BT-Drucksache 17/13179

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/10843 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland

Vom 18. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13179
17. Wahlperiode 18. 04. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln),
Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/10843 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern
von Menschenhandel in Deutschland

A. Problem

Mit dem Gesetz zum Übereinkommen des Europarates vom 16. Mai 2005 zur
Bekämpfung des Menschenhandels hat der Deutsche Bundestag die Europarats-
konvention ratifiziert; es ist am 18. Oktober 2012 in Kraft getreten. Durch die
Konvention werden die Mitgliedstaaten zu umfassenden Maßnahmen zur Prä-
vention von Menschenhandel zur sexuellen und zur Arbeitsausbeutung, zur
Strafverfolgung der Täterinnen und Täter sowie zum Schutz der Opfer ver-
pflichtet. Des Weiteren werden den Staaten umfangreiche Informationspflichten
und die Pflicht zur Identifikation der Opfer auferlegt und die Entschädigungs-
rechte der Betroffenen gestärkt.

Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht zur inner-
staatlichen Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Bekämpfung
des Menschenhandels gesetzliche Neuregelungen im Aufenthaltsgesetz, im
Asylbewerberleistungsgesetz, in der Strafprozessordnung, im Zweiten und Drit-
ten Sozialgesetzbuch, im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, in der Gewerbe-
ordnung, im Arbeitsgerichtsgesetz und in der Beschäftigungsverfahrensverord-
nung vor. Des Weiteren wird die Einrichtung eines Ausgleichsfonds für Opfer
von Menschenhandel und eine Berichterstatterstelle „Menschenhandel und
schwere Arbeitsausbeutung“ vorgeschlagen.

B. Lösung

Ablehnung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Gesetzentwurfs.

D. Kosten

Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 17/13179 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/10843 abzulehnen.

Berlin, den 20. März 2013

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Sibylle Laurischk
Vorsitzende

Elisabeth Winkelmeier-Becker
Berichterstatterin

Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Berichterstatterin

Nicole Bracht-Bendt
Berichterstatterin

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Monika Lazar
Berichterstatterin

derjährigen Opfern solle eine Niederlassungserlaubnis er-
teilt werden, wenn die dauerhafte Integration zum Wohl des Zur Umsetzung der Verpflichtung aus Artikel 19 der Richt-

Kindes erforderlich sei oder die betreffende Person sich in
einer schulischen oder beruflichen Ausbildung bzw. einem
Hochschulstudium befinde. Weitere vorgeschlagene Ände-
rungen im Aufenthaltsgesetz beziehen sich auf die Teil-

linie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung
des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie
zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Ra-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13179

Bericht der Abgeordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker, Marlene Rupprecht
(Tuchenbach), Nicole Bracht-Bendt, Jörn Wunderlich und Monika Lazar

I. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/10843 wurde in der
215. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. Dezember
2012 dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend federführend sowie dem Innenausschuss, dem
Rechtsausschuss, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales
sowie dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In der Begründung zu dem Gesetzentwurf wird ausgeführt,
dass immer mehr Menschen im Zusammenhang mit Men-
schenhandel Opfer von physischer und psychischer Gewalt
würden. Die Europaratskonvention stelle als erstes interna-
tional rechtsverbindliches Dokument den Menschenhandel
zur sexuellen Ausbeutung und zur Arbeitsausbeutung in
einen menschenrechtlichen Kontext und verpflichte die Mit-
gliedstaaten zu umfassenden Maßnahmen zur Prävention
von Menschenhandel, der Strafverfolgung der Täterinnen
und Täter und dem Schutz der Opfer, unabhängig davon, ob
er im Kontext der organisierten Kriminalität stattfinde oder
nicht. Den Staaten würden unter anderem durch das Über-
einkommen umfangreiche Informationspflichten und die
Pflicht zur Identifikation von Opfern auferlegt. Die Ent-
schädigungsrechte der Betroffenen würden gestärkt.

