BT-Drucksache 17/12669

Straf- und Ermittlungsverfahren nach § 129, § 129a und § 129b des Strafgesetzbuchs im Jahr 2012

Vom 11. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12669
17. Wahlperiode 11. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidrun Dittrich, Petra Pau, Jens Petermann und
der Fraktion DIE LINKE.

Straf- und Ermittlungsverfahren nach § 129, § 129a und § 129b des
Strafgesetzbuchs im Jahr 2012

Der seit August 1976 bestehende § 129a des Strafgesetzbuchs (StGB) (Mitglied-
schaft, Werbung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) ist ebenso
wie der § 129 StGB (kriminelle Vereinigung) und § 129b StGB (terroristische
Vereinigung im Ausland) schon lange umstritten. Strafverteidigervereinigun-
gen, Menschen- und Bürgerrechtsgruppen fordern seit Jahren die ersatzlose
Abschaffung dieses Strafparagrafen.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Zum Komplex Strafverfahren wegen „linksterroristischer“ und hiermit in un-
mittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten (inkl. Unterstützung und
Werbung) im Jahr 2012 (bitte nach Jahren aufschlüsseln).

1. a) Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Beschuldigte wurden we-
gen derartiger Taten entweder vom Generalbundesanwalt eingeleitet oder
von den einleitenden Länderstaatsanwalten an diesen abgegeben?

b) In wie vielen Fällen wurde gegen wie viele Beschuldigte (nur/auch) nach
§ 129a StGB ermittelt?

c) In wie vielen Verfahren wurde gegen wie viele Beschuldigte (nur/auch)
nach § 129a StGB ermittelt?

d) In wie vielen Fällen hiervon lautete der Vorwurf jeweils „Unterstützung“
einer terroristischen Vereinigung bzw. „Werbung“ für eine terroristische
Vereinigung?

e) Wie viele der von der Bundesanwaltschaft eingeleiteten Verfahren wurden
später wieder an die Länderstaatsanwaltschaften abgegeben?

f) Wie viele der in den Fragen I.1a bis I.1d Beschuldigten waren

aa) jünger als 20 Jahre,

bb) zwischen 20 und 30 Jahre alt,

cc) zwischen 30 und 40 Jahre alt bzw.
dd) älter als 40 Jahre?

g) In wie vielen dieser Fälle erfolgte

aa) ein Versuch der Anwerbung bzw. des Einsatzes von V-Leuten,

bb) ein Versuch zur Gewinnung von Kronzeugen gegen die Beschuldigten
und

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cc) die Überwachung der Telekommunikation oder Post der Beschuldig-
ten und ihr Umfeld?

h) Wie viele Personen, Telekommunikationsanschlüsse bzw. (elektronische)
Postadressen waren von den unter Frage I.1g Doppelbuchstabe cc genann-
ten Maßnahmen betroffen (bitte aufschlüsseln)?

i) Wie viele Hausdurchsuchungen fanden im Rahmen dieser Ermittlungsver-
fahren statt, wie viele Haushalte/Personen waren davon betroffen, und
was wurde beschlagnahmt?

2. In wie vielen Fällen wurde gegen wie viele Personen insgesamt Untersu-
chungshaft verhängt,

a) davon mit Haftgrund (§ 112 Absatz 2 der Strafprozessordnung – StPO),

b) mit Haftgrund nach § 112 Absatz 3 StPO?

c) Wie lange dauerte jeweils die Untersuchungshaft (Monate/über ein Jahr)?

d) Wie viele der Betroffenen wurden später freigesprochen, zu Geldstrafe, zu
Freiheitsstrafe auf Bewährung und zu Freiheitsstrafe ohne Bewährung
(Jahre/Monate) verurteilt?

e) Wie viele der Betroffenen in den Fragen I.2a bis I.2d waren

aa) jünger als 20 Jahre alt,

bb) 20 bis 30 Jahre alt,

cc) 30 bis 40 Jahre alt bzw.

dd) über 40 Jahre alt?

