BT-Drucksache 17/12322

Mögliche Gefährdungen durch das Kfz-Kältemittel HFO-1234yf

Vom 11. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12322
17. Wahlperiode 11. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ralph Lenkert, Eva Bulling-Schröter, Dorothee Menzner,
Jens Petermann, Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Gefährdungen durch das Kfz-Kältemittel HFO-1234yf

Die deutsche Automobilindustrie hatte sich aufgrund der Vorgaben der EU-Richt-
linie 2006/40/EG für HFO-1234yf der Hersteller Honeywell und DuPont als
Kältemittel für Kfz-Klimaanlagen entschieden. Die Gefährlichkeit dieses Mittels
führte zu einer intensiven Diskussion in der Öffentlichkeit (www.autobild.de/
artikel/auto-klimaanlagen-gefaehrliches-kaeltemittel-hfo-1234yf-1893003.html).
Wegen neuer Erkenntnisse über die leichte Entzündbarkeit in Personenkraftwa-
gen (Pkw) unter Berücksichtigung der extrem gesundheitsschädigenden und
häufig tödlichen Verbrennungsprodukte (HF-Gase) änderten Teile der deutschen
Autoindustrie in jüngster Vergangenheit jedoch ihren Standpunkt zu HFO-
1234yf als Kältemittel in Kfz-Klimaanlagen.

Versuche des Herstellers Daimler AG zeigten reproduzierbar, dass sich aus Lecka-
gen strömendes HFO-1234yf an heißen Motorteilen entzündet. Die Daimler AG
startete eine Rückrufaktion und ersetzte das Kältemittel HFO-1234yf durch
R134a. Seither liefert die Daimler AG auch Fahrzeuge, deren Typzulassung
nach dem 1. Januar 2011 erfolgte, abweichend zur Richtlinie 2006/40/EG mit
R134a aus (Pressemitteilung vom 25. September 2012). Die Firma Volks-
wagen AG erklärte, HFO-1234yf nicht zu verwenden (FAZ vom 10. November
2012) und seit Februar 2013 bietet Mazda für bereits mit HFO-1234yf verkaufte
Fahrzeuge eine Rückrüstung auf R134a an (www.autoservicepraxis.de vom
31. Januar 2013 „Mazda bietet Rückrüstung an“).

Nicht nur von Bränden in Kraftfahrzeugen geht beim Einsatz des Kältemittels
HFO-1234yf eine Gefahr aus. In Werkstätten müssten beim flächendeckenden
Einsatz von HFO-1234yf nach Einschätzung der Fragesteller Arbeitsabläufe
verändert werden, beispielsweise wären neue Brandschutzmaßnahmen erfor-
derlich. Die Möglichkeit, dass aus HFO-1234yf an heißen Flächen – ohne
Brände – durch Thermolyse bzw. Pyrolyse bereits HF-Gase entstehen, erfordert
möglicherweise neue Rettungsstrategien nach Unfällen. Zum Schutz der Fahr-
zeuginsassen könnten deswegen auch besondere Abdichtungen des Innenraums
gegen den Motorraum und andere Luftführungen für den Innenraum nötig wer-
den.

Aber auch die Umweltwirkungen der Zerfallsprodukte von HFO-1234yf können

ein Problem darstellen. Wenn in allen europäischen Pkw HFO-1234yf im Ein-
satz wäre, würde die von Pkw in die Umwelt abgegebene Menge von Trifluor-
essigsäure von 1 800 Tonnen pro Jahr auf 18 000 Tonnen pro Jahr steigen.

Drucksache 17/12322 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Weiterhin entsteht bei massenhafter Verfügbarkeit von HFO-1234yf in Hinsicht
auf die Verbrennungsprodukte nach Einschätzung der Fragesteller ein akutes
Sicherheitsproblem für alle Gebäude und Bauwerke mit Lüftungsanlagen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Umweltbelastungen sind aufgrund der Bildung von Trifluoressig-
säure aus dem Zerfall von HFO-1234yf zu erwarten?

2. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass sich bei der Zerset-
zung von HFO-1234yf etwa zehnmal mehr Trifluoressigsäure als bei
R134a bildet?

3. Führen die Zerfallsprodukte von HFO-1234yf zu einer stärkeren Konzen-
trierung von Trifluoressigsäure in Gewässern und Böden?

4. Besteht durch den erhöhten Eintrag von Trifluoressigsäure die Gefahr einer
weiteren Übersäuerung von Gewässern und Böden?

5. Planen die Bundesregierung oder die Europäische Union (EU) Maßnah-
men, um einer Gewässerschädigung durch Trifluoressigsäure aus HFO-
1234yf vorzubeugen oder Maßnahmen, um eine mögliche Schädigung ab-
zumildern?

