BT-Drucksache 17/12890

Finanzierung von Stuttgart 21

Vom 19. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12890
17. Wahlperiode 19. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Dr. Valerie Wilms, Renate Künast,
Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Sven-Christian Kindler, Stephan Kühn,
Markus Tressel, Daniela Wagner, Birgitt Bender und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Finanzierung von Stuttgart 21

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG (DB AG) hat am 5. März 2013 der Er-
höhung des Finanzierungsrahmens von Stuttgart 21 auf 6,5 Mrd. Euro und somit
dem Weiterbau von Stuttgart 21 trotz erheblicher Mehrkosten und einer sich
daraus ergebenen Unwirtschaftlichkeit des Projekts zugestimmt. Darin nicht
enthalten sind weitere 300 Mio. Euro für Kosten aus der Schlichtung und dem
Filder-Dialog, so dass der Finanzierungsrahmen für Stuttgart 21 insgesamt bei
6,8 Mrd. Euro liegt. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart hat-
ten vor der Aufsichtsratsentscheidung mehrfach geäußert, sich an etwaigen
Mehrkosten nicht zu beteiligen.

Bei den bisherigen Finanzierungsanteilen in Höhe von 930 Mio. Euro durch das
Land und 292 Mio. Euro durch die Stadt handelt es sich um freiwillige Leistun-
gen. Der einstimmige Beschluss des Landtages von Baden-Württemberg zum
Kostendeckel von 4,5 Mrd. Euro und das Ergebnis der Volksabstimmung ver-
pflichten das Land, sich nicht an dem vom Aufsichtsrat beschlossenen erhöhten
Kostenrahmen zu beteiligen. Die Finanzierungsfrage bleibt damit offen, denn
nach eigenem Bekunden möchte die DB AG die Mittel erst über das Ziehen der
Sprechklausel und die von Dr. Rüdiger Grube angedeutete Klage durch die
DB AG eintreiben. Dies wird nach Beschlusslage von Land und Stadt Stuttgart
und nach ersten Bestätigungen unabhängiger Juristen nicht zu einer Verpflich-
tung der Projektpartner, sich an den Mehrkosten zu beteiligen, führen (Stutt-
garter Zeitung vom 19. Februar 2013 „Der finale Poker um Stuttgart 21 hat
begonnen“). Darüber hinaus ist der Bau von Schienenverkehrswegen und Bahn-
knoten nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Aufgabe des
Bundes.

In der „BILD“ vom 7. März 2013 warnte der Bundesminister für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, nun vor einer Erhöhung der Fahr-
preise, sollte sich das Land Baden-Württemberg nicht an den Mehrkosten be-
teiligen.
Der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist bekannt, dass Stuttgart 21 ein
sogenanntes eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG ist und kein Projekt des
Bedarfsplans für Bundesschienenwege. Es werden jedoch erhebliche Bundes-
haushaltsmittel und umfangreiche Mittel der bundeseigenen DB AG (mindes-
tens 2,57 Mrd. Euro – sehr wahrscheinlich aber 3,77 Mrd. Euro) für das Projekt
eingesetzt. Zudem sind auch die kilometerlangen Zulaufstrecken – also Bundes-
schienenwege – zum Tiefbahnhof betroffen. Nach der klaren Positionierung von

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der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, vom Bundesminister der Finanzen,
Dr. Wolfgang Schäuble, und vom Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung, Dr. Peter Ramsauer, die sich gemeinsam für die Fortführung des
Projekts Stuttgart 21 ausgesprochen haben, handelt es sich um ein politisches
Projekt mit bundesweiten Folgen für alle Bahnkunden, zumal dann, wenn die
Fahrpreise, wie von Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer unterstellt,
deshalb steigen werden. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist daher
auf das grundlegende parlamentarische Informationsrecht der Abgeordneten
und Fraktionen des Deutschen Bundestages, insbesondere bei der Kontrolle des
Bundesvermögens (Deutsche Bahn AG) sowie auf die diesbezügliche Klage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22. März 2011 beim Bundesverfas-
sungsgericht hin.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann hat die Bundesregierung die Aufsichtsräte des Bundes ermächtigt,
der Erhöhung des Finanzrahmens zuzustimmen?

2. Welche Abstimmungstermine gab es in der Bundesregierung für das Ver-
halten der Aufsichtsratsmitglieder des Bundes im Aufsichtsrat der DB AG
bezüglich der Erhöhung des Finanzrahmens?

3. Gab es vor dem Beschluss über die Erhöhung des Finanzrahmens ein Ge-
spräch oder eine Abstimmung zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern und
dem Bundeskanzleramt und/oder dem Bundesverkehrsminister?

Falls ja, wann und wer war daran beteiligt?

Falls nein, warum nicht?

4. Warum hat die Bundesregierung sich für die Erhöhung des Finanzierungs-
rahmens von Stuttgart 21 um 2 Mrd. Euro ausgesprochen, wenn damit nach
Aussage von Bundesminister Dr. Peter Ramsauer gegenüber der „BILD
Zeitung“ vom 7. März 2013 das Risiko von Fahrpreiserhöhungen verbun-
den ist?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Pläne der DB AG, die
Fahrpreise als Folge der beschlossenen Mehrkosten von Stuttgart 21 zu er-
höhen?

6. Inwieweit hat der Vorstand der DB AG in der Aufsichtsratssitzung vom
5. März 2013 steigende Fahrpreise als Folge von Stuttgart 21 thematisiert?

