BT-Drucksache 17/12315

TETRA-Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben in Deutschland

Vom 7. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12315
17. Wahlperiode 07. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Sabine Stüber, Jan Korte, Herbert
Behrens, Eva Bulling-Schröter, Harald Koch, Dorothee Menzner, Jens Petermann,
Michael Schlecht, Dr. Petra Sitte, Johanna Voß und der Fraktion DIE LINKE.

TETRA-Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben
in Deutschland

Mit der Einführung des Digitalfunks sollen die Defizite in der sicherheitsrele-
vanten Kommunikation für alle Behörden und Organisationen mit Sicherheits-
aufgaben (BOS) behoben werden. Es handelt sich dabei um eines der derzeit
größten technischen Modernisierungsvorhaben in Deutschland. Danach soll erst-
mals ein bundesweit einheitliches Funknetz für Rettungs- und Sicherheitskräfte
flächendeckend zur Verfügung stehen und die bestehenden, voneinander unab-
hängigen Analogfunknetze ablösen (vgl. Bundesanstalt für den Digitalfunk der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, www.bdbos.bund.de).
Im Jahr 1996 fand zur Erprobung in Aachen ein erster Feldversuch statt. Im Jahr
2007 vereinbarten Bund und Länder, bundesweit diesen digitalen Sprech- und
Datenfunk auf der Basis des Mobilfunkstandards TETRA (Terrestrial Trunked
Radio) aufzubauen und zu betreiben. In einzelnen Regionen ist das BOS-Digi-
talfunknetz bereits verfügbar und wird genutzt (z. B. Berlin, Hamburg, Bremen,
Leipzig, München sowie Regionen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein West
und dem östlichen Landesteil Baden-Württembergs; vgl. Bundestagsdrucksache
17/10066).

Bisher können gesundheitliche Risiken für Menschen durch den BOS-Digital-
funk nach TETRA-Standard nicht ausgeschlossen werden. Zwar sind in der
Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-
schutzgesetzes die Grenzwerte für elektromagnetische Funkwellen festgelegt
und laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Rahmen des Deutschen Mobil-
funk Forschungsprogramms Untersuchungen zur Frage der gesundheitlichen
Auswirkungen hochfrequenter Felder durchgeführt worden. „Die dort gewon-
nenen Erkenntnisse können aber nur eingeschränkt auf den TETRA-Funk über-
tragen werden, da sich die Pulsfrequenz und der Frequenzbereich von denen des
kommerziellen Mobilfunks unterscheidet.“ (BfS).

Internationale Studien zeigen in einzelnen Bereichen einen Forschungsbedarf
auf. Zu den Langzeitfolgen gibt es bisher keine aussagekräftigen Untersuchun-
gen.
In Deutschland gibt es zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich mit der Einrichtung
des BOS-Digitalfunks auseinandersetzen. Dabei geht es nicht nur um mögliche
gesundheitliche Gefährdungen, sondern auch um fehlende Einflussmöglich-
keiten auf die Netzinstallation in den Gemeinden. Auch Beschlüsse gewählter
Bürgervertretungen werden außer Kraft gesetzt.

Drucksache 17/12315 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche nationalen und internationalen Forschungsergebnisse zu den ge-
sundheitlichen Auswirkungen des TETRA-Funks liegen derzeit vor, und mit
welchen zentralen Aussagen?

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Ergeb-
nissen für den weiteren Ausbau des BOS-Digitalfunks?

2. Inwiefern können mit den vorliegenden Forschungsergebnissen langfristige
gesundheitliche Schäden infolge der Nutzung des TETRA-Funks ausge-
schlossen werden?

3. Wie viele Basisstationen zur Errichtung eines einheitlichen BOS-Digital-
funknetzes sind bisher gebaut worden, und wie viele soll es bei kompletter
Fertigstellung geben (bitte jeweils nach Bundesländern nennen)?

4. Wie viele Basisstationen sind in den Landkreisen und kreisfreien Städten
geplant (bitte einzeln für die Landkreise und kreisfreien Städte aufführen
und die Standorte benennen)?

