BT-Drucksache 17/13252

Sofortprogramm "2. Chance auf Berufsausbildung" für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss - Fachkräfte von morgen ausbilden

Vom 24. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13252
17. Wahlperiode 24. 04. 2013

Antrag
der Abgeordneten Katja Mast, Anette Kramme, Gabriele Lösekrug-Möller,
Willi Brase, Klaus Barthel, Klaus Brandner, Petra Ernstberger, Iris Gleicke,
Hubertus Heil (Peine), Gabriele Hiller-Ohm, Petra Hinz (Essen), Josip Juratovic,
Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Anton Schaaf,
Silvia Schmidt (Eisleben), Stefan Schwartze, Dr. Frank-Walter Steinmeier und
der Fraktion der SPD

Sofortprogramm „2. Chance auf Berufsausbildung“ für junge Erwachsene ohne
Berufsabschluss – Fachkräfte von morgen ausbilden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland leben knapp 1,5 Millionen junge Erwachsene zwischen 25 und
35 Jahren, die keinen Berufsabschluss haben. Diese Menschen brauchen ein So-
fortprogramm „2. Chance auf Berufsausbildung“, das mit passenden Instrumen-
ten auf die speziellen Lebenslagen eingeht und die jungen Erwachsenen zum
Ausbildungsabschluss führt. Denn jede Investition in (Aus-)Bildung steht für
eine vorsorgende Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik.

Die Sicherung des Fachkräftebedarfs ist die zentrale arbeitsmarkt- und wirt-
schaftspolitische Herausforderung unserer Zeit. Das Institut für Arbeitsmarkt-
und Berufsforschung (IAB) schätzt den Rückgang der Menschen im erwerbsfä-
higen Alter bis zum Jahr 2025 auf 6,5 Millionen. Deutschland hat große Fach-
kräftepotenziale, doch diese müssen auch genutzt oder aktiviert werden. Die
Ausbildung und Qualifizierung unserer Jugendlichen und jungen Erwachsenen
ist dabei eine zentrale Aufgabe.

Ein Ausbildungsabschluss wird immer stärker zur Mindestvoraussetzung für ein
Normalarbeitsverhältnis1. Die beruflichen Perspektiven sind für diejenigen, die
trotz fehlender Berufsausbildung eine (prekäre) Arbeit gefunden haben,
schlecht. Denn prekäre Arbeit bietet so gut wie keine Entwicklungs- oder Auf-
stiegsperspektiven. Vielmehr bergen prekäre Beschäftigungsverhältnisse das
hohe Risiko, schnell wieder aus ihnen herauszufallen. Zugleich haben junge Er-
wachsene ohne Berufsabschluss erheblich schlechtere Wiedereingliederungs-
chancen, wenn sie arbeitslos geworden sind. Für einen stabilen Erwerbsverlauf,
der in der Regel noch 30 bis 40 Jahre umfassen soll, sind das denkbar ungünstige

Startbedingungen.

Deshalb soll die Situation von jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss noch
detaillierteren Eingang in die Bildungsberichterstattung und in den jährlich er-

1 Vgl. Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) anlässlich einer
Pressekonferenz in Berlin zur Vorstellung des neuen „IAB Handbuchs Arbeitsmarkt“ am 17. Oktober
2012.

Drucksache 17/13252 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

scheinenden Berufsbildungsbericht des Bundesinstituts für Berufsbildung
(BIBB) finden. Nur fundierte regelmäßige Datenanalysen und Berichterstattun-
gen liefern die Grundlagen für das weitere politische Handeln.

Arbeit dient nicht nur der Existenzsicherung. Arbeit sichert gesellschaftliche
Teilhabe und ist Teil der individuellen Selbstverwirklichung. Eine gute Qualifi-
zierung und Ausbildung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist Grund-
lage für den Einstieg in den Aufstieg am Arbeitsmarkt. Nur so können die Fach-
kräfte von morgen gewonnen und die Spaltungen am Arbeitsmarkt überwunden
werden.

Jungen Menschen soll ein reibungsloser Start in ihren Lebensweg ermöglicht
werden. Von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden getragene branchenbe-
zogene Qualifizierungs- und Ausbildungsfonds können das Angebot betriebli-
cher Ausbildungsplätze erhöhen. Mit der Berufsausbildungsgarantie wird jedem
jungen Menschen eine klare und vollwertige Qualifizierungsperspektive gege-
ben, dabei wird zuallererst auf eine Stärkung der betrieblichen Ausbildungs-
plätze gesetzt. Ihnen wird mit der Bündelung und Intensivierung der zahlreichen
Beratungsangebote und gemeinsam mit den Berufsschulen der Einstieg in Aus-
bildung erleichtert und der Übergang in die duale Berufsausbildung gefördert.