Zur Umsetzung der Europaratskonvention seien gesetzliche
Neuregelungen im Aufenthaltsgesetz, im Asylbewerberleis-
tungsgesetz, in der Strafprozessordnung, im Zweiten und
Dritten Sozialgesetzbuch, im Schwarzarbeitsbekämpfungs-
gesetz, in der Gewerbeordnung und in der Beschäftigungs-
verordnung erforderlich.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, im Aufenthalts-
gesetz die Vorschriften dahingehend zu ändern, dass ein
verhängtes Aufenthaltsverbot nicht unbefristet oder nur auf
Antrag aufgehoben werden könne. Des Weiteren sollten Op-
fer von Menschenhandel nicht wie die anderen unerlaubt
eingereisten Ausländer auf die Bundesländer verteilt wer-
den, da dies für die Opfer nicht zumutbar und für die Straf-
verfolgung der Täter hinderlich sei. Ihnen sollte ein verlän-
gerter Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn dies unter be-
stimmten Umständen für ein Strafverfahren von der Staats-
anwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet
werde. Darüber hinaus solle eine Aufenthaltserlaubnis zur
Vermeidung von Härtefällen, insbesondere im Hinblick auf
das Kindeswohl und die persönliche Sicherheit, erteilt wer-
den, aber auch zur Durchsetzung von zivil- und arbeits-
rechtlichen Ansprüchen. Eine Mindestgültigkeitsdauer der
Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr sei vorzusehen. Min-

len an die Ausländerbehörden sowie auf die Vergütung bei
illegaler Beschäftigung.

Die Opfer von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung sol-
len die notwendigen medizinischen und psychotherapeuti-
schen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz er-
halten. § 7 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)
solle dahingehend konkretisiert werden, dass eine Regelung
für betroffene EU-Bürger unabhängig von ihrer Kooperati-
onsbereitschaft im Strafverfahren getroffen werde. Bislang
sei unklar gewesen, ob EU-Bürger Leistungen nach SGB II
(Grundsicherung für Arbeitsuchende) erhielten, wenn sie
nicht zur Aussage in einem Strafverfahren bereit seien oder
hierfür Bedenkzeit benötigten. Durch eine entsprechende Re-
gelung in § 405 Absatz 6 des Dritten Buches Sozialgesetz-
buch (Arbeitsförderung) sollen von Arbeitsausbeutung und
Menschenhandel Betroffene ohne rechtmäßigen Aufent-
haltstitel oder Duldung ihre Ansprüche vor den Arbeitsge-
richten geltend machen können. Mit einem neu einzufügen-
den § 4a sollen für das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz
Informationspflichten der Behörden vorgesehen werden, um
Betroffene auf ihre Rechte bezüglich des Aufenthalts, der
Unterstützung durch Opferhilfeeinrichtungen oder Gewerk-
schaften sowie arbeits- und sozialrechtlicher Ansprüche aus
den Beschäftigungsverhältnissen hinzuweisen. In § 13 des
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes soll die Regelung er-
gänzt werden, dass in der Regel das schützenswerte Interesse
der vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer an der Durch-
setzung eigener arbeits- und sozialrechtlicher Ansprüche aus
einem Beschäftigungsverhältnis das Interesse des Staates an
der Datenübermittlung überwiege.

Durch die Änderung von § 6 der Beschäftigungsverfahrens-
verordnung soll den Opfern von Arbeitsausbeutung die
Möglichkeit eingeräumt werden, eine Beschäftigung ohne
Vorrangprüfung der Bundesagentur für Arbeit aufnehmen
zu können. Durch einen neu einzufügenden § 11b des Ar-
beitsgerichtsgesetzes soll eine gesetzliche Prozessstand-
schaft für die Geltendmachung arbeits- und sozialrechtli-
cher Ansprüche vollziehbar ausreisepflichtiger Auslände-
rinnen und Ausländer für Verbände eingeführt werden, um
ein in der Regel bestehendes Machtungleichgewicht zwi-
schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne rechtmäßigen
Aufenthaltsstatus auszugleichen.