5. Um wie viel hat sich die Anzahl der ursprünglich geplanten Basisstationen
erhöht (bitte nach Bund, Länder und Gemeinden antworten), und was sind
die Gründe dafür?

6. Wann, in welchen Zeiträumen und in welchen Regionen werden Probe-
betriebe für den Behördenfunk vor der endgültigen Inbetriebnahme durch-
geführt?

7. Wann ist die Digitalfunktechnik auf TETRA-Standard international ein-
geführt worden?

8. Bis wann soll in Deutschland die Errichtung eines kompletten TETRA-Netzes
abgeschlossen sein?

9. Wie werden die Bürgerinnen und Bürger vor Ort über die Einführung des
TETRA-Digitaler BOS-Funk und die damit verbundenen Chancen und
Risiken informiert?

10. Wie viele Menschen sind derzeit von welcher Intensität der Strahlungen des
BOS-Digitalfunks betroffen (bitte nach Bundesländern auszählen, wenn
möglich auch nach Landkreisen)?

Wie viele werden es bei kompletter Fertigstellung und Inbetriebnahme des
BOS-Digitalfunks sein?

11. Trifft es zu, dass TETRA im 24-Stunden-Sendebetrieb sendet und immer mit
voller Leistung, und inwiefern kann dies bei Anwohnerinnen und Anwohnern
der Sendestationen zu hoher dauerhafter Strahlenbelastung führen?

12. Was unternimmt die Bundesregierung, um die Empfehlungen und Er-
mahnungen des BfS, die Funkbelastung für die Bevölkerung zu minimie-
ren, umzusetzen?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der gesundheit-
lichen Risiken durch die pulsierenden Signale des BOS-Funks am Emp-
fangsgerät?

Sind der Bundesregierung Alternativen zum TETRA-Funk bekannt, die auf
eine andere, weniger gesundheitsgefährdende Modulation des Signals
setzen?

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass bei der niedri-
gen Trägerfrequenz von TETRA (ca. 400 MHz) ein Schutz auch in zig
Kilometer Entfernung nahezu unmöglich ist, da die Funkwellen alle nicht-
metallischen Wände durchdringen, und was leitet sie gegebenenfalls daraus

für den Schutz der Bevölkerung ab?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12315

15. Welche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz von Behördenmitarbeitern
und Bevölkerung vor TETRA-Wirkungen hat die Bundesregierung vor-
bereitet, und wie werden diese Maßnahmen finanziert?

16. Wie hoch sind die geltenden Grenzwerte für TETRA/BOS-Funkanlagen
laut Bundes-Immissionsschutzgesetz?

17. Nach welchen Verfahren in welchem Zeitraum bzw. welcher Zeitdauer
wurden die Grenzwerte ermittelt?

18. Wie werden die Kommunen, auf deren Territorien Sendemasten errichtet
werden sollen, in die Planungen einbezogen (bitte mit Angabe der Konse-
quenzen bei ablehnender Haltung der Standortkommune)?

19. In wie vielen Fällen haben Gemeinden die Errichtung von Funkmasten
abgelehnt?

In wie vielen Fällen wurden dennoch Funkmasten errichtet, und auf Grund-
lage welcher gesetzlichen Regelung?

20. Zu welchem Zeitpunkt wurden die Kommunen (Bürgermeister, Stadt und
Gemeinderäte) über das TETRA-Projekt und die Kosten, die dadurch ent-
stehen, in Kenntnis gesetzt?

21. Welchen Kontakt hat die Bundesregierung bisher zu betroffenen Gemein-
den gesucht?

22. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag eines TETRA-Morato-
riums und einer gesamteuropäischen Neuvergabe der Aufgabe nachhaltiges
Behörden- und Sicherheits-Kommunikationssystem, und wie begründet sie
ihre Antwort?

23. Welchen Kontakt hat die Bundesregierung bisher zu Bürgerinitiativen ge-
sucht, die sich mit den Auswirkungen des BOS-Digitalfunks beschäftigten?