Die Bundesregierung jedoch hat – und das erst nach langem Drängen – außer einer
Werbekampagne zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit in diesem Früh-
jahr nichts für die Gruppe der jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss getan.
Informieren und Werben sind wichtige Bestandteile einer Initiative oder eines
Programms. Doch wenn die Initiative ohne konkrete inhaltliche Festlegungen
und, noch schlimmer, ohne eine eigenständige Finanzierung ins Leben gerufen
wird, ist klar, dass es sich um eine reine Publicitymaßnahme handelt.

Die Bundesregierung hat es auch versäumt, auf die Unternehmen, Kammern und
Verbände zuzugehen und Initiativen mit der Wirtschaft zu ergreifen, die mehr
betriebliche Ausbildungsplätze gezielt für die Gruppe der jungen Erwachsenen
schaffen würden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ein Sofortprogramm „2. Chance auf Berufsausbildung“ für die rund 1,5 Millio-
nen jungen Erwachsenen zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsabschluss auf-
zulegen. Ziel ist es, jedem/jeder jungen Erwachsenen eine Ausbildung anzubie-
ten und dabei seine/ihre spezielle Lebenslage zu berücksichtigen.

Im Startjahr 2013 sollen mindestens 200 Mio. Euro für dieses steuerfinanzierte
Sofortprogramm bereitgestellt werden. Prinzipiell müssen die Sondermittel über
eine Zeitspanne von fünf Jahren angelegt sein.

Die Bundesregierung soll hierfür einen Gesetzesentwurf ausarbeiten, der die fol-
genden zehn sofortigen gesetzgeberischen Maßnahmen und Initiativen enthält:

10-Punkte-Programm für junge Erwachsene ohne Berufsausbildung:

(1) Recht auf Ausbildung

Jedem/jeder Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird das Recht auf eine
qualifizierte Ausbildung garantiert. Zunächst ist es Aufgabe der Betriebe, ge-
nügend Ausbildungsplätze zu schaffen und die selbst übernommenen Verpflich-
tungen in diesem Zusammenhang zu erfüllen. Junge Menschen, die keinen
betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben, sollen einen öffentlich geför-
derten und mit der Praxis verzahnten Ausbildungsplatz bekommen. Die im
Antrag „Jugendliche haben ein Recht auf Ausbildung“ (Bundestagsdrucksache
17/10116) beschriebenen Maßnahmen sind zu berücksichtigen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13252

(2) Neuausrichtung des Ausbildungspakts als Kooperationsleistung von Bund
und Ländern

– Die Bundesregierung bündelt die derzeit 17 verschiedenen Bundespro-
gramme, die von drei unterschiedlichen Bundesministerien finanziert wer-
den, zur Unterstützung von Jugendlichen im Übergang von der Schule in den
Beruf. Neue Etikette für bereits vorhandene Instrumente, wie beispielsweise
bei der „Einstiegsqualifizierung Plus (EQ Plus)“ geschehen, gibt es hierbei
nicht.

– Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass auch die Bundesländer – in enger
Abstimmung mit den Regionaldirektionen für Arbeit – eine entsprechende
Bündelung und Konsolidierung ihrer ca. 100 Programme vornehmen. Ziel ist
es, gute und überschaubare Angebote für junge Menschen vorzuhalten. Die
im Antrag „Jugendliche haben ein Recht auf Ausbildung“ (Bundestagsdruck-
sache 17/10116) unter den Nummern 6 und 7 beschriebenen Maßnahmen
sind zu berücksichtigen.

– Die Bundesregierung unterstützt die Länder darin, jegliche Anstrengung zu
unternehmen, um die Zahl der Schulabbrechenden sowie der Absolventen
ohne Abschluss auf null zu reduzieren.

(3) Vorrang von „Vermittlung in Ausbildung“ vor „Vermittlung in Arbeit“

§ 3 Absatz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) wird dahingehend
geändert, dass die Verpflichtung, Menschen unverzüglich in Ausbildung zu
vermitteln vom 25. Lebensjahr auf das 35. Lebensjahr ausgeweitet wird. § 3 Ab-
satz 2 SGB II und § 35 SGB III werden um die Vorgabe ergänzt, dass die Ver-
mittlung in Ausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 35 Jahre
Vorrang vor der Vermittlung in Arbeit hat.