3. a) In wie vielen Fällen kam es zur Einstellung der Ermittlungsverfahren
durch die Staatsanwaltschaft insgesamt?

b) In wie vielen Fällen davon waren jeweils ausschließlich bzw. auch nach
§ 129a StGB geführte Verfahren betroffen?

c) Wie viele dieser Verfahren fußten jeweils auf dem Vorwurf der Mitglied-
schaft, Unterstützung oder Werbung (bitte nach den bei den Fragen I.1 und
I.2 genannten Arbeitsgruppen aufschlüsseln)?

4. a) In wie vielen Fällen erfolgte insgesamt Anklage?

b) Gegen wie viele Angeklagte wurde Anklage erhoben?

c) In wie vielen Fällen gegen wie viele Angeklagte wurde jeweils

aa) nur nach § 129a StGB angeklagt,

bb) auch nach § 129a StGB angeklagt?

d) Wie viele Verfahren gegen wie viele Angeklagte jeweils betrafen in den
beiden letztgenannten Kategorien jeweils die Kategorie Mitgliedschaft,
Unterstützung, Werbung?

5. a) In wie vielen Fällen wurden die Anklagen zugelassen und das Hauptver-
fahren eröffnet?

b) Mit welchen Abweichungen, insbesondere bezüglich des Vorwurfs nach
§ 129a StGB?

c) In wie vielen Fällen kam es aus welchen Gründen zu gerichtlichen Einstel-
lungen?

6. a) Wie viele Urteile gegen wie viele Personen sind ergangen (unterschieden
nach rechtskräftig/nicht rechtskräftig)?
b) Wie viele Freisprüche gab es?

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c) Wie viele Verurteilungen erfolgten insgesamt?

aa) Wie viele Verurteilungen erfolgten jeweils nur oder auch nach § 129a
StGB?

bb) Wie viele der in Frage I.6c Doppelbuchstabe aa genannten Verurtei-
lungen erfolgten jeweils wegen Mitgliedschaft, Unterstützung, Wer-
bung?

d) Bei wie vielen dieser Verurteilungen wurde Geldstrafe verhängt?

e) Wie häufig wurde eine Jugendstrafe wegen welcher Strafnormen ver-
hängt?

f) Wie viele Freiheitsstrafen wurden wegen welcher Strafnormen verhängt?

aa) Wie hoch war die Strafdauer?

bb) In wie vielen Fällen davon mit Bewährung?

g) In wie vielen Fällen führte verminderte Schuldfähigkeit zu einer Straf-
milderung?

h) Wie verteilten sich die in den Urteilen festgestellten Deliktgruppen
prozentual entsprechend der Unterscheidung in Blath/Hobe: „Straf-
verfahren gegen linksterroristische Straftäter und ihre Unterstützer (1971
bis 1979/80)“, Bonn 1984, S. 8 ff. (Anschläge, gruppenbezogene Hand-
lungen, Unterstützungshandlungen)?

7. a) In wie vielen Fällen wurden insgesamt Rechtsmittel eingelegt?

b) Welche?

c) Von wem (Staatsanwalt/Verteidigung)?

d) Jeweils mit welchem Erfolg?

8. In wie vielen Fällen wurden Verteidiger von der Wahrnehmung der Vertei-
digung vom Gericht ausgeschlossen, und mit welcher Begründung?

9. a) In wie vielen Fällen wurden gemäß Frage I.6 verurteilte Strafgefangene
mit welchem Strafmaß insgesamt vorzeitig aus der Haft entlassen?

b) Nach welchen Vorschriften bzw. aufgrund welchen Akts?

c) Nach Verbüßung welcher Strafzeit?

10. Welche materiellen Sachschäden, berufliche Schäden sind Betroffenen die-
ser Ermittlungsverfahren, gegen die im späteren Gang der Ermittlungen das
Verfahren entweder eingestellt wurde oder die freigesprochen wurden, bei
diesen Razzien, Observationen, Hausdurchsuchungen etc. entstanden?

