BT-Drucksache 17/12998

Aufklärungsbedarf zur Arbeit der Conterganstiftung in der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses des Deutschen Bundestages am 1. Februar 2013

Vom 4. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12998
17. Wahlperiode 04. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Diana Golze, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Harald Weinberg, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Aufklärungsbedarf zur Arbeit der Conterganstiftung in der öffentlichen Anhörung
des Familienausschusses des Deutschen Bundestages am 1. Februar 2013

Schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung und die Gremien der Contergan-
stiftung für behinderte Menschen erhob der Sachverständige Andreas Meyer in
der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses des Deutschen Bundes-
tages zur Conterganstudie der Universität Heidelberg am 1. Februar 2013.
Andreas Meyer ist Vorsitzender des BCG – Bund Contergangeschädigter und
Grünenthalopfer e. V. – und gewähltes ordentliches Mitglied im Stiftungsrat
der Conterganstiftung.

In einem Brief des Vorstandes der Conterganstiftung vom 22. Februar 2013 an
den Familienausschuss des Deutschen Bundestages sah sich Karl Schucht „ge-
halten, dem von Herrn Andreas Meyer abgegebenen Statement entgegenzutre-
ten, soweit dieses bewusst unwahre Behauptungen enthält, die allein geeignet
sind, die Conterganstiftung herabzuwürdigen und in ein schlechtes Licht zu set-
zen“.

Eine diesbezügliche Gegenäußerung von Andreas Meyer erhielt der Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages mit Da-
tum vom 8. März 2013.

Die Anhörung und beide Schreiben sind in der Öffentlichkeit bekannt (siehe
u. a. www.gruenenthal-opfer.de). Dieser ungewöhnliche Vorgang ist für Außen-
stehende verwirrend und nährt die Vermutung, dass innerhalb der Stiftung und
dem zuständigen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
erheblicher Klärungs- bzw. Demokratisierungsbedarf besteht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit bildet der Brief von Karl Schucht vom 22. Februar 2013 nur die
Meinung des Stiftungsvorstands oder auch die des aufsichtführenden Bun-
desministeriums ab?

2. Inwieweit teilt die Bunderegierung die Aussage, dass das Statement von
Andreas Meyer „bewusst unwahre Behauptungen enthält, die allein geeignet

sind, die Conterganstiftung herabzuwürdigen und in ein schlechtes Licht zu
setzen“?

3. Kann die Bundesregierung die Behauptung des Vorstands der Contergan-
stiftung bestätigen: „Grünenthal hat zu keiner Zeit Zugang zu den medizini-
schen Akten der Conterganstiftung gehabt.“ (siehe Brief Karl Schucht vom
22. Februar 2013)?

Drucksache 17/12998 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wenn nein, welche Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter der Grünenthal
GmbH haben oder hatten nach Kenntnis der Bundesregierung Einblick in
die medizinischen Unterlagen der Conterganopfer?

5. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Mitglieder der Medizini-
schen Kommission der Conterganstiftung Einblick in die medizinischen
Unterlagen der Conterganopfer?

6. Von wann bis wann war Rechtsanwalt Herbert Wartensleben Vorsitzender
bzw. Mitglied der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung?

7. War Herbert Wartensleben nach Kenntnis der Bundesregierung zum Zeit-
punkt des Conterganprozesses oder zu anderen Zeiten Leiter der Rechts-
abteilung der Grünenthal GmbH sowie nach seiner Berufung zum Vorsit-
zenden der Medizinischen Kommission Parteienvertreter für die Firma
Grünenthal GmbH, zum Beispiel 2007 in der Auseinandersetzung mit dem
„WDR“ um den Conterganspielfilm (siehe Brief Andreas Meyer vom
8. März 2013)?

8. Welche finanziellen Leistungen (auch „Zustiftungen“) hat nach Kenntnis
der Bundesregierung die Firma Grünenthal GmbH oder die Familie Wirtz
über die zwei Zahlungen an die Conterganstiftung (1972 und 2009) hinaus
direkt oder indirekt an die Conterganstiftung, an Mitglieder von Gremien
der Conterganstiftung sowie an Conterganopfer und ihre Organisationen
erbracht (bitte einzeln die Empfänger, den Zeitpunkt und den finanziellen
Umfang und den Grund bzw. die Grundlage der Zahlung nennen)?

9. Welcher dieser finanziellen Leistungen erfolgten in Abstimmung bzw. nach
Rücksprache mit Vertretern der Conterganstiftung und/oder der Bundes-
regierung und/oder nach Kenntnis der Bundesregierung des Deutschen
Bundestages (bitte ebenfalls einzeln nennen)?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Vorstandes der Contergan-
stiftung, dass Andreas Meyers Behauptungen, Grünenthal habe Gutachter
der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung bezahlt und es gäbe
einen diesbezüglichen Vertrag mit der Conterganstiftung, unwahr sind
(siehe Brief Karl Schucht vom 22. Februar 2013)?

11. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung ein Schreiben der Firma
Grünenthal GmbH an die Conterganstiftung vom 5. März 1973, unter-
schrieben von Dr. Franz Wirtz und (ppa.) Herbert Wartensleben, in dem es
heißt: „Entsprechend der Ihnen bekannten Vereinbarung mit der Bundesre-
gierung bestätigen wir Ihnen, dass wir die in Ihrem Schreiben vom
8. Februar 1973 aufgeführten Kosten der medizinischen Gutachter über-
nehmen werden.“ (siehe Brief Andreas Meyer vom 8. März 2013)?

12. Stimmt der Verweis von Andreas Meyer in seinem Schreiben vom 8. März
2013, nachdem aus den (von der Bundesregierung genehmigten) Haus-
haltsplänen der Conterganstiftung hervorgeht, dass die Kosten der Medizi-
nischen Kommission durchlaufende Posten sind, da die Ausgaben von der
Firma Grünenthal GmbH erstattet werden?

13. Stimmt die Behauptung von Andreas Meyer, dass es eine vertragliche Ver-
einbarung zwischen der Conterganstiftung und der Firma Grünenthal
GmbH vom 18. April 2005 zur Finanzierung der Kosten der Medizinischen
Kommission gibt?

Wenn ja, was ist der Inhalt der Vereinbarung?

14. Auf welchem Weg und auf welcher Grundlage sind nach Kenntnis der
Bundesregierung vor Inkrafttreten dieser Vereinbarung von der Firma

Grünenthal GmbH Zahlungen an die Mitglieder der Medizinischen
Kommission erfolgt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12998

15. Kann die Bundesregierung die Auskünfte von Andreas Meyer in seinem
Brief vom 8. März 2013 zu seinen Bemühungen, den in Frage 18 genann-
ten Vertrag zu kündigen und die diesbezüglichen Entscheidungen im Stif-
tungsrat dazu bestätigen?

Wenn nicht, wie stellt sich aus Sicht der Bundesregierung der Sachverhalt
dar?

16. Kann die Bundesregierung die Darstellungen zum „Vorwurf Geldwäsche“
im Zusammenhang mit Zahlungen an Dr. J. G. im Brief von Andreas
Meyer vom 8. März 2013 bestätigen?

Wenn nicht, was gibt es für abweichende Auffassungen?

17. Welche Regelungen sowie Regelungsänderungen gibt es seit 2009 hin-
sichtlich der Einsichtnahme, der Anfertigung von Notizen sowie der Anfer-
tigung von Kopien von Protokollen für den Stiftungsratsvorsitz, die Stif-
tungsratsmitglieder und deren Stellvertreter?

Inwieweit wird bei der Frage der Anfertigung von Notizen und oder Ko-
pien auf Behinderungen der Mitglieder Rücksicht genommen?

18. Welche Funktionen und Aufgaben mit Bezug auf das Thema Contergan
hatte bzw. hat der Bundesbeamte Dieter Hackler im Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie in Gremien der Conterganstif-
tung (bitte jeweilige Funktionen, Aufgaben und Zuständigkeiten sowie den
dazu gehörigen Zeitraum einzeln nennen)?

19. Inwieweit sieht die Bundesregierung diese Bündelung von Kompetenzen
und Zuständigkeiten mit Blick auf die bemängelte Transparenz und Demo-
kratie in den Stiftungsgremien sowie die Rechtsaufsicht und Kontrolle über
ihr Wirken durch die Bundesregierung als problematisch?

20. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, wie von Andreas Meyer in der
öffentlichen Anhörung am 1. Februar 2013 behauptet, dass Grünenthal-
Eigner Michael Wirtz für die Sammelaktion des Ex-Kanzlers Helmut Kohl
250.000 DM spendete (siehe Vorabfassung des Wortprotokolls 17/87, S. 24
sowie SPIEGEL ONLINE vom 26. April 2000)?

21. Sieht die Bundesregierung einen möglichen Zusammenhang zwischen der
Spende und dem Verhalten der Bundesregierung der Firma Grünenthal
GmbH gegenüber?

22. Sind der Bundesregierung Spenden an Parteien von der Firma Grünenthal
GmbH oder der Familie Wirtz oder anderer Unternehmen, die im Besitz
dieser Familie sind, bekannt?

Wenn ja, welche (bitte Empfänger, Höhe und Zeitpunkt nennen)?

Berlin, den 4. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.