(4) Zugang zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bis 35 Jahre

Ziel ist es, gute und sinnvolle Maßnahmen, die bereits für Jugendliche existie-
ren, auch für die Gruppe der älteren jungen Erwachsenen zu öffnen. Hierfür ist
es nicht notwendig, neue Instrumente zu erfinden. Vielmehr geht es darum, die
bereits vorhandene Infrastruktur zu nutzen und sie auf die Altersgruppe der
25- bis 35-Jährigen entsprechend umzugestalten. Die Entscheidungen über die
Auswahl der Instrumente müssen von den Vermittlungsfachkräften vor Ort ge-
troffen werden.

Im Einzelnen:

– Berufseinstiegsbegleitung nach § 49 SGB III soll für berufsvorbereitende
Schulen und junge Erwachsene bis zum Alter von 35 Jahren geöffnet werden;

– berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen nach den § 51 ff. SGB III werden
auf junge Erwachsene bis 35 Jahre erweitert;

– ausbildungsbegleitende Hilfen (§ 75 SGB III) erhalten auch junge Erwach-
sene bis 35 Jahre. Ziel ist es, die Quote der Ausbildungsabbrüche zu senken.
Die Förderung wird erweitert auf Auszubildende, denen ohne Förderung ein
Abbruch ihrer zweiten Berufsausbildung drohen würde und für die diese För-
derung für eine erfolgreiche und nachhaltige berufliche Integration erforder-
lich ist. Auch sollten bestehende Modellprojekte der sogenannten assistierten
Ausbildung für junge Erwachsene bis 35 Jahre geöffnet werden. Über das im
Einzelfall anzuwendende Instrument entscheiden die Vermittlungsfachkräfte
vor Ort.

Drucksache 17/13252 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

(5) Dauer von Vollzeitmaßnahmen individueller regeln

Die Dauer einer Vollzeitmaßnahme, die zu einem Abschluss in einem allgemein
anerkannten Ausbildungsberuf führt, muss künftig nicht mehr zwingend zu ei-
ner Ausbildungsverkürzung führen wie derzeit in § 180 Absatz 4 SGB III gere-
gelt. Vielmehr sollten das individuelle Lernverhalten und Leistungsspektrum
der Geförderten Berücksichtigung finden können. Über die Anwendung der Re-
gelung soll im Einzelfall vor Ort entschieden werden.

(6) Finanzielle Anreize für junge Erwachsene, eine Ausbildung zu beginnen

Junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsabschluss werden
durch einen finanziellen Anreiz zur Ausbildungsaufnahme motiviert, indem sie
zusätzlich zum Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II 150 Euro pro Monat
erhalten. Denn es gilt, auch jene für eine Ausbildung zu motivieren, die bereits
ein regelmäßiges Einkommen und/oder familiäre Verpflichtungen haben. Die
Höhe von 150 Euro entspricht der Logik einer mit dem Ziel eines Bildungs-
abschlusses gerechtfertigten Mehraufwandsentschädigung.

Es ist darauf zu achten, dass eventuelle Übergänge von SGB-II-Leistungen zu
Berufsausbildungsbeihilfe und Leistungen nach dem Bundesausbildungsförde-
rungsgesetz abgesichert werden.

Zusätzlich zu dieser Pflichtleistung kann nach bestandener Zwischen- und/oder
Abschlussprüfung eine Prämie als Ermessensleistung ausbezahlt werden. Über
die Höhe der Prämie entscheiden die Vermittlungsfachkräfte vor Ort. Sie darf
allerdings nicht höher sein als die Summe, die sich aus der Addition einer
monatlichen Ausschüttung in Höhe von 50 Euro pro Ausbildungsmonat ergibt.
Für eine bestandene Zwischenprüfung nach anderthalb Jahren Ausbildung
könnte die Prämie also bis zu 900 Euro betragen.

Junge Erwachsene in Teilzeitausbildung erhalten die Geldleistungen anteilig zu
ihrem zeitlichen Engagement in der Ausbildung (also 75 Euro monatliche Un-
terstützung bei einer Teilzeitausbildung über 50 Prozent). Verlängert sich die
Ausbildungsdauer aufgrund der Teilzeitausbildung nicht, erhalten die Auszubil-
denden die vollen Leistungen.

