BT-Drucksache 17/12877

zu der zweiten Beratung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/12354, 17/12810, 17/ 12875- Entwurf eines Gesetzes zu dem Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits

Vom 20. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12877
17. Wahlperiode 20. 03. 2013

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Klaus Barthel, Rolf Hempelmann, Dr. Sascha Raabe, Wolfgang
Tiefensee, Hubertus Heil (Peine), Doris Barnett, Martin Dörmann, Ingo Egloff,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Dr. Barbara Hendricks, Dr. Bärbel Kofler,
Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Stefan Rebmann, Karin Roth (Esslingen),
Dr. Martin Schwanholz, Rita Schwarzelühr-Sutter, Andrea Wicklein,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

zu der zweiten Beratung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfs der
Bundesregierung
– Drucksachen 17/12354, 17/12810, 17/12875 –

Entwurf eines Gesetzes
zu dem Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012
zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits
sowie Kolumbien und Peru andererseits

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Mit dem Stillstand der WTO-Verhandlungen (WTO: Welthandelsorganisa-
tion) nimmt die Tendenz zu bilateralen Freihandelsabkommen zu. Der Deut-
sche Bundestag hält grundsätzlich weltweite, multilaterale, an klare Stan-
dards und kontrollierbare Regeln gebundene Abkommen für sinnvoller als
ein Geflecht bilateraler Vereinbarungen. Weltweiter Handel schließt immer
eine arbeits-, sozial-, umwelt-, rechts- und verbraucherpolitische Dimension
ein. Viele Regierungen verweigerten sich in der Vergangenheit diesen Fra-
gen. Auf Druck der Zivilgesellschaften und aufgrund der wachsenden Pro-
bleme ist diese Haltung immer mehr einer Dialog- und Reformbereitschaft
gewichen.

2. Die seit 2007 laufenden Verhandlungen über ein biregionales Assoziations-
abkommen der EU mit der Andengemeinschaft (CAN), der neben Kolumbien
und Peru auch Ecuador und Bolivien angehören, wurden im Juni 2008 unter-

brochen. Innerhalb der CAN konnte keine Übereinstimmung über den Handels-
teil erzielt werden. Das Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru läuft
dem regionalen Integrationsansatz der EU zuwider und errichtet neue Schran-
ken zwischen den Staaten der Region. Es steht somit auch im Widerspruch zur
Lateinamerika-Strategie der Bundesregierung, die regionale Integration zu
fördern.

Drucksache 17/12877 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Das Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru wird in der
Form der gemischten Zuständigkeit vom EU-Parlament und allen nationalen
Parlamenten behandelt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Themas
mit möglicherweise präjudizierendem Charakter bedarf es angemessener
parlamentarischer Beratungen. Die Eile, die die Bundesregierung an den Tag
gelegt hat, wird der Problemstellung nicht gerecht und entbehrt jeder in der
Sache liegenden Begründung.

4. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass alle Freihandelsabkommen der EU
einen politischen Teil enthalten, der Demokratie, Menschenrechte und die
Einhaltung anderer internationaler Konventionen einfordert.

5. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Entschließung des Europäischen Parla-
ments, die unter anderem einen verbindlichen Fahrplan (Roadmap) zur
Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten in Peru und Kolumbien fordert. Die
Entschließung des Europäischen Parlaments und die Roadmap können aber
umfangreiche, verbindliche und durchsetzbare Regelungen im Abkommen
selbst nicht ersetzen. Der Entschließung und den nationalen Roadmaps in
Kolumbien und Peru mangelt es an verbindlicher Durchsetzbarkeit unter
Beteiligung der Zivilgesellschaft.

6. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Politik der neuen kolumbianischen
Regierung zur nationalen Versöhnung und den auch durch die Vermittlung
Venezuelas in Gang gekommenen Friedensprozess mit den Revolutionären
Streitkräften Kolumbiens (FARC). Dessen Erfolg ist die Voraussetzung für
einen sozialen Ausgleich und die konsequente Einhaltung der Menschen-
rechte. Auch in Peru sichert eine neue Rechtslage beispielsweise der betrof-
fenen Bevölkerung eine mitentscheidende Rolle bei der Erschließung von
Rohstoffen und durch neue Infrastrukturen. Die Fraktion der SPD erkennt
ausdrücklich die Anstrengungen vieler Länder der Region bei der Demo-
kratisierung, Armutsbekämpfung, ökonomischen Diversifizierung und für
mehr Rechtsstaatlichkeit an. Gleichzeitig stellen die Antragsteller fest, dass
Kolumbien nach wie vor eines der gefährlichsten Länder der Welt für Ge-
werkschaften ist. Allein 2011 wurden offiziell 35 Morde an Gewerkschafte-
rinnen und Gewerkschaftern gemeldet. Hinzu kommen jährlich hunderte von
Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Gewerkschaftsmitglieder
aufgrund ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit sowie andere Verletzungen der
ILO-Kernarbeitsnormen (ILO: Internationale Arbeitsorganisation). Diese
Angriffe gehen einher mit einem nach wie vor mangelnden staatlichen Schutz
von Gewerkschaftern und Menschenrechtsaktivisten und mit mangelnder
juristischer Verfolgung und Aufklärung der Taten.

