BT-Drucksache 17/12941

Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA

Vom 20. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12941
17. Wahlperiode 20. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Johanna Voß, Dr. Barbara Höll und
der Fraktion DIE LINKE.

Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und
den USA

US-Präsident Barack Obama hat in seiner Rede zur Lage der Nation am 12. Fe-
bruar 2013 „die Aufnahme von Gesprächen über eine umfassende Handels- und
Investitionspartnerschaft mit der Europäischen Union“ angekündigt. Die Bundes-
regierung begrüßte diesen Schritt und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sagte
vor dem Bundesverband der Deutschem Industrie (BDI): „Nichts wünschen wir
uns mehr als ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa.“ Die tat-
sächlichen Verhandlungen sollen Mitte 2013 auf Basis der Empfehlungen einer
„Hochrangigen Arbeitsgruppe EU-USA zu Wachstum und Beschäftigung“ vom
11. Februar 2013 beginnen und über den Zollabbau sowie Marktöffnungen für In-
vestitionen, Dienstleistungen und die öffentliche Beschaffung weit hinausgehen.
Insbesondere wird die regulatorische Vereinheitlichung von Vorschriften und
technischen Produktnormen angestrebt, die derzeit von interessierter Seite immer
wieder als größtes Hemmnis für den transatlantischen Handel genannt werden.

Angesichts der Unterschiede zwischen den Wirtschafts- und Gesellschafts-
systemen der USA und Europas und vor dem Hintergrund potenzieller wirt-
schafts-, arbeitsmarkt-, sozial-, verbraucher-, gesundheits-, demokratie-, netz-
und umweltpolitischer Folgen einer Angleichung der Regulierungssysteme be-
stehen erhebliche Zweifel an der Wünschbarkeit dieses Vorhabens.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Ziele und Vorteile strebt die Bundesregierung im Rahmen
der Verhandlungen über ein umfassendes Freihandels- und Investitions-
schutzabkommen zwischen den USA und der EU an?

2. Welche konkreten regulatorischen Hindernisse sieht die Bundesregierung im
transatlantischen Handel mit den USA bzw. für transatlantische Investitionen
(bitte mindestens drei konkrete Beispiele auflisten)?

3. Welche konkreten regulatorischen Hindernisse in Deutschlands Wirtschafts-,
Sozial- und Rechtsordnung beklagen die USA bzw. US-Wirtschaftsvertreter
gegenüber der Bundesregierung (bitte mit einzelnen Handels- oder Investi-

tionshemmnissen in Deutschland/der EU auflisten)?

4. Unterstützt die Bundesregierung das Ansinnen, frühzeitigen Einfluss auf die
Regelsetzung des Handelspartners nehmen zu können (bitte begründen)?

Inwieweit wird dadurch das demokratische Recht der gewählten Abgeordne-
ten, die Gesetzgebung und Regelsetzung innerhalb des eigenen Staates be-
ziehungsweise innerhalb der Europäischen Union eingeschränkt?

Drucksache 17/12941 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Trifft es zu, dass die EU im Rahmen dieser Verhandlungen nicht mehr am
bisherigen Admission-clause-Modell festhalten will, das die Nicht-Diskri-
minierung auf die Zeit begrenzt, sobald der Investor vor Ort ist, und statt-
dessen das Right-of-establishment-Modell der USA übernehmen will, das
einem ausländischen Investor eine Direktinvestition nicht untersagen
kann?

Falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung eine solchen Einschnitt in die
nationale Regelungskompetenz für Ausschreibungen, Zulassungen und
Lizenzierungen?

6. Würde ein Right-of-establishment-Modell kombiniert mit weitreichenden
Einflussmöglichkeiten auf die Regelsetzung des Gastlandes dazu führen
können, dass die Bundes- bzw. Landesregierungen nicht mehr verhindern
könnten, dass ein US-Konzern in Deutschland in Fracking-Projekte inves-
tiert?

7. Ist die Bundesregierung im Laufe der FTA-Verhandlungen (FTA: free trade
agreement) bereit, den Forderungen der USA hinsichtlich des Abbaus
regulatorischer Handels- und Investitionshemmnisse entgegenzukommen,
und in welchen Bereichen sieht die Bundesregierung hier Verhandlungs-
spielräume (bitte möglichst konkrete Beispiele)?

8. Befürwortet die Bundesregierung die Aufnahme eines Investitionsschutz-
kapitels in das EU-USA-FTA, und sollen transnationalen Investoren dabei
eigene Klagemöglichkeiten vor einem Investor-Staat-Schiedsgericht ge-
währt werden?

Wenn ja, warum?

9. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Tatsache, dass Investor-Staat-Schiedsgerichtverfahren zu Klagen
gegen im heimischen Rechtssystem nicht zu beanstandende Regulierungen
souveräner Staaten und zu Schadensersatzforderungen mit erheblichen Be-
lastungen für öffentliche Haushalte führen können (Beispiel Philip Morris ge-
gen Australien (Tabak) und Vattenfall gegen Deutschland (Atomausstieg))?

10. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die angestrebte Delegation wich-
tiger Entscheidungskompetenzen an private Schiedsgerichte im Rahmen der
Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit vertretbar ist, obwohl es in den USA
als auch in Europa ausgereifte Rechtssysteme mit ordentlichen Gerichten
gibt, die einen weitreichenden Eigentumsschutz sicherstellen und damit eine
ausreichende Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen er-
möglichen?

11. Befürwortet die Bundesregierung eine Ausnahme des Agrarsektors von
den Verhandlungen über das EU-USA-FTA vor dem Hintergrund, dass die
US-amerikanische Seite das Importverbot von gentechnisch verändertem
Saatgut, von Fleisch, das mit Hormonen behandelt oder Geflügel, das in
Chlor gebadet wurde, als nichttarifäre, willkürliche und nicht auf wissen-
schaftlichen Erkenntnissen beruhende Diskriminierung ansieht?

Wenn nein, warum nicht, und wird sie sich dafür einsetzen, dass die der-
zeitige Lebensmittelsicherheit in der EU nicht abgesenkt werden wird?

Berlin, den 22. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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