(7) Mehr Teilzeitangebote für junge Erwachsene

Die bestehenden Angebote von Teilzeitausbildungen (§ 8 des Berufsbildungs-
gesetzes/§ 27 der Handwerksordnung) werden gefördert und offensiv bewor-
ben. Die Bundesregierung wirkt auf die Betriebe ein, ihre Bereitschaft zur
Bereitstellung von Teilzeitausbildungsplätzen zu steigern. Alleinerziehenden
jungen Erwachsenen muss beim Nachholen eines Schul- bzw. Berufsabschlus-
ses – auch in Form einer Teilzeitausbildung – ein Rechtsanspruch auf einen so-
fortigen Kinderbetreuungsplatz garantiert werden.

(8) Informieren und Motivieren

Es wird eine breit angelegte Informations- und Werbekampagne für die Ausbil-
dung junger Erwachsener aufgelegt, die durch das Bundesministerium für Ar-
beit und Soziales initiiert und koordiniert wird und in enger Kooperation mit der
Bundesagentur für Arbeit erfolgt. Bereits bestehende Förderinstrumente sollen
bekannt gemacht und beworben werden. Es wird ein Informationspaket erstellt,
das einen Überblick über alle bestehenden Förderleistungen und finanziellen
Leistungen für ausbildungswillige junge Erwachsene und potenzielle Arbeitge-
berinnen und Arbeitgeber gibt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13252

(9) IFlaS und WeGebAU noch besser nutzen

Die Sonderprogramme „Initiative zur Flankierung des Strukturwandels“ (IFlaS)
und „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer
in Unternehmen“ (WeGebAU) werden stärker auf junge Erwachsene bis 35 Jahre
und den Erwerb anerkannter Berufsabschlüsse bzw. berufsanschlussfähiger
Teilqualifikationen fokussiert. Bei positiven Evaluationsergebnissen sollten die
Sonderprogramme in Regelinstrumente überführt werden.

(10) Neue Wege erproben: Jugendberufsagenturen testen

Es sollte geprüft werden, inwiefern „Jugendberufsagenturen“ nach dem Vorbild
des „Hamburger Modells“ in allen Bundesländern zu fördern sind. Dann werden
Angebote der Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung
im Sinne des regionalen Managements zusammengeführt. Das wird immer von
den örtlichen Gegebenheiten und Zuständigkeiten abhängig sein. In einem ers-
ten Schritt könnte zumindest in jedem Bundesland eine Jugendberufsagentur an
den Start gehen.

Die Förderung „aus einer Hand“ für junge Erwachsene bis zum 35. Lebensjahr
ohne Berufsabschluss ist jedoch unabdingbar. Auf die Erfahrungen der Arbeits-
bündnisse „Jugend und Beruf“ sollte zurückgegriffen werden. Hierbei agieren
die Jugendämter und Arbeitsagenturen bzw. Jobcenter als kompetente und
gleichberechtigte Partner.

Berlin, den 24. April 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Begründung

Der Anteil von jungen Erwachsenen ohne Berufsausbildung auf dem Arbeits-
markt ist konstant hoch – auch wenn die Arbeitslosenzahlen in den letzen Jahren
rückläufig waren und Deutschland im europäischen Vergleich mit 7,9 Prozent
eine vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosenquote aufweist. In Deutschland
leben rund 1,5 Millionen junge Erwachsene im Alter zwischen 25 und 35 Jahren
ohne Berufsabschluss. Damit verfügen 15 Prozent der Menschen dieser Alters-
gruppe nicht über die notwendige Voraussetzung für eine hinreichende und zu-
kunftssichernde Beteiligung am Erwerbsleben.2

Junge Erwachsene ohne Berufsabschluss, die aus dem üblichen Ausbildungs-
alter „herausgewachsen“ sind, kämpfen mit großen Herausforderungen und
hohen Hürden im Arbeitsleben. So groß die Probleme an den ersten beiden
Übergangsschwellen (Schule/Ausbildung und Ausbildung/Beruf) auch sind –
hier sollen nicht die unbestritten notwendige Reform des Übergangssystems
zwischen Schule und Beruf im Mittelpunkt stehen, sondern die 1,5 Millionen
jungen Erwachsenen zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsabschluss.

Die spezifischen Lebenslagen und unterschiedlichen schulischen Voraussetzun-
gen von jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss müssen bei der Entwick-
lung von Lösungsvorschlägen berücksichtigt werden:
2 Vgl. Der Arbeitsmarkt in Deutschland: Jüngere Menschen ohne Berufsabschluss, Bundesagentur für
Arbeit, Dezember 2011.