24. Welche Erkenntnisse gibt es über technische Defizite des BOS-Digital-
funks?

25. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur mangelhaft tech-
nischen Leistungsfähigkeit (vor allem hinsichtlich einer ungenügenden
Datengeschwindigkeit) von TETRA vor, die den modernen Anforderungen
des Behördenfunks nicht gerecht wird?

26. An wie vielen Standorten kann das in Deutschland zum Teil schon regional
eingerichtete BOS-Digitalfunknetz wegen technischer Probleme nicht ge-
nutzt werden bzw. musste abgeschaltet werden?

27. Inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, dass die Behördenmitarbeiter
trotz TETRA gezwungen sind, ihre privaten Smartphones zu nutzen, um
ihre Aufgaben überhaupt erfüllen zu können?

28. Welche Planungen bzw. Vorstellungen hat die Bundesregierung dahin-
gehend, wie eine Nutzung bereits erfolgter Investitionen (beispielsweise
der Funktürme) erfolgen kann, falls ein besseres System bundesweit ein-
geführt werden sollte?

29. Welche Erkenntnisse gibt es über sicherheitstechnische Defizite des BOS-
Digitalfunks?

Welche Ergebnisse brachten der Aachener Feldversuch und die in den Folge-
jahren durchgeführten Feldversuche?

30. Sind der Bundesregierung die Ausfälle der Mobilfunkversorgung im Erz-
gebirge (die über Masten, also oberirdisch erfolgt) bei strengen winterlichen
Witterungsbedingungen bekannt, und welche Schlussfolgerungen zieht sie
gegebenenfalls daraus für eine unterirdische Verlegung der Leitungen?

Drucksache 17/12315 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

31. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage, dass nur ein Glasfasernetz
die Basis eines zukunftssicheren, technisch anspruchsvollen, wetterunab-
hängigen und gesundheitsverträglichen Behördenfunks höchster Qualität
sein kann?

32. Hat die Bundesregierung Maßnahmen zur Nutzung vorhandener und För-
derung zu errichtender Glasfasernetze insbesondere für den Behördenfunk
ergriffen?

Wenn ja welche?

Wenn nein, warum nicht, und bis wann will die Bundesregierung Maß-
nahmen ergreifen?

33. Was unternimmt die Bundesregierung, um die für den Aufbau Ost getätigten
Investitionen in Glasfasernetze effizient zu nutzen und weitere Möglich-
keiten wie die Nutzung des Bundesbahnnetzes einzubeziehen, um die
Kommunikationstechnik im Behördenfunk in den neuen Bundesländern ins-
besondere zur Erhöhung der Sicherheit zu verbessern?

34. In welchen Ländern der EU wird im Rahmen der europäischen Zusammen-
arbeit der digitale Funkstandard TETRA angewandt (bitte mit Angabe der
Erfahrungen in diesen Ländern)?

35. Ist der Bundesregierung bekannt, dass TETRA mit dem längst eingeführten
französischen TETRAPOL-Behördenfunknetz nicht kompatibel ist (das
nicht die gefährliche Taktung aufweist), so dass damit ein einheitliches
europäisches Behördenfunknetz verhindert wird, und was unternimmt sie,
um diese Mängel abzustellen?

36. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ausfälle von
Digitalfunknetzen auf TETRA-Basis in Ländern, die dieses eingerichtet
haben?

Gibt es Länder, die diese Technik aufgegeben oder rückgebaut haben
(wenn ja, welche, und aus welchen Gründen)?

37. Welche Redundanz hat das geplante TETRA-Netz?

Was passiert, wenn das BOS-Netz ausfällt?

38. Welche Informationen liegen zu Nachfolgesystemen von TETRA vor,
die die allgemein bekannten Nachteile nicht haben (Taktfrequenz mit
17,65 Hz mitten im Gehirnwellenbereich, Ansprechverzögerung, zu nied-
rige Datengeschwindigkeit, plötzlicher Gesprächsabbruch bei hoher Funk-
felddämpfung, hohe Kosten, krasser Gegensatz zur Technik moderner
Smartphones für den privaten Bereich)?

39. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen angesichts der Tat-
sache, dass in Deutschland beträchtliche Entwicklungskapazitäten vor-
handen sind, um an der Entwicklung eines redundanten, nachhaltig um-
weltverträglichen europäischen Höchstleistungsnetzes für Behörden mit Si-
cherheitsaufgaben maßgeblich mitzuwirken?

40. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung eingeleitet, um wissenschaft-
liche und unternehmerische Innovationen und Initiativen für die Lösung der
Probleme des Behördenfunks zu fördern?

41. Wie hoch sind derzeit die geschätzten Gesamtkosten für die Errichtung des
kompletten BOS-Digitalfunknetzes, und welche Kosten waren ursprünglich
angesetzt (bitte wenn möglich auch nach Bundesländern aufgliedern)?

42. Wie hoch wären die Gesamtkosten für die Verschlüsselung des Analog-

funks, und was spricht gegen diese Variante?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12315

43. Wie haben sich Investitions- und Betriebskosten für den digitalen Behörden-
funk entwickelt (bitte dazu auch die ursprüngliche Kostenplanung angeben)?

44. Wie verteilen sich beim BOS-Digitalfunk die Investitionskosten und die
darauffolgenden Betriebskosten auf Bund, Länder und Kommunen (bitte
für Investitionen und Betriebskosten einzeln nennen)?

45. Zu welchem Anteil werden die Mehrkosten des TETRA-Projekts auf die
Kommunen, Länder und den Bund umgelegt?

46. Ist der Bundesregierung bekannt, dass international der Vorteile wegen
eine technische Wende vom Mikrowellenfunk zur Photonik im Gange ist,
die auch den Behördenfunk betrifft?

Welche Institutionen hat die Bundesregierung beauftragt, diese Entwick-
lung zu hinterfragen und europaweit zu nutzen?

47. Welche deutschen Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind nach
Kenntnis der Bundesregierung an der ökologischen Wende der Kommuni-
kationstechnik beteiligt, und wie werden diese im Hinblick auf die BOS-
Kommunikation durch die Bundesregierung gefördert?

48. Welche Einrichtungen und Institutionen sind angesichts der in Gang
kommenden ökologischen Wende der Kommunikationstechnik durch die
Photonik damit beauftragt, sich um ein nachhaltiges und redundantes BOS-
System auf dieser Grundlage zu bemühen?

49. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass TETRA für elektro-
hypersensibilisierte Menschen zusätzliche gesundheitliche Belastungen mit
sich bringt?

Inwiefern ist dann ein flächendeckender Behördenfunk mit Funkverfahren
wie TETRA aus Gründen der Menschenrechte nicht akzeptabel bzw. ver-
stößt gegen die grundgesetzlichen Schutzpflichten des Staates?

50. Aus welchen Gründen wurden bestimmte Frequenzbereiche des BOS-Funks
(390 bis 399,9 MHz, 335,4 bis 387 MHz und 1559 bis 1610 MHz) als aus-
schließlich militärisch klassifiziert?

Welche rechtliche Stellung erfolgt aus der militärischen Klassifizierung eines
Frequenzbereichs gegenüber der Klassifizierung eines zivilen Frequenz-
bereichs?

51. Mit welchen Maßnahmen plant die Bundesregierung die Ausstattung „einer
Vielzahl von Objekten“ (Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden
und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, www.bdbos.bund.de/cln_329/
nn_421176/DE/Bundesanstalt/Projekt_Digitalfunk/Netzaufbau_Roll_out/
Objektversorgung/objektversorgung_node.html?_nnn=true) mit notwendi-
gen, zusätzlichen Gebäudefunkanlagen voranzutreiben, um eine ausreichende
Versorgung durch BOS-Funk im Inneren sicherzustellen?

Um wie viele Objekte handelt es sich dabei schätzungsweise?

Berlin, den 7. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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