In Peru kam es seit Ende 2011 zu einer Reihe von sozialen Konflikten zum
Beispiel bei Bergbauprojekten, dem informellen und illegalen Goldabbau
und bei den Fischfangquoten. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit
staatlichen Sicherheitskräften gab es über 20 Tote. Durch die staatlichen
Abbaukonzessionen für Bergbauunternehmen sehen sich indigene Bevölke-
rungsgruppen und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in ihren Eigentums-
rechten und ihrer Subsistenz bedroht. Der Bergbau und der Betrieb groß-
flächiger Landwirtschaft haben zu massiven Umweltproblemen und zur
Umsiedlung indigener Bevölkerungsgruppen geführt, ohne dass es zu einem
gesellschaftlichen Diskurs oder einem Ausgleich kam.

7. Das Freihandelsabkommen umfasst verbindliche Verpflichtungen zur Markt-
öffnung im industriellen und agrarischen Bereich, zur Liberalisierung vieler
Bereiche der Daseinsvorsorge und Infrastrukturen, des öffentlichen Beschaf-
fungswesens und stellt einen Eingriff in das Alltagsleben und die sozialen und
politischen Verhältnisse der Menschen dar. Diese Verpflichtungen bedürfen

flankierender Regelungen in entsprechender Verbindlichkeit mit ent-
sprechenden Kontroll- und Eingriffsmechanismen. Der Vertrag sieht dem-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12877

gegenüber Verpflichtungen mit hoher Verbindlichkeit nur im Handelsbereich
vor, während im Bereich von Menschenrechten, sozialen und ökologischen
Standards nur unverbindliche Zielerklärungen enthalten sind. Im Falle
Kolumbiens und Perus wäre ein sehr starkes Nachhaltigkeitskapitel umso
wichtiger gewesen. Insbesondere wäre es in diesem Fall unabdingbar gewe-
sen, den allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus auch bei Verstößen gegen
die Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmer-, Menschen- und Umwelt-
rechten anwenden zu können, damit auch solche Verstöße sanktioniert wer-
den. Dabei müssen insbesondere auch Beschwerden von Seiten der Zivil-
gesellschaft direkt zu entsprechenden Verfahren führen können. Im Abkom-
men hingegen stellt Artikel 285 Absatz 5 explizit klar, dass der Streitbeile-
gungsmechanismus für das Nachhaltigkeitskapitel nicht zur Anwendung
kommt. Das vorliegende Nachhaltigkeitskapitel fällt sogar hinter das zurück,
was in anderen Abkommen erreicht wurde.

8. Die im Handelsabkommen vereinbarten Liberalisierungen der Finanzmärkte
erschweren die Bemühungen zur Regulierung des internationalen Finanz-
sektors und erleichtern Geldwäsche und Steuerhinterziehung. So könnten
Finanzakteure riskante Geschäfte machen, ohne ausreichend von einer der
Vertragsparteien kontrolliert zu sein. Das Abkommen schützt auch nur unzu-
reichend das Recht der Vertragsparteien, Kapitalflüsse zu kontrollieren.

9. Eine politische Debatte über das Handelsabkommen unter Einbeziehung der
Zivilgesellschaft hat nicht in ausreichendem Maße stattgefunden. Nicht-
staatliche Akteure wie Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen und
indigene Gruppen stehen einem Freihandelsabkommen weiterhin skeptisch
gegenüber und fordern verbindliche Regelungen beim Schutz der Menschen-
und Arbeitnehmerrechte sowie bei den Rechten der Landbevölkerung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich innerhalb der EU für Nachverhandlungen einzusetzen mit dem Ziel, unter
Beteiligung der Zivilgesellschaft der beteiligten Staaten das Freihandelsabkom-
men um ein Nachhaltigkeitskapitel zu ergänzen, in dem menschenrechtliche,
soziale und ökologische Standards sowie entsprechende Überprüfungs- und
Sanktionsmechanismen in dem allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus ver-
bindlich verankert sind.

Ohne derartige vertragliche Vereinbarungen und Überprüfungs- und Beteili-
gungsmechanismen kann der Deutsche Bundestag dem Abkommen nicht zu-
stimmen.

Berlin, den 19. März 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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