BT-Drucksache 17/12311

Engagement der Bundesregierung im internationalen Flüchtlingsschutz

Vom 7. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12311
17. Wahlperiode 07. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Sevim Dag˘delen, Annette Groth,
Andrej Hunko, Stefan Liebich, Niema Movassat, Petra Pau, Frank Tempel, Katrin
Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Engagement der Bundesregierung im internationalen Flüchtlingsschutz

Nur ein Bruchteil der Menschen, die sich weltweit auf der Flucht befinden, ver-
sucht in den Industrienationen Schutz zu erhalten. Die allermeisten verbleiben
– freiwillig oder gezwungenermaßen – entweder in Teilen ihres Herkunfts-
landes, in denen sie vermeintlich sicher vor Verfolgungshandlungen oder ge-
waltsamen Auseinandersetzungen sind oder sie fliehen in umliegende Staaten.
In Fällen größerer Fluchtbewegungen versuchen die einschlägigen internatio-
nalen Organisationen, wie der Hohe Kommissar für Flüchtlinge der Vereinten
Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR) oder
das Internationale Rote Kreuz und seine nationalen Partnerverbände, die not-
wendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, um eine menschenwürdige
Unterbringung der Flüchtlinge vor Ort zu gewährleisten.

Die Unterstützung der genannten und weiterer Organisationen für den Aufbau
und Betrieb von Aufnahmelagern für Flüchtlinge durch die internationale
Gemeinschaft erfolgt sowohl aus humanitären Erwägungen als auch aus der
Überlegung, damit weitere Fluchtbewegungen in Richtung der Industrie-
nationen eindämmen zu können. Die Europäische Union (EU) hat in diesem
Sinne das Konzept der „Regionalen Schutzprogramme“ entwickelt. In Her-
kunfts- und Transitregionen von Flüchtlingen sollen diese Programme unter an-
derem dazu dienen, die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende zu verbessern
und ein rechtsstaatliches Asylverfahren zu schaffen. Ungeachtet solcher Verbes-
serungen liegen die Asylbedingungen in diesen Regionen zumeist deutlich un-
terhalb der Standards, die die einschlägigen Asylrichtlinien der EU vorsehen.
Selbst für den Fall einer Asylanerkennung sind die Lebensperspektiven in die-
sen Ländern oft schlecht. Eingebunden sind diese Hilfsmaßnahmen in Strategien
zur Verhinderung der Flucht in die EU bzw. zur erleichterten Abschiebung
unerwünschter Migrantinnen und Migranten in die betroffenen Länder. Für die
Schaffung eines solchen RPP (regional protection program) waren zuletzt auch
Tunesien, Ägypten und Libyen im Gespräch, obwohl zumindest in Libyen fort-
gesetzt Schutzsuchende in Haft genommen und misshandelt werden.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welche internationalen Organisationen und Einrichtungen, die sich vor-
wiegend oder unter anderem um den Schutz und die Versorgung von Flücht-
lingen und Vertriebenen kümmern, zahlt die Bundesregierung regelmäßig
Beiträge in jeweils welcher Höhe (bitte so differenziert wie möglich an-
geben)?

Drucksache 17/12311 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. In welchem Umfang hat sich die Bundesregierung in den Jahren 2010, 2011
und 2012 finanziell am Aufbau und Unterhalt von Flüchtlingscamps und
ähnlichen Einrichtungen weltweit mit finanziellen Beiträgen beteiligt (bitte
einzeln auflisten)?

3. Welche sonstigen Unterstützungsleistungen hat die Bundesrepublik Deutsch-
land in diesen Jahren erbracht (technische, logistische oder andere Unter-
stützung, Lieferung von Hilfsgütern u. a., bitte einzeln auflisten)?

4. Wie viele Personen sind in den vergangenen Jahren unmittelbar aus von der
Bundesregierung unterstützten Flüchtlingslagern in die Bundesrepublik
Deutschland aufgenommen worden (bitte nach Jahren, Herkunftsländern
und Flüchtlingslagern auflisten)?

5. In welchem Umfang hat die Europäische Union in den vergangenen drei
Jahren finanzielle und sonstige Unterstützung für die Aufnahme von
Schutzsuchenden und Flüchtlingen im Sinne der Fragen 1 bis 3 geleistet,
und wie hat sich die Bundesregierung an dieser Unterstützung beteiligt?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lebensbedingungen in den zuvor
genannten Flüchtlingscamps oder ähnlichen Einrichtungen, und inwieweit
erfolgte die Unterbringung bzw. der Aufenthalt in diesen Einrichtungen
freiwillig oder zumindest mittelbar unter Zwang (bitte einzeln auflisten)?

7. Wie lang müssen Flüchtlinge in solchen zumeist ad hoc errichteten Auf-
nahmelagern verbleiben (bitte so differenziert wie möglich beantworten),
und inwieweit ist dabei die Annahme zutreffend, die Betroffenen könnten
nach Beendigung eines Konflikts schnell wieder in ihre Herkunftsländer
zurückkehren, so dass insofern eine heimatnahe Unterbringung von Vorteil
sei (bitte darlegen)?

8. Welche regionalen Schutzprogramme werden derzeit durch die EU durch-
geführt, was waren bzw. sind die einzelnen Elemente (Ausbildung, Aus-
stattungshilfe, Finanzhilfe etc.) dieser Programme in den vergangenen drei
Jahren bzw. derzeit, und wie wird der Erfolg dieser Programme bewertet?

9. Wie wird der Erfolg der RPP durch die Europäische Kommission und durch
die Bundesregierung bewertet, welche systematischen Auswertungen wur-
den dazu bislang vorgelegt, und welche Maßstäbe wurden dabei zur Be-
wertung des Erfolgs angelegt?

10. Wie hat sich die Bundesregierung in den letzten drei Jahren an der Durch-
führung von regionalen Schutzprogrammen der EU beteiligt (bitte differen-
ziert beantworten)?

11. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zur Durchführung eines regio-
nalen Schutzprogramms in Libyen, Tunesien und Ägypten ein vor dem
Hintergrund, dass diese Staaten selbst Herkunftsstaaten Asylsuchender sind
oder (im Falle Libyens) Schutzsuchenden aus Drittstaaten dort weiterhin
massive Menschenrechtsverletzungen drohen?

12. Inwieweit wird an die Partnerstaaten im Rahmen der regionalen Schutz-
programme vonseiten der EU oder ihrer Mitgliedstaaten die Erwartung
herangetragen, dass sie Maßnahmen ergreifen, um Schutzsuchende von
einem weiteren Transit in Richtung der EU-Staaten aktiv abzuhalten bzw.
inwieweit wird von den betroffenen Ländern erwartet oder verlangt, ihre
Grenzschutzmaßnahmen und/oder die Kooperation mit EU-Ländern bei der
Rückübernahme ausreisepflichtiger Personen (Rückübernahmeabkommen)
zu verbessern (bitte ausführen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12311

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr, dass durch regionale Schutz-
programme Länder im Ergebnis zu „sicheren Drittstaaten“ erklärt werden
könnten, in die aus EU-Ländern ohne inhaltliche Prüfung abgeschoben
wird, obwohl die Asylstandards in diesen Ländern ungeachtet etwaiger
Verbesserungen regelmäßig unterhalb des Schutzniveaus innerhalb der EU
liegen (bitte ausführen)?

Berlin, den 7. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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