Zur Umsetzung des Artikel 14 Absatz 4 der Europarats-
konvention gegen Menschenhandel sieht der Gesetzentwurf
die Einrichtung eines Ausgleichsfonds für Opfer von Men-
schenhandel vor, um Lücken auffangen zu können, die ent-
stünden, wenn Betroffene ihre Titel nicht vollstrecken könn-
ten. Eine direkte Entschädigung sei nur für Ausnahmefälle
vorzusehen.
nahme an Integrationskursen, Regelungen zur Abschiebung
bzw. Abschiebungshaft, zur Meldepflicht öffentlicher Stel-

tes soll beim Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend eine Berichterstatterstelle „Menschen-

Drucksache 17/13179 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

handel und schwere Arbeitsausbeutung“ eingerichtet wer-
den, die unter anderem alle zwei Jahre einen Bericht über
die Umsetzung ihrer Aufgaben dem Bundestag vorzulegen
habe.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 20. März
2013 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetzentwurfs
empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner Sitzung am 20. März
2013 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetzentwurfs
empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner Sit-
zung am 20. März 2013 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetz-
entwurfs empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner Sitzung am 20. März 2013 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetz-
entwurfs.

Der Ausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 92. Sitzung
am 20. März 2013 abschließend beraten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellte fest,
dass die Europaratskonvention gegen Menschenhandel im
Februar 2008 in Kraft getreten und mittlerweile von
37 Staaten ratifiziert sowie von neun weiteren gezeichnet
worden sei. Deutschland habe zu den ersten Zeichnern der
Konvention, jedoch zu den letzten Staaten des Europarates
gehört, die die Konvention ratifiziert hätten. Im Juni des
vergangenen Jahres habe der Bundestag das Zustimmungs-
gesetz verabschiedet. Die Konvention stelle Menschenhan-
del ausdrücklich in einen menschenrechtlichen Kontext und
verpflichte die Mitgliedstaaten zu umfassenden Maßnah-
men zur Prävention von Menschenhandel, zur Strafverfol-
gung der Täterinnen und Täter und zum Schutz der Opfer.

Entgegen der Auffassung von Bundesregierung und Bun-
desrat müsse das deutsche Recht noch an die Vorgaben des
Übereinkommens angepasst werden. Im öffentlichen Fach-
gespräch des Ausschusses hätten die Sachverständigen

werde aufgezeigt, wo Änderungsbedarf bestehe. Darin
schlage man u. a. Änderungen im Aufenthaltsgesetz, im
Asylbewerberleistungsgesetz, im Zweiten und Dritten Buch
Sozialgesetzbuch, im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz
und in der Gewerbeordnung vor.

Die Bundesregierung habe bei der Ratifizierung versäumt,
die notwendigen Gesetzesänderungen auf den Weg zu brin-
gen. Handlungsbedarf bestehe auch bei der Umsetzung der
Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und
des Rates zur Verhütung und Bekämpfung des Menschen-
handels und zum Schutz seiner Opfer. Die Richtlinie müsse
bis April 2013 in nationales Recht umgesetzt werden. Bis-
lang gebe es lediglich einen Referentenentwurf im Bundes-
ministerium der Justiz (BMJ), der sich auf Änderungen im
Strafrecht beschränke. Es sei wünschenswert, dass die Bun-
desregierung hierzu einen aktuellen Sachstand darlege.

Insgesamt bestehe bei diesem Thema im Großen und Gan-
zen Einigkeit zwischen der Koalition und der Opposition.
Jedoch geschehe von Seiten der Koalitionsfraktionen der
CDU/CSU und FDP zu wenig, um das nationale Recht an-
zupassen. Vor diesem Hintergrund bitte man um Zustim-
mung zu dem Gesetzentwurf, der den Änderungsbedarf aus-
führlich darlege.

Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, dass es zum einen
um die Europaratskonvention und zum anderen um die
Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und
des Rates zur Verhütung und Bekämpfung des Menschen-
handels und zum Schutz seiner Opfer gehe. Die im Gesetz-
entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ent-
haltenen Änderungsvorschläge seien nicht zwingend not-
wendig, damit Deutschland den internationalen Vorgaben
entspreche. Nach der Europaratskonvention sei der Über-
wachungsmechanismus GRETA vorgesehen. Man gehe da-
von aus, dass Deutschland dessen Maßstäben gerecht
werde. Sollte dies nicht der Fall sein und Handlungsbedarf
erkennbar werden, werde man dies selbstverständlich auf-
greifen.

Zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU würden derzeit
kleinere Änderungen im Strafrecht vorbereitet, wobei der-
zeit lediglich ein Referentenentwurf im BMJ vorliege. Hier
werde es u. a. darum gehen, die Strafvorschrift des § 233
StGB auf die Fälle des Menschenhandels zum Zwecke der
Ausnutzung strafbarer Handlungen und der Bettelei zu er-
weitern. Zudem solle der Menschenhandel zum Zwecke des
Organhandels künftig ausdrücklich in § 233 StGB unter
Strafe gestellt werden. Der Qualifikationstatbestand des
§ 233a StGB solle auf die Fälle, in denen das Opfer unter 18
Jahre alt sei, erweitert werden; bislang gelte diese Vorschrift
für Kinder bis zum Alter von 14 Jahren. Schließlich sei eine
Erweiterung des § 233a StGB auf die Fälle der grob fahrläs-
sigen Gefährdung des Lebens des Opfers vorgesehen.

Beim Bleiberecht sei vor etwa einem Jahr die Bedenkfrist
für die Opfer auf drei Monate ausgedehnt worden, was
durchaus als Fortschritt zu werten sei. Unabhängig davon,
ob hier eine Änderung zwingend geboten sei, sollte darüber
diskutiert werden, ob es beim Bleiberecht Möglichkeiten
gebe, den Opfern zu helfen. Dies werde nicht nur von
Nichtregierungsorganisationen, sondern auch vom Bundes-
kriminalamt und vom Petitionsausschuss des Deutschen
deutlich gemacht, dass es in Deutschland noch großen Um-
setzungsbedarf gebe. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf

Bundestages so gesehen. Ein Zusammenhang zwischen dem
rechtlichen Status eines Opfers und seiner Bereitschaft zur

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13179

Aussage und auch der Verwertbarkeit und Belastbarkeit der
Aussage könne nicht in Abrede gestellt werden.

Soweit in dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN ein Anspruch auf medizinische und sonstige
Hilfe gefordert werde, so weise man darauf hin, dass dieser
Vorschlag voraussichtlich im Rahmen der Umsetzung der
EU-Aufnahmerichtlinie geprüft werde. Hierbei sollen auch
die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz „auf
den Prüfstand“ kommen. Die darüber hinaus geforderte Er-
laubnis zur uneingeschränkten Aufnahme einer Beschäfti-
gung werde in der vom Bundeskabinett gebilligten Beschäf-
tigungsverordnung geregelt. Im Falle einer Zustimmung des
Bundesrates werde sie am 1. Juli 2013 in Kraft treten. Die
Forderung nach einem Ausgleichsfonds für Opfer des Men-
schenhandels werde von der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt,
da die Regelung im Opferentschädigungsgesetz ausreiche.

Die Aufgaben einer Berichterstatterstelle Menschenhandel
würden derzeit vom Bundesministerium für FAmilie, Senio-
ren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gemeinsam mit dem
Bundesministerium des Innern (BMI) auf internationaler
Ebene wahrgenommen. Hier sehe man keinen Änderungs-
bedarf, zumal beim BMFSFJ beispielsweise auch die Koor-
dinierungsstelle Bund-Länder-Arbeitsgruppe für Menschen-
handel angesiedelt sei.