6. Wie ist die Einstufung von Trifluoressigsäure in Bezug auf seine umwelt-
gefährdende Wirkung?

7. Ist eine Bundesbehörde aktiv geworden, um in die EU-Richtlinie 2006/40/
EG Anforderungen aus der DIN EN 13034 zu integrieren?

Wenn die Frage mit ja beantwortet wird, wie ist der Bearbeitungsstand, und
um welche Behörde handelt es sich?

8. Wie ist der Stand des REACH-Verfahrens zu HFO-1234yf allgemein und
in Hinsicht auf die Bildung von Fluorwasserstoff auch ohne Brand an hei-
ßen Oberflächen?

9. Hält die Bundesregierung weitere Praxistests für erforderlich, um mögliche
Gefährdungen durch das Entstehen von Fluorwasserstoff ohne Brand an
heißen Oberflächen zu ermitteln?

10. Wie soll sichergestellt werden, dass keine größeren Mengen HFO-1234yf
unkontrolliert in die Umwelt gelangen, nachdem die EU-Richtlinie 2006/
40/EG für HFO-1234yf keine Überwachung von Leckagen in der Kfz-
Klimaanlage vorsieht, wie dies bei R134a vorgeschrieben ist?

11. Plant die Bundesregierung auf eine Änderung der Richtlinie 2006/40/EG
hinzuwirken, damit auch Pkw-Klimaanlagen mit HFO-1234yf der Prüf-
pflicht für Leckagen unterzogen werden?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

12. Plant die Bundesregierung eine allgemeine bundesweite Prüfungspflicht
für Leckagen bei Klimaanlagen, die HFO-1234yf beinhalten, einzuführen
(gegebenenfalls bitte Art, Häufigkeit und Umfang auflisten)?

13. Sollte keine Prüfungspflicht vorgesehen werden, wie begründet die Bun-
desregierung ihre Haltung?

14. Sind der Bundesregierung Szenarien zu verschiedenen Unfallszenarien mit
HFO-1234yf und den daraus entstehenden Gefahren bekannt, und wenn ja,
welche?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12322

15. Plant die Bundesregierung eine Kennzeichnungspflicht für Fahrzeuge mit
HFO-1234yf, damit diese Gefährdung von außen für Ersthelfer auch nach
Unfällen leicht erkennbar ist?

Wenn nein, wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Ersthelfer
durch HF-Gase nicht verletzt werden?

16. Wie viele Personen in der Bundesrepublik Deutschland bei Polizei, Feuer-
wehren und Rettungsdiensten müssten nach Einschätzung der Bundes-
regierung gegebenenfalls zur Vermeidung von Verletzungsrisiken durch
Verbrennungs- und Zersetzungsprodukte von HFO-1234yf geschult wer-
den?

17. Mit welchen Kosten müsste man im Falle notwendiger Schulungen in der
jeweiligen Gruppe rechnen?

18. Sollten Schulungen nicht vorgenommen werden, wie will die Bundesregie-
rung sicherstellen, dass das Personal von Polizei, Feuerwehren und Ret-
tungsdiensten durch Verbrennungsgase von HFO-1234yf nicht geschädigt
wird?

19. Mit welchem Aufwand für Messgeräte wäre bei Polizei, Feuerwehren und
Rettungsdiensten bundesweit zu rechnen, wenn alle Einsatzteams mit die-
sen Messgeräten zum Erkennen der Gefährdungslagen durch FluorHFO-
1234yf bei Unfällen ausgerüstet würden?

20. Falls die Ausstattung mit Messgeräten nicht vorgesehen wird, beabsichtigt
die Bundesregierung zum Schutz von Rettern und Geschädigten vor HF-
Gasen neue Rettungsstrategien bei Unfällen einzuführen, die beinhalten,
dass Geschädigte sofort und ohne Zeitverlust aus den Fahrzeugen geborgen
werden müssen?

21. Welche Maßnahmen zum Umgang mit HFO-1234yf in Servicewerkstätten
plant die Bundesregierung?

22. Wie soll die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften überwacht wer-
den?

23. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um stets eine Übersicht
über Mengen und Verbleib von HFO-1234yf in der Bundesrepublik
Deutschland zu haben?

24. Wie schätzt die Bundesregierung das Gefahrenpotenzial einer Verwendung
von HFO-1234yf zu terroristischen Anschlägen ein?

25. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die bei der Verbrennung
von HFO-1234yf entstehenden HF-Gase nicht zu Terroranschlägen ver-
wendet werden?

Berlin, den 11. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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