BT-Drucksache 17/12642

Abluftreinigungssysteme für Tierhaltungsanlagen

Vom 5. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12642
17. Wahlperiode 05. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Friedrich Ostendorff, Dorothea Steiner,
Cornelia Behm, Harald Ebner, Sven-Christian Kindler, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Abluftreinigungssysteme für Tierhaltungsanlagen

Die zunehmende Ablehnung von Intensivtierhaltungsanlagen wird von den Bür-
gerinnen und Bürgern – neben den Tierschutzaspekten – auch immer wieder mit
negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch Feinstaub-, Ammoniak- und
anderen Emissionen, aber auch einer möglichen Ausbreitung antibiotikaresis-
tenter Keime über die Abluft begründet. Zum Schutz von Mensch und Umwelt
sind die Betreiber genehmigungspflichtiger Anlagen aktuell zwar nach § 5
Absatz 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) verpflichtet, dafür
zu sorgen, dass „Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige
Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird,
insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen“.
Die Abluftreinigung ist bislang allerdings nicht generell vorgeschrieben, son-
dern kann nur im Einzelfall, etwa bei Unterschreitung der Mindestabstände zur
Wohnbebauung gefordert werden.

Auf Grundlage neuer Erkenntnisse wird nun von verschiedener Seite eine Ver-
schärfung der Anforderungen und Kriterien diskutiert. In einigen Bundesländern
gibt es Vorstöße, die Ausstattung mit Filteranlagen zumindest für Neuanlagen ab
einer bestimmten Tierzahl verpflichtend vorzuschreiben. Auf europäischer
Ebene spricht sich die Kommission im Zuge der Überarbeitung der Richtlinie
2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffent-
lichen und privaten Projekten für die Anpassung und Harmonisierung der Rege-
lungen zur Abluftfilterung und Bürgerbeteiligung aus.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche immissionsschutzrechtlichen Anforderungen gelten aktuell bei
Schweine- und Geflügelhaltungsanlagen?

Hält die Bundesregierung diese für ausreichend?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung ihre Position?

2. Hält die Bundesregierung die Abluftfilterung für ein geeignetes Mittel, Um-

welt- und Gesundheitsbelastungen aus großen Tierhaltungsanlagen zu redu-
zieren?

Welche Immissionsminderungen bei Staub, Keimen, Ammoniak und Ge-
ruchsstoffen werden durchschnittlich, und welche maximal erreicht?

Drucksache 17/12642 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Welchen quantitativen Beitrag kann der Einsatz von Abluftfilteranlagen
nach Ansicht der Bundesregierung leisten, um die Verpflichtung der Bun-
desrepublik Deutschland nach der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität
und saubere Luft der für Europa festgelegten Höchstmengen an Ammoniak-
emissionen durch Reduktion auf 550 Kilotonnen pro Jahr einzuhalten?

4. Welche Fördermittel hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz (BMELV) in den letzen fünf Jahren für die
Entwicklung von Filtersystemen bereitgestellt, im Rahmen welcher Pro-
gramme und mit welchen Ergebnissen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

5. Wie viele Förderanträge wurden gestellt, und wie viele wurden bewilligt
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

6. Wer waren die Empfänger der bewilligten Mittel (bitte nach Empfänger,
Jahr, Förderprogramm und Höhe der Fördermittel aufschlüsseln)?

7. Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl der Mittelempfänger?

8. Welche Rolle spielen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, also das Kosten-
Nutzen-Verhältnis der Abluftreinigungssysteme bei den Förderkriterien,
gerade im Hinblick auf die derzeit diskutierte „Filterpflicht“?

9. Welche Rolle spielt die Eignung der Anlagen bei den Förderkriterien im
Hinblick auf Nachrüstung und Wartungsfreundlichkeit?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass die Funktionstüchtigkeit der
nach dem BImSchG genehmigten Abluftreinigungsanlagen nach gesetz-
lichen Vorgaben lediglich einmal in drei Jahren überprüft werden muss?

Reicht dieser Rhythmus trotz zahlreicher Mängel aus, und ist nicht generell
eine jährliche Überprüfung notwendig, wie es beispielsweise im Kreis
Cloppenburg üblich ist (Land und Forst Nr. 2, 3. Juni 2011, S. 40)?

11. Erfordern, die von der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und For-
schungsanstalt (LUFA) Nord-West festgestellten Betriebs- und Wartungs-
mängel an in Betrieb befindlichen Abgasreinigungsanlagen (Land & Forst,
Nr. 2, 3. Juni 2011, S. 40) nicht eine ständige Überwachung mittels auto-
matischer Meldung der Anlagendaten an die zuständige Überwachungs-
behörde, um unzuverlässige Anlagen oder Betriebs- und Wartungsmängel,
wie falscher pH-Wert oder verstopfte Düsen, frühzeitig zu erkennen, und
die Fehler zu beheben?