Ein Nachteil des vorgelegten Gesetzentwurfs sei, dass darin
keine Vorschläge zum Prostitutionsgesetz enthalten seien.
Einerseits werde Deutschland zum Zielland einer sich aus-
weitenden Prostitution. Andererseits gebe es keine Hand-
habe für mehr polizeiliche Zugriffsrechte, was dazu führe,
dass man den Opfern nicht die notwendige Hilfe zukommen
lassen könne. Das Geschäftsmodell der Täter dürfe nicht
unterstützt werden. Man müsse Menschenhandel nach Mög-
lichkeit frühzeitig unterbinden und den Opfern Hilfe leisten.
Insgesamt werde man den Gesetzentwurf aus den genannten
Gründen ablehnen.

Die Fraktion der SPD begrüßte den Gesetzentwurf der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und wies auf den
bereits abschließend beratenen eigenen Antrag hin, der
ebenfalls eine Reihe von Vorschlägen zur Umsetzung der
Europaratskonvention enthalte. Im Bereich des Menschen-
handels sei generell eine starke Täterorientierung zu beob-
achten. Demgegenüber würden Opfer häufig unter dem
Blickwinkel ihrer Nützlichkeit betrachtet. Dies gelte bei-
spielsweise, wenn das Bleiberecht von der Aussagebereit-
schaft des Opfers abhängig gemacht werde. Hier biete die
Europaratskonvention eine Chance, die Perspektive zu ver-
ändern. Menschenhandel geschehe mitten in Europa, wie
auch ein jetzt erschienener Bericht in Großbritannien be-
lege. Es sei wichtig, den Blick dafür zu schärfen, in welchen
Bereichen es Mängel gebe.

Es sei ein sehr wichtiger Schritt gewesen, dass Deutschland
nunmehr die Europaratskonvention ratifiziert habe. Jetzt
gehe es darum, Schritt für Schritt das geltende Recht an die
Konvention anzupassen. Hierzu enthalte der Gesetzentwurf
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wichtige
Punkte. Man müsse betonen, dass Deutschland die schlech-
testen Bedingungen nicht etwa für Asylbewerberinnen oder
für Menschen aus Drittstaaten habe, sondern für EU-Bürge-
rinnen aus dem osteuropäischen Raum. Diese hätten zwar

der Ausbeutung nach Deutschland gebracht würden, jedoch
„in der Luft“ hingen, wenn der Täter ihrer überdrüssig sei,
sie nicht angemeldet seien oder sie erkrankten. Die Richtli-
nie 2011/36/EU gehe hier in die richtige Richtung.

Das Prostitutionsgesetz bedürfe – wie andere Gesetze auch
– einer Evaluierung. Allerdings halte man es nicht für rich-
tig, dieses Gesetz im Zusammenhang mit der Ratifizierung
des Menschenhandels zu überprüfen. Vielmehr müsse es
unabhängig davon „auf den Prüfstand“ gestellt werden.

Schließlich werde auch der Vorschlag unterstützt, eine un-
abhängige Person für die Leitung der Berichterstatterstelle
zu ernennen, da hierdurch eine Bündelung der Probleme er-
möglicht werde. Es sei wünschenswert, dass auf der Grund-
lage von Gesprächen mit der GRETA-Gruppe die Gesetzge-
bung in Deutschland im Laufe der Zeit angepasst werden
könne.

Die Fraktion der FDP führte aus, dass mit dem vorliegen-
den Gesetzentwurf Nachbesserungen in verschiedenen Be-
reichen zum ratifizierten Europaratsübereinkommen zur Be-
kämpfung des Menschenhandels vom 16. Mai 2005 gefor-
dert würden. Am 28. Juni 2012 sei der Gesetzentwurf der
Bundesregierung zur Umsetzung der Europaratskonvention
verabschiedet worden. Die nationalen Regelungen im Hin-
blick auf die Situation von Opfern von Menschenhandel
gingen bereits weit über die in den bestehenden internatio-
nalen Verträgen vorgesehenen Regelungen hinaus. Auch
gälten sie für alle Fälle von Menschenhandel, über den Be-
reich der organisierten und grenzüberschreitenden Krimina-
lität hinaus.

