenntnissen der Bundesregierung in die „AD
Jail Crew (14er)“ eingebunden?

b) Über welche Unterstützungsnetzwerke außerhalb der Gefängnisse ver-
fügte die Jail Crew?

c) Inwieweit gibt es Hinweise, wonach die Jail Crew Bestandteil eines
größeren Netzwerkes ist?

d) Inwieweit griff die Jail Crew nach Kenntnis der Bundesregierung auf
Strukturen der verbotenen HNG zurück?

e) Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung neben dem Artikel in den
„Biker News“ noch weitere öffentliche Erklärungen oder Aufrufe der Jail
Crew?

f) Welche Maßnahmen wurden von den betroffenen JVAs nach Kenntnis
der Bundesregierung im Einzelnen getroffen, nachdem die Existenz des
rechtsextremen Gefangenennetzwerkes bekannt wurde?

Inwiefern hat die Bundesregierung solche Maßnahmen angeregt und Un-
terstützung dafür angeboten?

g) Inwieweit war die „AD Jail Crew (14er)“ Thema im GAR?

6. Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit
Aufbau und Tätigkeit der „AD Jail Crew“ Straftaten begangen oder vorbe-
reitet worden?

7. Wie verliefen die Kontakte zwischen dem in der JVA Hünfeld inhaftierten
Rechtsextremisten B. T. und den Bundesbehörden, nachdem B. T. im De-
zember 2011 gegenüber dem hessischen Verfassungsschutz Informationen
zum NSU anbot (www.faz.net vom 13. April 2013 „Als hätte es den NSU
nie gegeben“)?

a) Wann, wo und wie oft trafen sich welche Bundesbehörden (BKA, Bundes-
amt für Verfassungsschutz) mit B. T.?

b) Wurden zwischen B. T. und den Bundesbehörden irgendwelche Verein-
barungen geschlossen, und wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?

c) Für wie glaubwürdig hält die Bundesregierung die Zeugenaussagen von
B. T. bezüglich des NSU?

d) Inwieweit kann die Bundesregierung ausschließen, dass B. T. als V-Mann
des BKA oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz angeworben
wurde?

8. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, das Thema auf den nächsten
Zusammenkünften der Justiz- sowie Innenminister anzusprechen?

9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der möglichen
Ungleichzeitigkeit des Kenntnisstandes zwischen dem Land Hessen, dem
Land Sachsen und dem Bund hinsichtlich der Arbeit des GAR, das unter
anderem mit der Begründung errichtet wurde, für einen reibungslosen und
raschen Kommunikationsablauf zwischen den unterschiedlichen Behörden
zu sorgen?

Berlin, den 23. April 2013
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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