Oder liegt das an der Technik der zertifizierten Abgasreinigungsanlagen?

12. Welche Rolle spielt die Energieeffizienz bei den Förderkriterien?

13. Welche Zertifizierungsverfahren hat die Bundesregierung in den vergange-
nen fünf Jahren gefördert (bitte Beschreibung des Verfahrens, Art, Dauer
und Häufigkeit der Messungen etc.), und mit welchem Finanzvolumen?

14. Welche Messverfahren kommen nach Kenntnis der Bundesregierung zum
Einsatz (bitte Beschreibung des Verfahrens für die einzelnen Emissions-
sparten, Art und Dauer der Messungen), und welchen Fehlertoleranzen un-
terliegen diese Messverfahren?

15. Hält die Bundesregierung das von der Deutschen Landwirtschafts-Gesell-
schaft e. V. (DLG) eingesetzte Verfahren zur Messung der Ammoniak-
Emissionen mit einem mobilen FTIR-Gerät für den mobilen Einsatz im
Rahmen von stichprobenartigen Emissionsmessungen für geeignet, bzw.
hat dieses nach Kenntnis der Bundesregierung eine TÜV-Zulassung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12642

16. Ist die LUFA Oldenburg, die im Rahmen der DLG-Zertifizierung ent-
sprechende Messungen mit einem solchen Gerät durchführt, nach Kenntnis
der Bundesregierung nach § 26 BImSchG für Messungen von NH3 (Am-
moniak) zugelassen, derartige Messungen und Kalibrierungen vorzuneh-
men, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser
Kenntnis für die Anerkennung des DLG-Zertifikats und anderer Zertifikate
durch staatliche Stellen?

17. Welche anderen Zertifikate werden nach Kenntnis der Bundesregierung
neben dem DLG-Zertifikat zum Nachweis der Immissionsminderung durch
Abluftreinigungsanlagen in der Intensivtierhaltung von staatlichen Stellen
anerkannt?

18. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Situation, dass die Genehmigungsbehörden nach Auskunft von
Marktteilnehmern zwar regelmäßig die Verwendung DLG-zertifizierter
Abgasreinigungsanlagen zulassen, die des TÜV-Rheinland AG zum Bei-
spiel aber ablehnen?

19. Welche besonderen Merkmale enthält nach Auffassung der Bunderegierung
der DLG-Signum-Test gegenüber anderen Testverfahren anderer in
Deutschland und der Europäische Union (EU) zugelassener Prüfungsstel-
len?

Wenn keine besonderen Merkmale beim DLG-Signum-Test bestehen, wie
erklärt sich die Bundesregierung dann, dass Zertifikate anderer zugelasse-
ner Prüfstellen nach Auskunft von Marktteilnehmern bei Genehmigungsbe-
hörden abschlägig beurteilt werden?

20. Ist der Bundesregierung bekannt, dass bei einer Untersuchung in den
Niederlanden 74 Prozent der in Betrieb befindlichen Luftwäscher nicht
den gesetzlichen Vorgaben entsprachen (Schweinezucht und Schweinemast,
4/2010, S. 33)?

Wenn ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus für die
Gesetzgebung in Deutschland?

21. Ist nach Auffassung der Bundesregierung angesichts hoher Belüftungsraten
im Sommer, und der damit kurzen Verweilzeit der Luft im Filter, die
Angabe der Reinigungsleistung der nach DLG zertifizierten Abluftreini-
gungsanlagen als prozentuale Emissionsminderung anstelle konkreter Kon-
zentrationsangaben in der Abluft grundsätzlich geeignet, die Emissionen
zielführend zu beschreiben und zu quantifizieren?

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung ggf. daraus?

22. Welche Verfahren kommen nach Kenntnis der Bundesregierung in den euro-
päischen Nachbarländern zum Einsatz, und welche Kooperationsstrategien
verfolgt die Bundesregierung, um länderübergreifende Synergieeffekte bei
Forschung und Entwicklung zu nutzen bzw. ein Funktionieren des Binnen-
marktes bei Filtersystemen zu gewährleisten?

23. Wie ist der Stand des mit Holland und Dänemark angestoßenen Abstim-
mungsprozesses zum VERA-Prüfrahmen (VERA = verification of environ-
mental technologies for agricultural production)?

Wird dieser nach Kenntnis der Bundesregierung von der DLG inzwischen
angewandt?

Wenn nein, warum nicht?