Im Einzelnen seien dies folgende Regelungen: Es gelte der
Grundsatz der Nichtabschiebung bei Verdacht von Men-
schenhandel mit einer Bedenkzeit von mindestens 30 Tagen
für die Betroffenen. Entgegen der Darstellung im vorliegen-
den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN würden den Opfern in Deutschland soziale
Rechte und ein Aufenthaltsrecht gewährt. Das Aufenthalts-
recht sei grundsätzlich an die Aussagebereitschaft im Straf-
prozess geknüpft. Gleichzeitig aber hätten Opfer von Men-
schenhandel, denen in ihrem Heimatland Gefahr für Leib
und Leben drohe, schon jetzt ein Aufenthaltsrecht aus
humanitären Gründen. Es bestehe außerdem das Recht, un-
eingeschränkt zu arbeiten, und es gebe auch einen Anspruch
auf Entschädigung. Schließlich sei durch die Konvention
der bereits erwähnte unabhängige und effektive Kontroll-
mechanismus GRETA etabliert worden. Diese Experten-
gruppe, die im Jahr 2010 ihre Arbeit aufgenommen habe,
müsse periodisch Berichte vorlegen. Für die von der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geforderten zusätzlichen
Maßnahmen bestehe kein Anlass und deshalb werde die
FDP-Fraktion den Gesetzentwurf ablehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. stellte fest, dass der Gesetzent-
wurf in die richtige Richtung gehe. Aber auch er mache die
Aussagebereitschaft des Opfers zur Voraussetzung der Er-
teilung einer Aufenthaltserlaubnis. Es müsse eine unbefris-
tete Aufenthaltserlaubnis unabhängig von der Aussagebe-
reitschaft geben, um den Opfern die notwendige Sicherheit
vor Abschiebung in das Land zu geben, aus dem sie ver-
schleppt worden seien. Die vorgesehen Härtefallregelung in
§ 25 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) sei zwar zu be-
Freizügigkeit, jedoch keinen Zugang zum deutschen Sozial-
system. So könne es dazu kommen, dass sie zum Zwecke

grüßen, aber die Erfahrung zeige, dass Ausländerbehörden
solche Vorschriften eher restriktiv auslegten. Die vorge-

Monika Lazar
Berichterstatterin
Drucksache 17/13179 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schlagene Änderung des § 11 AufenthG, die vorsehe, dass
ein Aufenthaltsverbot nur befristet ausgesprochen werden
dürfe, sei ausgesprochen sinnvoll. Dies gelte auch für die
Verlängerung der Mindestaufenthaltserlaubnis auf ein Jahr,
wobei aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. ein Zeitraum von
drei Jahren noch sinnvoller wäre. Die Änderung des § 62
AufenthG sei zu begrüßen. Sie beinhalte, dass Ausländer,
denen eine Ausreisefrist gesetzt worden sei, nicht in Ab-
schiebehaft genommen werden dürften. Eine solche Rege-
lung sei aber auch für alle anderen Personengruppen wün-
schenswert, nicht nur für die Opfer von Menschenhandel.

Die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Asyl-
bewerberleistungsgesetzes gehe nicht weit genug. Es sei
nicht akzeptabel, dass beispielsweise an der Unterbringung
in Asylbewerberheimen festgehalten werde. Die Fraktion
DIE LINKE. werde sich zu dem Gesetzentwurf der Stimme
enthalten. Hierfür sei ausschlaggebend, dass nach dem Ge-
setzentwurf das Aufenthaltsrecht weiterhin von der Aussa-
gebereitschaft abhängig gemacht werde.

Der Vertreter der Bundesregierung führte zu der Frage
des Zeitplans zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2011/36/EU
in nationales Recht aus, dass sich der vom BMJ erarbeitete
Entwurf in der Ressortabstimmung befinde und man von
einem Abschluss noch in der 17. Wahlperiode ausgehe.

Berlin, den 20. März 2013

Elisabeth Winkelmeier-Becker
Berichterstatterin

Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Berichterstatterin

Nicole Bracht-Bendt
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Jörn Wunderlich
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