11. Wie lange werden die Daten der in diesen Ermittlungsverfahren erfassten
Beschuldigten wo aufbewahrt?

12. Wie ist der Umgang mit personenbezogenen Daten aus Dateien und Datei-
verbünden, die der Verdachtsgewinnung (im Rahmen der Gefahrenabwehr)
dienen, insbesondere freigesprochene Beschuldigte betreffend?

II. Wie lauten die entsprechenden Antworten zu den Fragen I.1 bis I.10, bezo-
gen auf den Komplex Strafverfahren wegen „rechtsterroristischer“ und hier-
mit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten im Jahr 2012
(bitte nach den Jahren einzeln aufschlüsseln)?

III. Wie lauten die entsprechenden Antworten zu den Fragen I. bis I.12 und II,
bezogen auf die an die Länder abgegebenen und dort fortgeführten Strafver-

fahren (ausdrücklich in Kenntnis und unter Berücksichtigung der nur teil-
weisen Rückmeldungen aus den Ländern)?

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IV. Wie lauten die Antworten zu den Fragen des Komplexes I, bezogen auf Ver-
fahren gemäß § 129 StGB (kriminelle Vereinigung)

1. insgesamt,

2. politischen Inhalts, insoweit als in diesen durch die politischen Abteilun-
gen der Staatsanwaltschaften bzw. durch den Generalbundesanwalt er-
mittelt und/oder vor einer Staatsschutzkammer verhandelt wurde?

V.

1. Wie lauten die Antworten zu den Fragen des Komplexes I, bezogen auf
die Verfahren gemäß § 129b StGB (kriminelle und terroristische Vereini-
gung im Ausland) jeweils?

2. Gegen welche ausländischen Gruppierungen richteten sich die Ermitt-
lungen, Anklagen und Verurteilungen im Jahr 2012 nach §129b StGB
(bitte aufschlüsseln)?

3. Welche der ausländischen Gruppierungen, gegen die im Jahr 2012 Ver-
fahren nach §129b StGB eingeleitet oder weitergeführt wurden, werden
von der Europäischen Union auf der Liste terroristischer Organisationen
aufgeführt (bitte nach Jahren einzeln aufschlüsseln)?

4. Gegen welche der ausländischen Gruppierungen, gegen die im Jahr 2012
Verfahren nach §129b StGB eingeleitet oder weitergeführt wurden, be-
steht in Deutschland ein Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz
(bitte nach Jahren einzeln aufschlüsseln)?

5. In wie vielen und welchen Fällen war die Einstufung einer ausländischen
bzw. im Ausland tätigen Organisation als terroristisch im Sinne des
§129b StGB durch das Bundesministerium der Justiz im Jahr 2012 strit-
tig (bitte nach Jahren einzeln aufschlüsseln)?

6. In wie vielen und welchen Fällen waren im Jahr 2012 ein Gesuch der Re-
gierung oder Justizbehörde eines anderen Landes ausschlaggebend für
die Einleitung eines Verfahrens nach §129b StGB (bitte nach Jahren ein-
zeln aufschlüsseln)?

7. In wie vielen und welchen Fällen haben die deutschen Ermittlungsbehör-
den bei Ermittlungsverfahren nach §129b StGB im Jahr 2012 über den
Weg des polizeilichen Informationsaustausches Erkenntnisse ausländi-
scher Sicherheitskräfte genutzt (bitte nach Jahren einzeln aufschlüsseln)?

VI. Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund der zum Teil er-
heblichen materiellen und immateriellen beruflichen und öffentlichen Schä-
den bei den Betroffenen solcher Ermittlungsverfahren und dem hohen An-
teil der mit Freispruch oder Einstellung beendeten Ermittlungen die Folgen
dieser Strafparagrafen?

Hält die Bundesregierung bei den Ermittlungen nach § 129, § 129a und
§ 129b StGB den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für gewahrt?

Berlin, den 11. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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