BT-Drucksache 17/13228

Organisationserlass zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung stoppen - Reform rechtssicher gestalten

Vom 23. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13228
17. Wahlperiode 23. 04. 2013

Antrag
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Gustav Herzog, Sören Bartol, Martin Burkert,
Dr. Hans-Peter Bartels, Ingo Egloff, Petra Ernstberger, Karin Evers-Meyer, Iris
Gleicke, Ulrike Gottschalck, Michael Groß, Hans-Joachim Hacker, Bettina
Hagedorn, Michael Hartmann (Wackernheim), Gabriele Hiller-Ohm, Johannes
Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann, Holger Ortel, Florian
Pronold, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Carsten Sieling, Sonja Steffen, Franz
Thönnes, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Organisationserlass zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung stoppen –
Reform rechtssicher gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Dezember 2012 hat die Bundesregierung Ländern und Verbänden den Ent-
wurf eines Zuständigkeitsanpassungsgesetzes zur Neuordnung der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) mit der Bitte um Stellungnahme zu-
geleitet. Nach massiver Kritik an diesem Gesetzentwurf, mit dem die Kompe-
tenzen der sieben Wasser- und Schifffahrtsdirektionen auf die neu einzurich-
tende Zentralbehörde übertragen werden sollten, verfolgt sie den Weg der ge-
setzlichen Anpassung nicht weiter. Stattdessen will die Bundesregierung die
Umstrukturierung der WSV nun durch einen untergesetzlichen Organisationser-
lass regeln. Damit ist die parlamentarische Mitwirkung von Bundestag und Bun-
desrat ausgeschlossen. Eine überzeugende Erklärung für diesen bemerkenswer-
ten und verfassungsrechtlich bedenklichen Kurswechsel vermochte die Bundes-
regierung bislang nicht zu liefern.

Ungeachtet aller Warnungen von Wirtschaft, Verbänden, Gewerkschaften und
Ländern hinsichtlich der negativen Folgen vor Ort hält die Bundesregierung an
ihren Plänen zur Einrichtung der „Generaldirektion für Wasserstraßen und
Schifffahrt“ (GDWS) fest. Besonders die Übertragung von gesetzlich auf die
Direktionen übertragenen Zuständigkeiten auf die Generaldirektion birgt ohne
ein entsprechendes Anpassungsgesetz erhebliche juristische Risiken. Vorgese-
hen sind ferner die Schließung von Ämtern und die Abschaffung eigenständiger
Direktionen sowie ein drastischer Stellenabbau innerhalb der gesamten WSV.
Sollten die Regierungspläne umgesetzt werden, droht ein Verlust von Kompe-

tenz und regionaler Verankerung der WSV, der eine sachgerechte Aufgaben-
wahrnehmung für die Belange der Schifffahrt massiv gefährdet. Zudem ist der
Abbau der regionalen Direktionen verfassungsrechtlich problematisch.

Doch die Bundesregierung verweigert die Debatte über ein tragfähiges Zu-
kunftskonzept für eine der wichtigsten Behörden in Deutschland. Um eine effi-
ziente Arbeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gerade auch angesichts
neuer Herausforderungen in den Bereichen Natur- und Umweltschutz sowie

Drucksache 17/13228 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Tourismus sicherzustellen, ist die konsequente, fachgerechte Weiterentwicklung
ihrer Strukturen und Aufgaben notwendig. Die Bundesregierung muss hier end-
lich umsteuern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• ihre aktuellen Pläne und Maßnahmen für einen Verwaltungsumbau der WSV
unverzüglich zu stoppen und auf den angekündigten Organisationserlass zur
Einrichtung einer „Generaldirektion für Wasserstraßen und Schifffahrt“ noch
vor der Bundestagswahl im September 2013 zu verzichten;

• nach der Bundestagswahl einen neuen Dialogprozess über die zukünftige
Struktur der WSV zu beginnen; dieser muss in enger Abstimmung mit den
Beschäftigten und ihren Interessenvertretungen transparent und ergebnisof-
fen geführt werden und eine fachgerechte und ressortübergreifende Weiter-
entwicklung der WSV sicherstellen; hierbei ist eine intensive parlamentari-
sche Beteiligung zu gewährleisten;

• allen Entscheidungen über die künftige Struktur der WSV eine umfassende
Aufgabenkritik und eine grundlegende Personalbedarfsermittlung voranzu-
stellen sowie eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Vergabe von Aufgaben an
private Unternehmen durchzuführen; diese muss auch eine Kostenermittlung
für den Fall einer Eigenerledigung durch die WSV einschließen;

• für eine angemessene Ausstattung der WSV mit Haushaltsmitteln, insbeson-
dere für verkehrliche Investitionen, zu sorgen.

Berlin, den 23. April 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Begründung

Die Bundeswasserstraßen haben neben ihrer Verkehrsfunktion auch eine wich-
tige Bedeutung für die regionale Wirtschaft und als Natur- und Erholungsraum.
Standortsichernde Maßnahmen sind ohne die Präsenz der Wasser- und Schiff-
fahrtsverwaltung vor Ort nicht zu leisten. Die WSV übernimmt damit wichtige
Aufgaben der Daseinsvorsorge. Die Pläne der Bundesregierung für einen radi-
kalen Verwaltungsumbau stellen nicht nur die Arbeitsfähigkeit der WSV infrage,
sondern gefährden auch die Zukunft der Bundeswasserstraßen als nachhaltiger
Verkehrsträger und integraler Bestandteil des Verkehrsnetzes in Deutschland –
zum Schaden unserer Umwelt, zu Lasten der wirtschaftlichen Entwicklung und
auf Kosten Tausender von Arbeitsplätzen.

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen sich Finanzmittel und Aufgaben-
erledigung künftig auf ein so genanntes Kernnetz konzentrieren; andere Teile
des Netzes sollen dagegen abgestuft und Aufgaben der Unterhaltung und des
Ausbaus teilweise an private Unternehmen abgegeben werden. Verbunden mit
der gleichzeitigen Einrichtung einer neuen „Generaldirektion für Wasserstraßen
und Schifffahrt“ drohen damit die Kernkompetenzen der WSV – Fachwissen
und Verankerung in den Regionen – verloren zu gehen. Die Folgen wären ein
Mehr an Bürokratie und ein steigendes Kostenrisiko für den Bund. Der jetzt ge-
plante Umbau der WSV im Wege eines Organisationserlasses wird zudem zu
Rechtsunsicherheit führen. Für Planfeststellungsverfahren sind bislang die Was-

ser- und Schifffahrtsdirektionen qua Gesetz zuständig. Sollte diese Zuordnung
nun durch Erlass neu geregelt werden, könnten Planfeststellungsbeschlüsse aus

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13228

rein formalen Gründen anfechtbar werden. Doch die Bundesregierung ignoriert
alle juristischen und verfassungsrechtlichen Bedenken und gefährdet damit die
Entwicklung des Wasserstraßennetzes in Deutschland.

Notwendig sind eine verlässliche Finanzausstattung der Bundeswasserstraßen
und ein echtes Zukunftskonzept für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des
Bundes. Der Bund muss zu seiner Infrastrukturverantwortung stehen und dafür
Sorge tragen, dass die Potenziale der Wasserstraßen im Wettbewerb der Ver-
kehrsträger deutlich besser genutzt werden.

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