7. Hatten die Bundesvertreter im Aufsichtsrat Kenntnis über Fahrpreiserhö-
hungen als Gegenfinanzierungsmaßnahme, als sie die Erhöhung des Finan-
zierungsrahmens um 2 Mrd. Euro beschlossen haben?

8. Inwieweit hat die Bundesregierung Anlass, an der Aussage von Bahnchef
Rüdiger Grube zu zweifeln, dass die Mehrkosten von Stuttgart 21 aus-
schließlich durch einen geringeren Abbau der Verschuldung der DB AG in
den Jahren 2017 bis 2019 finanziert werden, so Rüdiger Grube im Interview
mit der „BILD am Sonntag“ am 23. Dezember 2012?

9. Kann die Bundesregierung die Rechnung von Prof. Dr. Christian Böttger
von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin bestätigen, wonach
die Bahn die Preise um 3 Prozent erhöhen muss, um die Mehrkosten von
Stuttgart 21 zu finanzieren (Quelle: DIE WELT, 8. März 2013)?

10. Inwieweit liegen der Bundesregierung Hinweise dafür vor, dass der höhere
Eigenmitteleinsatz der DB AG für Stuttgart 21 zur zeitlichen Verschiebung
des Baus des Offenburger Tunnels, des Rastatter Tunnels oder anderer Pro-

jekte der DB AG führen könnte?

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11. Ist die Position der Bundesregierung auch nach der Aufsichtsratsentschei-
dung vom 5. März 2013 unverändert, dass der Bund sich über einen Fest-
betrag in Höhe von 563,8 Mio. Euro (einschließlich TEN-Mittel), der für
die Einbindung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm in den Knoten Stutt-
gart auch ohne den Bau von Stuttgart 21 erforderlich wäre, nicht an Mehr-
kosten von Stuttgart 21 beteiligen wird?

12. Inwieweit gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, den Festbetrag des
Bundes zu erhöhen, um die von Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
angekündigten Fahrpreiserhöhungen abzuwenden, sollten die Klagen gegen
das Land auf Beteiligung an den Mehrkosten erfolglos bleiben?

13. Inwieweit kann die DB AG ihre Dividendenausschüttung an den Bund re-
duzieren, um die Mehrkosten von Stuttgart 21 zu finanzieren, wenn sich die
Projektpartner wie angekündigt nicht an der Finanzierung der Mehrkosten
beteiligen?

14. Trifft die in der Zeitung „DIE WELT“ vom 8. März 2013 getroffene Aus-
sage zu, dass bei der Schieneninfrastruktur in den nächsten 15 Jahren ein
Sanierungsbedarf besteht, von dem pro Jahr insgesamt 2 Mrd. Euro von der
derzeitigen Finanzierungsplanung nicht gedeckt sind?

15. Sollte das Bundesland Bayern aus Sicht von Bundesverkehrsminister
Dr. Peter Ramsauer einen freiwilligen Eigenanteil in Höhe von 930 Mio.
Euro für die Finanzierung der 2. Stammstrecke der S-Bahn in München
übernehmen, um anschließende Preiserhöhungen durch die DB AG auszu-
schließen?

16. Inwiefern hat die Bundesregierung die Plausibilität der Aussage des Vor-
stands der DB AG geprüft, dass ein Umstieg auf eine andere Bahnhofs-
lösung für Stuttgart mindestens zehn Jahre dauern würde?

17. Hat der Bund darauf gedrängt, eine Entscheidung über die Erhöhung des
Finanzierungsrahmens für Stuttgart 21 jetzt zu treffen, obwohl der Bundes-
rechnungshof derzeit an einem Sondergutachten zu Stuttgart 21 arbeitet,
dessen Ergebnis dem Bund eine unabhängige Bewertung der Kostenent-
wicklung des Projekts liefern wird, und wenn ja, warum?

18. Teilt die Bundesregierung die Ansicht von Rüdiger Grube, dass man das
Projekt Stuttgart 21 in Kenntnis des jetzt notwendigen Finanzierungsrah-
mens von 6,5 Mrd. Euro nicht begonnen hätte?

19. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die DB AG nach dem Finanzie-
rungsvertrag eine unbedingte Verpflichtung zur Durchführung des Projekts
Stuttgart 21 hat, diese Pflicht also nicht von der Leistung weiterer Finanzie-
rungsbeiträge der anderen Projektpartner abhängig ist?

20. Teilt die Bundesregierung die Meinung der DB AG, dass etwaige Mehrkos-
ten aus Schlichtung und Filder-Dialog allein von den Projektpartnern zu tra-
gen sind?

Wenn ja, aus welchen Gründen?

21. Ist der Bundesregierung bekannt, dass in den sogenannten Schlichtungskos-
ten auch Infrastrukturmaßnahmen (zweigleisige westliche Anbindung der
Station Neubaustrecke auf den Fildern sowie die zusätzliche Ausrüstung
aller Strecken bis Wendlingen mit konventioneller Signalisierung) enthalten
sind, die nach Auffassung der Landesregierung zur Herstellung des vertrag-
lich vorgesehenen verkehrlichen Gebrauchs unerlässlich sind und deshalb
bereits im Jahr 2010 von der DB AG zur Aufnahme in das Projekt vorge-
schlagen wurden?

Berlin, den 19. März 2013
Renate Künast, Jürgen Trittin und die Fraktion

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