Und ab wann ist damit zu rechnen?

Drucksache 17/12642 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

24. Welcher Anteil der in den letzten fünf Jahren neu errichteten Tierhaltungs-
anlagen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung mit einem Abluftreini-
gungssystem ausgestattet (bitte getrennt nach Jahren/Tierarten, aufge-
schlüsselt nach Stallgröße gemäß Spalte 1 und 2 der 4. BImSchV)?

25. Bei wie viel Prozent dieser Anlagen geschah nach Kenntnis der Bundes-
regierung die Installation freiwillig bzw. auf Anordnung der Behörden (bitte
getrennt nach Tierarten Schweine/Puten/Hühner bzw. Hennen angeben)?

26. Wie viele Betriebe haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzen
fünf Jahren Filteranlagen nachgerüstet?

27. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Investitionsvolumen in
Abluftfilteranlagen in Relation zu den Gesamtinvestitionen in Erhalt und
Neubau von Tierhaltungsanlagen?

28. Welche Fördermöglichkeiten des Bundes inklusive Darlehensmöglichkei-
ten und steuerlicher Vorteile stehen den Landwirten zur Installation bzw.
Nachrüstung von Abluftfiltersystemen offen, und wie wurden diese in den
letzten Jahren in Anspruch genommen?

29. Gibt nach Auffassung der Bundesregierung die letzte Novellierung der TA
Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) im Jahr 2002 den
aktuellen Stand der Technik bei Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung
adäquat wieder, und welche Konsequenzen zieht sie daraus (bitte Abluft-
waschanlagen und Biofilter getrennt bewerten)?

30. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung von Dr. Jochen Hahne,
Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI), zu, dass „Abluftreinigungs-
anlagen für die Schweinehaltung … längst Stand der Technik“ sind und „für
größere Betriebe auch wirtschaftlich“ (Forschungsreport 1/2012 des
BMELV, S. 17), und welche Konsequenzen zieht sie daraus?

31. Wie erklärt die Bundesregierung, dass „lediglich 1% der deutschen Geflü-
gel- und Schweinehaltungsbetriebe über eine Abgasreinigungsanlage“ ver-
fügen (Dr. Jochen Hahne, vTI, Forschungs-Report 1/2012, S. 19)?

32. Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der geringen Anzahl von Ab-
gasreinigungsanlagen (siehe Frage 31) die Tatsache, dass Schäden durch
sekundären Feinstaub ebenso wie Kosten für Naturschutzmaßnahmen für
den Ausgleich von Schäden durch Überdüngung und damit durch die
80 Prozent der aus der Tierhaltung stammenden Ammoniakemissionen
(Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. –KTBL,
Faustzahlen, 2009, S. 928) von der Allgemeinheit getragen werden müssen,
anstatt die Verursacher zu mehr Immissionsschutz zu verpflichten?

33. Plant die Bundesregierung eine Verschärfung der Vorschriften zur Installa-
tion von Abluftfiltersystemen?

Wenn ja, in welchem Zeitraum, und für welche Anlagen?

Wenn nein, warum nicht?

34. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Planungen der Bun-
desländer, verschärfte Anforderungen an die Abluftreinigung bei Tierhal-
tungsanlagen zu stellen, und welche Konsequenzen zieht sie daraus?

35. Welche Staaten der EU haben nach Kenntnis der Bundesregierung weiter-
gehende Anforderungen als Deutschland, was die Abluftreinigung aus Tier-
haltungsanlagen betrifft?

Welche Staaten der EU schreiben die Installation von Abluftreinigungs-
anlagen bei Neubauten ab einer bestimmten Tierplatzzahl verpflichtend vor,

ggf. ab welcher Tierplatzzahl (bitte getrennt nach Tierarten Schweine/
Puten/Hühner bzw. Hennen angeben)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12642

36. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorstoß der EU, im Rahmen der
Überarbeitung der Richtlinie 2011/92/EU das Screening-Verfahren künftig
immer mit einer obligatorischen Begründung abzuschließen (gegenüber der
bislang unverbindlichen Einschätzung zur Notwendigkeit einer Umwelt-
verträglichkeitsprüfung – UVP)?

37. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorstoß der Europäischen Kommis-
sion, im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie auch die Bürgerbeteili-
gung in UVP-Genehmigungsverfahren neu zu regeln und eine solche ver-
pflichtend vorzuschreiben?

38. Ist die Abluftreinigung in der Tierhaltung nach Auffassung der Bundesre-
gierung ein geeignetes Mittel, die Tiergesundheit zu verbessern und darüber
den Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung zu verringern, und welche
Konsequenzen zieht sie daraus?

Berlin, den 5. März 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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