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So ist ein Teil dieser Gruppe bereits (prekär) erwerbstätig. Damit kann der An-
reiz zur Aufnahme einer Ausbildung eher gering sein, gerade wenn eine junge
Familie ernährt werden muss und die Ausbildungsvergütung deutlich unter dem
aktuellen Verdienst liegt. Betroffen sind auch Alleinerziehende, wenn die Aus-
bildung nicht mit den Kinderbetreuungsmöglichkeiten vereinbar ist. So leben
bei jedem fünften jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss eigene Kinder im
Haushalt.3

Die jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss sind eine sehr heterogene
Gruppe: Ein Großteil der Ungelernten bringt die schulischen Voraussetzungen
mit, um eine Ausbildung aufzunehmen. Mehr als drei Viertel haben einen all-
gemeinbildenden Schulabschluss. Nahezu zwei Drittel (62 Prozent) der jungen
Erwachsenen ohne Berufsabschluss sind Männer. Auffällig ist auch der hohe
Anteil junger Erwachsener mit Migrationshintergrund unter den Ungelernten
(27 Prozent).4

Neben den unterschiedlichen schulischen Voraussetzungen sind die jungen Er-
wachsenen auch ungleich stark in den Arbeitsmarkt integriert: Allgemein gilt,
dass jüngere Menschen ohne berufsqualifizierenden Abschluss häufiger arbeits-
los, seltener in Vollzeit beschäftigt und geringer entlohnt sind als Fachkräfte. So
lag im Jahr 2009 die Arbeitslosenquote bei den Ungelernten mit 22 Prozent
mehr als dreimal so hoch als bei Personen mit abgeschlossener Berufsausbil-
dung (6,6 Prozent). Von den 1,5 Millionen jungen Erwachsenen ohne Berufsab-
schluss zwischen 25 und 35 Jahren hat lediglich die Hälfte eine Arbeit. Das heißt
im Umkehrschluss, dass nur gut jede zweite geringqualifizierte Person in dieser
Altersgruppe erwerbstätig ist, gegenüber immerhin 80 Prozent bei den Gleich-
altrigen mit Berufsabschluss. Gleichzeitig fällt der Teilzeitanteil bei jüngeren
Beschäftigten ohne Berufsabschluss (27 Prozent) fast doppelt so hoch aus wie
bei jüngeren Fachkräften (14 Prozent).5

Jüngere Beschäftigte ohne Berufsabschluss verdienen deutlich weniger als jün-
gere Fachkräfte und sie sind doppelt so häufig im Niedriglohnsektor tätig wie
gleichaltrige Fachkräfte. Rund 12 Prozent aller Jüngeren ohne Berufsabschluss
arbeiten im Verleihgewerbe. Da sich die Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnsek-
tor durch eine hohe Instabilität auszeichnen, ist die durchschnittliche Beschäfti-
gungsdauer ungelernter Jüngerer im Schnitt nur etwa halb so groß wie die von
jungen Fachkräften.6

Nur wenn heute in die Bildungschancen von Kindern, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen investiert wird, wird eine spätere Unterstützung mit Sozialleistun-
gen verhindert. Klar ist, dass die Jugendarbeitslosigkeit und Erwerbstätigenarmut
von heute zur Altersarmut von morgen wird. Klar ist auch, dass ein niedriges be-
rufliches Qualifikationsniveau einen frühen Renteneintritt nach sich zieht. Klar
ist, dass arbeits- und erwerbslose junge Menschen von heute keine Chance haben,
zu den Fachkräften von morgen zu werden; Fachkräfte, die unser Land dringend
braucht. Deutschland kann sich eine abgehängte Generation nicht leisten. Unser
Ziel muss es sein, allen jungen Menschen eine nachhaltige, berufliche Perspek-
tive zu eröffnen.

3 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD „Ursachen und Per-
spektiven für 1,5 Millionen junge Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluss“, Bundestagsdrucksache
17/5344.

4 Vgl. Der Arbeitsmarkt in Deutschland: Jüngere Menschen ohne Berufsabschluss, Bundesagentur für
Arbeit, Dezember 2011.

5 Vgl. Der Arbeitsmarkt in Deutschland: Jüngere Menschen ohne Berufsabschluss, Bundesagentur für
Arbeit, Dezember 2011.
6 Vgl. Deutscher Gewerkschaftsbund: Arbeitsmarktprobleme junger Erwachsener ohne Berufsabschluss
verschärfen sich, Dr. Wilhelm Adamy, Februar 2013.

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